Kapitel 54

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"Sollen wir da rein?", fragte mich Mazlum Abi und schlürfte mit Absicht laut an seinem Milkshake.
"Ja", lächelte ich leicht und ging vor. Meine Augen suchten sie. Seine Freundin. Cansu.
Eine Schönheit mit schwarzem Kopftuch sah in meine Richtung und lächelte. Bingo.
"Oh mein Gott, da ist sie", flüsterte ich und ging mit ihm zu ihr.
"Du musst Özlem sein", nahm sie mich herzlich in den Arm, während mir die Spucke zum reden fehlte und ich wieder so schüchtern war. Mazlum Abi nahm sie ebenfalls in den Arm und wir setzten uns auf eines der Plätze im Eiscafé.
"Wir sehen uns echt spät, lag wohl daran, dass Mazlum sich nicht getraut hat, was zu erzählen", kicherte sie, während ich leicht lachte und zu ihm sah.
"Wie alt bist du?", fragte ich höflich.
"20 und du?"
"18", lächelte ich sie warm an und bewunderte sie. Sie lächelte ununterbrochen und strahlte.
"Studierst du?", fragte sie mich.
"Momentan mache ich nichts", gab ich von mir.
Verständlich nickte sie.
"Du warst lange in der Türkei, stimmts?", fragte sie plötzlich.
Fragen bildeten sich in meinem Kopf, doch wie ein Kick bildete sich stattdessen ein Ausrufezeichen. Während ich in der Psychiatrie war, hat sie wohl nach mir gefragt. Türkei also.
"Ja, ja ich war quasi im Urlaub. Unserer Oma ging es nicht gut und weil ich die Schule schon durch habe, habe ich mich um sie gekümmert", log ich.
"Das ist süß", kommentierte sie.
"Ich hoffe es geht ihr besser."
"Ja, sie ist wieder fit", lächelte ich falsch.
Ich fühlte mich schlecht.
"Was machst du schulisch?"
"Ich mache eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Ich befinde mich im vorletzten Jahresende."
Interessiert nickte ich.
"Mazlum alles okay bei dir?", kicherte sie, da er so ruhig da saß.
"Eure Gespräche langweilen mich bisschen."
Abrupt sahen wir uns beide an und grinsten.
"Shoppen", sprachen wir gleichzeitig und standen auf.
Er bereute es sofort, doch folgte uns anschließend. Aufmerksam hörte ich ihr zu, wie sie mir über sich selbst vieles erzählte und ich sie sofort ins Herz schloss. Sie war ein liebevoller Mensch und passte perfekt zu meinem Bruder. Den ganzen Tag durchstöberten wir Läden und kauften uns eine Kleinigekeit. Danach gingen wir uns bei Subway etwas kaufen und schon war der Tag vorbei. Seit der Sache mit Kaan ging es mir hundertmal besser, denn ich musste selten daran denken, weil mich Cansu abgelenkt hatte. Mit Mazlum Abi fuhr ich nach Hause und machte mich sofort für die Nacht bereit, bis mich laute Stimmen neugierig machten und ich im Wohnzimmer meine Eltern sah, wie sie sich zum ersten Mal anschrien.
"Wenn man vom Teufel spricht", sprach meine Mutter, was mich wieder traurig machte, doch ich neutral blieb und zu meinem Vater sah.
"Geh auf dein Zimmer", sprach er ruhig zu mir.
"Nein, sie soll gefälligst mitbekommen, wieso wir uns streiten-
"Wieso denn?", brach ich sie ab und sah zu ihr.
"Weil ich dich länger nicht mehr aushalte. Du sollst ausziehen."
