Kapitel 56

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Beim Spazieren wehte der Wind leicht, wie ein Heilmittel für meine Seele. Die Nacht fühlte sich so beruhigend an. Mit ihm Hand in Hand in dieser traumhaften Temperatur einen Spaziergang zu wagen, war das Schönste, was es überhaupt gibt.
"Ich weiß nicht, ob ich ihr verzeihen soll", sagte er leise.
Seine Hand drückte meine ein wenig, was mir mit dem kühlen Wind Gänsehaut verbreitete.
"Sie ist deine Schwester und gehört zur Familie. Ohne nachzudenken war das nicht fair, sie rauszuschmeißen. Ihr habt ihr garnicht richtig zugehört", sprach ich.
"Was soll ich denn tun? Ich kann ja nicht einfach sie beglückwünschen, dass sie sich vor der Ehe hat schwängern lassen! Dieser Bastard!", zischte er.
"Der Gedanke, was beide getrieben haben, treibt mich in den Wahnsinn."
"Kann ich dir glauben", murmelte ich und seufzte.
"Aber ihr habt fast zwei Monate oder so nicht mit ihr geredet. Das ist doch Strafe genug."
"Das ist unfair, dass du zu ihr stehst. Ich bin bald dein Mann", zickte er wie ein Kind. Ich lächelte.
"Ich möchte dir nur sagen, dass naja es wird Zeit, so langsam ihr zu verzeihen. Es liegt ja in deiner Hand, aber du kannst sie nicht dein lebenlang von dir abstoßen."
Meine Hand ließ er los und zündete sich stattdessen eine Zigarette an, die ich ihm sofort entnahm und diese auf den Boden warf.
"Lass das", sagte ich und nahm wieder seine Hand in meine. Ein Grinsen umschlich seinen wunderschönen Lippen.
"Komm her", flüsterte er und zog mich in eine lange Umarmung.
"Nur noch wenige Wochen, dann bist du sogar auf Papier meins."
In seiner Brust kicherte ich und spielte mit seinem Hemd.
"Noch drei Wochen und drei Tage", hauchte er und berührte mit seinen warmen Lippen meine Schulter.
"So langsam sollten wir nach Hause", lenkte ich und löste mich lächelnd von ihm.
"Ich hoffe Aylin ist weg."
"Erdem!"
"Naja egal, lass einfach zu mir."
Er rief nurmal kurz meinen Vater an, weil ich angeblich eingeschlafen bin. Trotz einer kleinen Diskussion gab sich mein Vater geschlagen und erlaubte es ihm. Mir wurde es so langsam echt eng im Kleid, also zog ich mich als aller erstes um. Wir legten uns zusammen in sein Bett und redeten über den Tag, obwohl wir beide erschöpft aber gleichzeitig hellwach waren.
"Gute Nacht jetzt Labertasche", schubste er mich ins Bett.
"Labertasche?", lachte ich laut und schubste ihn ebenfalls runter zu mir.
Laut seufzte er. Er war Hundemüde.
"Musst du morgen arbeiten?"
"Ja."
"Weckst du mich, wenn du aufstehst?"
"Ja mach ich."
Die Antwort überzeugte mich nicht also schüttelte ich nochmal an ihm, als er seine Augen schloss.
"Versprochen?", piepste ich.
"Versprochen", legte er meinen Kopf nach unten und schaltete die Lampe aus. Und ich soll hier die Schlafmütze sein.
Am nächsten Morgen stand ich von selbst auf und stellte fest, dass mich Erdem nicht geweckt hatte. Wütend stampfte ich ins Bad und machte mich fertig. Danach fuhr ich mit dem Bus zu mir. Zusammen mit meinem Vater unterhielt ich mich im Wohnzimmer. Es lief alles gerade gut und das gefiel mir.
Die nächsten Tage vergingen ereignislos. Mit jedem neuen Tag stieg die Aufregung, es war schlimmer als das Gefühl vor meiner Verlobung. Mein Kleid hatte ich mir schon gekauft und es hang bereits in meinem Kleiderschrank. Zusammen mit Aylin hatte ich es ausgesucht. Neulich hatte sie mir erzählt, dass die Eltern ihr endlich verziehen haben, nur das Erdem seitdem seine Eltern nicht mehr besucht. Ich hatte oft genug mit ihm geredet, doch er war ein Sturkopf. Aylin war wieder in Bielefeld bei Serhat und ihrem Baby ging es ebenfalls super.
Ich überlegte, wo ich mich schminken und frisieren lassen sollte, da ich an diesen Tag besonders aussehen wollte. In Frankfurt gab es viele Profivisagisten. Nur müsste ich mich zwischen einem von denen entscheiden.
Für unsere Flitterwochen hatten wir uns eine Reise nach Dubai überlegt. Ich konnte es kaum noch aushalten.
Die nächste Woche verbrachte ich komplett mit meinem Bruder, da wir die letzten Tage miteinander verbringen wollten.
Nun waren es nur noch zwei Tage bis zu meiner Hochzeit. Den Hennaabend hatten wir gemeinsam zelebriert und am Ende hatte ich viele Tränen vergossen. Ich wusste, dass meine Mutter keines Weges echte Tränen produziert hatte, sondern alles nur Show war, damit die Besucher nichts falsches denken und das war ehrlich gesagt traurig. Traurig, dass diese Frau so kaltherzig ist.