"Seit sie hier ist, hat sie mich nichteinmal nach Geld gefragt, außer, wenn ich es ihr von mir aus gegeben habe. Essen tut sie hier selten, Abendessen isst sie garnicht. Du siehst sie wenige Stunden im Haus. Sogar ihre Kleidung hat sie aus ihrem Koffer nicht rausgepackt, aus Angst, das du sie vor die Tür schickst. Sie fällt doch garnicht auf, wie soll sie dich bitte stören?", fuhr mein Vater fort und legte seinen Arm um mich, als Zeichen, das ich nicht allein dar stehe. Doch ich fühlte mich überhaupt nicht gut. Wegen mir stritten sich zwei Leute und beide waren genervt von mir. Durch meine Anwesenheit ist Distanz ins Haus gekommen und das macht mich traurig, obwohl ich es versuchte, niemanden hier zu begegnen.
"Wenn das für euch wirklich anstrengend ist, dann kann ich gehen. Das ist kein Problem für mich", sprach ich leise und schluckte den Kloß herunter. Es tat so weh.
"Ja bitte, das wäre echt eine Hilfe wert, wenn du verschwinden würdest, damit ich hier wieder in Ruhe sitzen kann, ohne von dir gestört zu werden. Du bist wie eine Fremde hier im Haus."
In Büchern, Filmen und Texten wurde von Herzesstichen gesprochen, die sich wie Messerstiche anfühlten. Meine Vermutung war, dass es nur eine Metapher war, doch mich traf es schlimmer als ein Messer. Ich bemerkte, wie mich niemand wert schätzte. Es tat verdammt nochmal weh. Es war hart und nicht einfach zu realisieren.
Eine kleine Träne floss meine Wange entlang und fuhr weiter meinen Hals herunter. Es war schlimmer als eine Kugel aus einer Pistole, denn meine Seele starb qualvoll. Wie konnte sie nur so eiskalt sein?
"Ich kann dich verstehen, aber sag mir wieso?", hauchte ich und schluchzte.
"Was hab ich getan, dass du Hass an mir ausübst?", ergänzte ich und war kurz davor, zusammen zu klappen. Ich hielt es nicht mehr aus. Sie schwieg, wie jedesmal.
"Sie wird nicht gehen. Du wirst bleiben Özlem", sprach mein Vater streng und drückte mich seitlich beschützerisch an sich.
"Geh auf dein Zimmer. Ich komme nach", flüsterte er. Nickend kehrte ich der Frau den Rücken zu und ging auf das Zimmer. Ich muss hier weg, doch wohin? Hotel könnte ich mir nicht leisten und bei Erdem wohnen wäre nicht blendend. Ich müsste es hier zwei Monate aushalten.
"Nur noch zwei Monate", flüsterte ich und lehnte mich an die Wand.
Betrübt ließ ich mich nieder und verstand die Welt nicht mehr. Herz gegen Verstand.
Ich dürfte nicht die Hoffnung aufgeben.
Plötzlich fiel mir ein, dass ich noch einige Schlaftabletten hatte und fing an nach ihnen zu suchen. Ich würde wegen der Sache nicht schlafen können, sondern nur nachdenken und darauf hatte ich keinen Nerv, denn das ganze Nachdenken zerstörte einen so ziemlich.
Plötzlich vibrierte mein Handy, was ich zur Hand nahm und versuchte, normal zu klingen.
"Wie gehts dir?", fragte die raue Stimme meines Ankers.
"Gut dir?", fragte ich ihn und deckte mich zu.
"Gut, aber ich kann garnicht schlafen", beschwerte er sich. Ich schwieg und schloss meine Augen.
"Hör zu, ich weiß, dass der Abend scheiße gelaufen ist, aber wieso läufst du vor mir weg?", fragte er plötzlich, weshalb meine Augen aufschlugen.
"Ich laufe von dir garnicht weg."
"Nein, nur nicht. Du hast meine Anrufe ignoriert und dein Vater hat mich dauerhaft weggeschickt."
"Er hat dich weggeschickt?"
"Ja, gestern Abend."
"Oh", piepste ich leise und biss mir auf die Lippe.
"Ich glaub nicht, dass das jeder mitbekommen hat. Ich habe mit meinem Vater gesprochen und Kaan arbeitet in der Partnerfirma. Ich habe ihn gesprochen."
"Du hast ihn gesprochen?", fragte ich skeptisch.
"Er hat sich paar Fäuste geholt, aber ich war richtig wütend. Sowas kann man doch nicht gelten lassen."
Ich bejahte.
"Ich will nicht, dass du wieder Stress mit der Polizei hast."
"Werd ich nicht Melegim."
"Ich hole dich morgen ab, egal ob du willst oder nicht, egal, ob ich bei dir einbrechen muss und dich raus zwingen muss. Ich hole dich morgen ab."
Kurz lächelte ich.
"Okay."
"Pennst du?"
"Halb", gab ich lachend von mir.
"War so klar du Schlafmütze. Schlaf gut, bis Morgen Schatz."
"Bis morgen."
Der nächste Morgen stand an. Da ich relativ spät aufstand, musste ich durch die Wohnung flitzen. Ich machte mich nicht hübsch, da mir die Zeit fehlte.
"Bin mit Erdem draußen", rief ich durch die Wohnung.
"Mit Erdem?", hörte ich hinter mir, als ich die Haustür öffnen wollte.
"Ja, mit Erdem", gab ich kühl von mir.
"Ich erlaube dir das nicht", sagte sie plötzlich.
"Ich komme doch gleich wieder", gab ich leise von mir.
"Lasst euch Zeit. Ich erlaube es dir", ertönte die Stimme hinter meiner Erzeugerin.
"Schon gut Baba, ich bleibe."
Stillschweigend ging ich wütend an beiden vorbei und knallte meine Zimmertür hinter mir zu. Bevor Erdem umsonst hier hin kommt, sagte ich per Nachricht ab und schmiss mich ins Bett. Ich hatte es satt. Es nervte mich so langsam. Ich wollte jedoch nicht meine Eltern so sehen, schließlich liebten sie sich. Ich will nicht wissen, was er alles getan hat, damit ich hier wohnen darf. Wegen mir distanzierte sich die Bindung zwischen zwei Geliebten. Nur noch zwei Monate. Wie auch immer ich diese zwei verdammten Monate aushalten würde, ich würde mich danach loben, die Zeit mit meiner Erzeugerin verbracht zu haben. Sie hasste mich, wünschte mir das schlimmste im Leben und das war meiner Meinung nach nicht normal. Keine Mutter tut sowas, keine. Egal wie sie versuchen, gegenüber dem Kind kalt zu sein, innerlich muss man doch ein Stückchen Liebe haben? Es zerriss mich, besonders meine Mutter hatte ich in der Zeit der Psychiatrie vermisst. Sie war nun ein komplett anderer Mensch, eine andere Seele. Ich hatte mich gefreut, sie zum ersten Mal nach Jahren gesehen zu haben, doch mit dieser Reaktion hätte ich nichteinmal im schlimmsten Falls gedacht.
"Mach dich fertig, wir fahren zu Erdem", platzte sie plötzlich nach einer halben Stunde herein.
"Mir gehts nicht so gut, ich bleibe hier", log ich und tat auf krank.
"Seh ich so aus, als würde mich das interessieren? Steh auf."
Ich gab auf und glättete schnell meine Haare, um einigermaßen in Ordnung auszuschauen. Meine Kleidung ersetzte ich durch eine Bluse und einer engen Jeans. Zu vergessen waren die Ketten und Ringe natürlich nicht. Schnell parfümierte ich mich stark und folgte dicht meiner Mutter. Mutter.
Sie als auch mein Vater stiegen vorne ein, ich hinten. Seelenruhe herrschte im Auto. Sie ignorierten mich, wenn sie redeten.
Angekommen stieg ich aus und klingelte. Ein Erdem in schicken Sakko und einer Jeans stand vor mir.
Er grinste wie ein Verrückter und küsste kurz meine Stirn. Die Hände der Eltern küsste ich aus Respekt und gesellte mich allen im Wohnzimmer.
"Wir sind in meinem Zimmer", sagte Erdem und zog mich mit sich.
"So kein Bock auf diese älteren Gespräche", seufzte er und schloss ab. Plötzlich öffnete er das Fenster und zündete sich eine Zigarrette an.
"Nicht dein Ernst. Wie kann man nur?", fragte ich entsetzt über sein Vorgehen. Das war überhaupt nicht in Ordnung, es vor den eigenen Eltern zu verstecken.
"Es ist kalt", kreuzte ich meine Arme vor die Brust.
"Da ist eine Decke. Mach's dir bequem. Ich mache auch schnell."
Nickend legte ich mich in sein Bett und schloss kurz meine Augen.
"Wehe du schläfst wieder. Ich werde vor Langweile sterben, wenn du pennst", flehte er wie ein Kind, was mich zum kichern brachte und ich meine Augen öffnete.
"Wieso hast du heute abgesagt? Was war wichtiger als ich?", fragte er plötzlich, was mich rasch beunruhigte und ich ernst wurde.
Ich setzte mich aufrecht hin und sah zu ihm.
"Meine Mutter hat mich aufgehalten."
"Und du hörst auf die?"
"Sie versucht dich runterzumachen. Du hörst auf die?"
Nachdem er die Zigarette aus dem Fenster warf und das Fenster schloss kam er auf mich zu und legte sich zu mich.
"Sind ja nur noch zwei Monate", flüsterte ich in seine Brust und strich über sein Shirt.
"Macht dich das nicht fertig?"
"Schon, aber was soll man machen?"
"Nächstes Mal sagst du mir Bescheid."
Plötzlich legte er seine kalte Hand über meinen nackten Rücken, was mich heftig zucken ließ.
"Arschloch", zischte ich und nahm seine Hand von meinem Rücken.
Kurz lachte er auf und küsste mich sanft.
"Özlem, Erdem?"
Sofort rappelte ich mich auf und Erdem ging zur Tür.
"Steh auf!", flüsterte er.
Rasch legte ich die Bettdecke zurecht und versuchte so gut es ging normal zu wirken.
"Wieso habt ihr abgeschlossen?", fragte Erdems Mutter skeptisch.
"Weil ich wusste, dass meine Mutter reinplatzen würde", legte Erdem einen Arm um seine Mutter und sah sie amüsiert an.
"Nervt er dich?", fragte sie mich lachend.
"Ja, ein wenig", grinste ich frech, als Erdem gespielt geschockt zu mir sah.
"Ich bin der süßeste Freund, den man haben kann. Ich nerve nie."
"Kommt runter zum Essen", ignorierte die Mutter Erdem und ging lachend davon.
"Ich nerve?", hielt er mich fest, als ich ihr hinterher wollte.
"Wo sie Recht hat, hat sie Recht."
Plötzlich lehnte er mich an die Tür und küsste mich wie vorher. Rot angelaufen erwiderte ich seinen Kuss, stoppte jedoch und ging nach unten zu meinen und Erdems Eltern.
Ich nahm mir von jedem ein wenig was und begann mit zu essen, während Erdem erst danach auftauchte und sich gegenüber von mir setzte. Er wollte mich nerven und das nur, weil es für mich nach dem Kuss so unangenehm ist, ihn anzuschauen.
"Findest du nicht auch, Özlem?"
"Es soll schon eine große Feier sein. Ich werde jeden meiner Freunde einladen", sprach Erdem rein.
Dankend sah ich zu ihm und lächelte meinen Schwiegervater an.
"Du machst mich noch pleite", lachte mein Schwiegervater zu Erdem, der vor sich hin grinste.
"Kann Özlem gleich mit zu meinem Fußballspiel?", fragte er meinen Vater.
Moment Mal? Er hätte gleich ein Fußballspiel? Er spielte noch Fußball? Ich wusste, dass er ab und zu Fußball spielt, doch dass er immernoch im Verein ist? Natoll, ich könnte mich erschießen, dass ich so wenig über ihn wusste.
"Natürlich, kommt nicht zu spät."
"Ich begleite sie nach Hause."
Ich folgte ihm nach oben und ließ mich auf dem Stuhl nieder.
"Du musst gleich sehen, wie ich abgehen werde", sprach er und zog sich nebenbei sein Shirt aus.
"Man!", piepste ich und sah weg.
Er lachte nur und zog sich problem los in Fußballkleidung um.
"Zieh dir lieber auch was lockeres an."
"Ich werde schon nicht spielen."
"Ich brings dir bei."
Laut seufzte ich. Ich war zu faul, um mich extra noch umzuziehen.
"Hier, die gehört dir und", er dachte nach und stemmte seine Hände an seinen Hüften, was ziemlich süß aussah und ich lachen musste.
"Nimm einfach das", warf er die Jogginghose mit dem Fußballshirt zu mir.
"Da steht dein Name", sah ich auf die Rückseite.
"Wir hatten die uns mit den Jungs machen lassen. Ist schon voll alt."
Zuletzt schlüpfte ich in meinen Adidasschuhen und nahm mir Erdems Bomberjacke, da ein Mantel mit Sportkleidung nicht besser aussehen würde, doch irgendwie sah die Jacke nicht zu groß aus. Draußen war frisches Wetter, doch die angenehme Wärme und Kälte zu gleich verschaffte eine glückliche Atmosphäre.
Erdem kam eine Minute später, da er noch Wasserflaschen nahm.
"Wollen wir los?", fragte er mich und strich meine Strähne weg, die wegen dem Wind an meiner Wange klebte.
Nickend ging ich mit ihm los, Richtung Sportplatz.
"Die Jungs haben dich richtig ins Herz geschlossen. Weißt du für uns allen ist das so neu, dass jemand eine Freundin hat. Und dann noch ich. Die dachten du spielst die Beziehung."
Laut lachten wir zusammen so laut, dass wir unser Echo hörten und kaum Leute unterwegs waren.
"Weißt du noch, wo ich dich denen vorgestellt hab? Die haben in Gruppe mich angeschrieben und gefragt, ob das mit dir nur ein Scherz wäre. Die haben es mir einfach nicht geglaubt."
"Wie hast du sie dann dazu gebracht, dir zu glauben."
"Durch Tarik. Wo wir Stress hatten, hatte der das ja mitbekommen und weil wir beide so ernst waren, kam denen alles so real vor. Ab unseren Streit haben die das erst geglaubt."
"Da sind die", zeigte er von Weitem auf die Jungs und verschnellerte seine Schritte.
Mir war aufgefallen, dass sie nicht nur Freunde waren, nein, sie liebten sich alle abgöttisch wie eine Familie. Diese Freundschaft zwischen so vielen Personen untereinander ist bewundernswert.
"Yenge!", schrien sie von Weitem in einem Laut, als würden sich kleine Kinder auf ihr Eis freuen. Lachend schüttelte ich meinen Kopf und begrüßte jeden einzelnen.
Erkennen konnte ich nur Tarik, Harun, Yasin, Cemil, Azad und Serkan. Es standen jedoch vier weiterere Unbekannte da.
"Mert, Oguzhan, Melih und Abdul", zeigte Erdem auf jeden.
Mit einem Lächeln begrüßte ich sie, doch plötzlich sah jedes Augenpaar hinter mir, wo ich mehrere Jungs auf uns kommen sah.
Sie gaben sich gegenseitig einen Handschlag.
Plötzlich wurden es immer mehr Menschen, sodass ich dicht an Erdem stand.
"Das ist meine Freundin", zog mich Erdem von hinten zur Seite. Ein mitteljunger Mann gab mir höflich die Hand.
"Ich bin Erdems Trainer."
"Stell dich da hin und seh zu, wie dein Mann jeden rasiert", küsste er eine Milisekunde meine Lippen und ging davon. Ich konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen und setzte mich auf die Minitribüne, wo noch einige Personen saßen. Zuerst liefen sie mehrere Runden und trainierten ein wenig. Nachdem die Übungen gemacht wurden, wärmten sie sich mit verschiedenen Positionen auf. Erdem stand vor dem Tor und übte das Torschießen von jeder Stelle. Harun, Abdul und Tarik spielten sich den Ball zu. Serkan, Cemil und Yasin alberten stattdessen herum. Die Gegenmannschaft nahm das Spiel beispielsweise ernster, denn jeder trainierte mit erstem Gesichtsausdruck.
"Kannst du mir den Ball geben?", fragte mich plötzlich jemand aus der Gegenmannschaft.
"Ehm, klar", gab ich kleinlaut von mir, bückte mich und nahm den Ball.
"Danke", sah er mich pausenlos an, doch nett lächelte ich. Aber nein, er lächelte nicht, sondern ging davon. Komischer Typ.
Der Pfeiff stoppte jeden von seiner Arbeit. Erdems Trainier bildete einen Kreis, der Trainier der Gegenmannschaft bildete seinen Kreis. Nach zehn Minuten ertönte ein weiterer Pfiff, was soviel bedeutete, dass das Spiel begann und ich Erdem wie eine Verrückte anfeuerte. Er grinste nur und versuchte sich nicht von mir abzulenken. Plötzlich bekam er den Ball, joggte damit in die Nähe des Tors, passte den Ball zu Harun, der knapp daneben schoss. Spannung herrschte. Das Feld war ziemlich groß, ich fragte mich, wie Erdem es aushalten würde mit seiner Raucherlunge.
Da ich eher auf Erdem, statt den Ball konzentriert war, bekam ich garnicht mit, wie jemand aus der Gegenmanschaft einen Tor schoss und Erdem zu mir sah. 1:0.Er schien ein wenig geschockt zu sein.
Ein kurzes Zeichen gab er zu Serkan, der anscheinend verstand und sich zur Position stellte. Erdem nahm nach zweiten Versuch den Ball zu sich und spielte zu Serkan. Im sogenannten Zick-Zack-Modus spielten sie sich den Ball zu. Anschließend schoss Erdem den Ball zu Harun, dessen Reaktion schneller als erwartet fiel, er den Gegenspieler austrickste und perfekt ins Tor traf. 1:1.
Nach einer halben Stunde versuchten besonders Erdem, Yasin und Harun ein Tor zu schieben, doch die Gegenspieler reagierten stattdessen zu schnell. Nach fünfzehn Minuten schoss Erdem ein Tor, indem er mit dem Ball von der Seite ins Tor traf. 2:1.
Die weiteren Minuten passierte nichts, nur dass es von beiden Seiten anfing, Fauls zu geben und somit mehrere gelbe Karten verteilt wurden. Wundern tat ich mich, als Erdem keine bekam. Er spielte stattdessen ruhiger als vorher und so konzentriert vorallem.
Das Spiel neigte sich zum Ende. 2:1. Ein ziemlich faires Ergebnis. Nachdem das Spiel endgültig mit dem Pfiff beendet wurde, sprang ich förmlich vom Platz und lief zu Erdem, der seine Arme schon weiten ausbreitete und mich auffing.
"Du hast am besten gespielt", flüsterte ich in sein Ohr. Stolz grinste er und gab mir einen leichten Stirnkuss.
"Das wollte ich auch erreichen", lächelte er amüsiert.
Ich öffnete ihm die Flasche und übergab sie ihm, da er ziemlich krass schwitzte.
"Glückwunsch", lächelte ich zu Erdems Mannschaft, nachdem sie zu uns kamen. Auch der Trainer lobte sie alle.
"War diesmal schwerer als gedacht. Aber dumm genug sind die immernoch, dass man die verarschen kann", sprach Harun laut, ohne selbst zu merken, dass es die Gegner mitbekamen.
Gespielt schlug Erdem auf seinen Rücken.
"Man Harun, wann wirst du erwachsen", lachte er.
Als sie plötzlich wie gesteuert weggingen, sah ich zu Erdem.
"Hab denen ein Zeichen gegeben", lachte er und zeigte mir seine Zähne dabei.
"Bruder, ich muss jetzt los", kam Tarik von hinten und gab Erdem einen Handcheck.
Plötzlich schaltete sich mein Kopf wie ein Fernseher wie aus dem Nichts aus. Ich bekam nur noch mit, wie Erdem lauter Beleidungen schrie und ich in Tariks Arme fiel.
Erdems Sicht:
"Du Hundesohn!", schrie ich zischend und näherte mich Aday, der Özlem mit dem Ball am Kopf getroffen hatte. Doch plötzlich fiel mir Özlem ein, die ich von Tarik abnahm und hilflos zu ihm sah. Angst breitete sich in mir aus. Sie war bewusstlos. Ich versuchte ruhig einzuatmen, doch es gelang mir nicht.
"Tarik!", schrie ich besorgt.
"Komm schnell mit", half er mir.
Schnell liefen wir mit ihr in die Umkleidekabine, wo ich sie ablegte und irgendwie versuchte, dass sie aufwacht. Zum Glück war Tarik da, der im Gegensatz zu mir ruhiger war und irgendwas an ihr machte.
"Man fuck, soll ich jemanden rufen?", fragte ich verzweifelt und drückte ihre Hand.
Ich zitterte so stark.
Eilig lief ich zu meinem Trainer, der sofort mit mir mit kam und sie zum Bewusstsein brachte.
"Özlem", kniete ich mich vor ihr und gab ihr Wasser, was sie jedoch ablehnte.
"Sollen wir nicht lieber ein Rettungswagen holen?", fragte ich meinen Trainer, der skeptisch zu Özlem sah und ihren Puls kontrollierte.
"Ich denke es geht schon. Fahr sie stattdessen zum Arzt, sonst muss sie so lange ins Tage ins Krankenhaus."
"Hä?", sah sie mich fragend an.
Stumm nahm ich sie langsam hoch und stellte sie hin. Sie hatte Kopfschmerzen, doch gehen konnte sie irgendwie.
"Kannst du mir erklären was das wird?", fragte sie und lächelte unschuldig. Ich werde diesen Bastard umbringen. Alles meine Schuld. Hätte ich sie nicht hierhin gebracht. Er hat es mit voller Absicht getan, aber warum?
Erst zog ich ihr die Bomberjacke an und legte die Kapuze um ihren Kopf.
"Gehts dir gut?", fragte ich sie und hielt sie sicherheitshalber fest.
"Kopfschmerzen, aber mir gehts gut. Hast du heute ein Spiel gehabt?"
"Ja, Fußballspiel. Erinnerst du dich nicht dran?"
"Nicht mehr, nein", sah sie nachdenklich zu Boden.
"Hä?", sah sie erneut zu mir.
"Du hast einen Ball gegen deinen Kopf bekommen und bist für paar Minuten bewusstlos geworden."
Ein kurzes Zeichen zu Tarik, der zu mir angejoggt kam.
"Lass doch noch lieber ins Krankenhaus."
Ihren zierlichen Kopf drückte ich an mich und gab ihr einen Kuss.
"Melegim, wir gehen zur Kontrolle ins Krankenhaus, weil der Arzt geschlossen hat. Ich will nur sicher gehen, dass alles gut ist."
Nickend sah sie wieder nach unten. Ich hatte das Gefühl, das sie sich nicht mehr in Kontrolle hielt, denn sie taumelte ein wenig.
"Ist alles okay?"
Ich setzte sie rein und legte ihren Kopf hinten ins Auto auf meinem Schoß.
"Mir ist voll schwindelig", flüsterte sie.
Mein Herz zerbrach. Wieso hatte ich sie mitgenommen verdammt? Was sollte ich unseren Eltern sagen?
Tarik fuhr los.
"Bruder mach dir keine Sorgen", sah er durch den Rückspiegel zu mir.

ÖzlemWhere stories live. Discover now