Gerade war ich mit Erdem im Kino, da wir beide ein wenig Ruhe brauchten. In den letzten Tagen hatten wir nochmal alles organisiert und mussten dauernd hin und her. Hand in Hand schlenderten wir durch die Straßen und alberten herum.
"Ich kann nicht mehr", gab ich trotzig von mir und setzte mich auf die Bank.
"Okay dann spring", ging er zu Boden.
Grinsend setzte ich mich auf seinen Rücken ab und posierte meine Beine um seinen Bauch.
"Lauf", lachte ich, als wir die Ampel sahen, die kurz vor rot war. Schnell lief er mit mir über die Straße.
Auf dem Weg zum Wagen kaufte ich mir zwei Kugeln Eis und setzte mich danach in sein Auto.
[...]
Ausgeschlafen wachte ich auf und erinnerte mich an die gestrige Nacht. Mein Unterleib schmerzte so ziemlich, doch ich ignorierte dies und machte mich zuerst frisch. Ich blutete etwas, also nahm ich mir eine Binde. Erdem war wohl beim Bäcker, denn er kam nach zehn Minuten zu mir und küsste meine Stirn. Oh Gott, es war so verdammt peinlich vor ihm zu stehen. Er grinste, doch brachte kein Wort über die letzte Nacht. Eilig nahm ich eine Schmerztablette zu mir, um meinen Unterleib zu beruhigen.
Stumm frühstückten wir und beschlossen unsere Sachen weiter zu packen, da wir in dieser Nacht nach Dubai fliegen würde, um unsere zweiwöchigen Flitterwochen zu genießen. Die Hochzeit gestern lief perfekt und als Bonus würden wir uns diese Flitterwochen gönnen. Auch Aylin war dabei, ohne das Erdem sie dumm angemacht hatte. Es war eine ziemlich große Feier und wir beide hatten uns die Füße zur Tode getanzt.
"Hast du meine Schwimmshorts gesehen?", fragte er mich und kratzte sich am Nacken.
Gedankenverloren sah ich mich um, doch fand keine.
"Schau mal neben der Waschmaschine", schlug ich im vor.
Kurz huschte mein Blick zu seinem Koffer, indem er seine Sachen einfach nur reinschmiss, statt sie zu falten.
Seufzend sortierte ich seine Sachen und als wir beide sogut wie fertig waren, schloss ich die Reißverschlüsse.
"Ich hab sie", zeigte er mir stolz seine Short und legte sie zu seinen Sachen.
"Bist ein Schatz", küsste er mich, als er sah, dass ich seine Sachen gefaltet hatte.
"Haben wir alles?"
"Ich glaube schon. Jetzt fehlen nur noch Süßigkeiten", lächelte ich gezwungen, als die Unterleibschmerzen wieder schlimmer als zuvor wurden.
Mein Handy klingelte. Aylin.
"Aylin", schmunzelte ich.
"Özleeem", sprach sie verführerisch.
"Gehts dir gut?"
"Ja und dir?", fragte ich und setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer.
"Ja, wie war es gestern?"
"Jetzt nicht Aylin!", sagte ich leise und wurde rot.
"Hats weh getan?"
"Anfangs ja und ich habe jetzt auch so starke Schmerzen", klagte ich und riss mich zusammen, um nicht zu weinen.
"Kenn ich zugut. Nimm eine Tablette und leg dich erstmal hin. Wann geht der Flug?"
Kurz sah ich auf die Uhr. 13.56.
"Um 2 erst."
"Und dann zehn Stunden fliegen, aber glaub mir das wird sich sowas von lohnen. Das ist ein krasser Luxus, dahin zu fliegen", schwärmte sie.
"Ich weiß. War schwer beide Elternteile zu überreden", lachte ich.
"Özi bin kurz eine rauchen!"
"Ja!", rief ich und widmete mich wieder Aylin.
"Ich leg dann mal auf. Viel Spaß euch beiden und schick mir aufjedenfall Bilder", kicherte sie.
"Mach ich", verabschiedete ich mich und legte auf.
Schwer stand ich auf und schaffte es zur Küche, wo ich heißes Wasser drauf legte. Es war nicht mehr auszuhalten. Kurz überlegte ich, ob ich Erdem rufen soll, doch sicherlich würde er das garnicht erst ernst nehmen. Entsetzte legte ich meinen Kopf auf dem Tisch und seufzte laut.
"Özlem?"
"Ja?", schoss mein Kopf in die Höhe.
"Was ist los?"
"Alles gut, pack schonmal die Koffer ins Auto", lenkte ich, doch mir stiegen Tränen in den Augen.
Sanft packte er mich und half mir aufzustehen.
"Wieso weinst du?", fragte er verwirrt.
"Ich hab so Schmerzen", sprach ich frustriert und ließ mich von ihm umarmen.
"Wo denn?"
"Unterleib."
Vorsichtig setzte er sich wieder auf dem Stuhl und strich meine Tränen weg.
"Wegen gestern?"
Kurz nickte ich.
Sein Grinsen brachte mich aus der Fassung.
"Das ist überhaupt nicht lustig!", schubste ich ihn weg und wusch mir meine Tränen selbst weg.
"Ich lache nicht darüber Nefesim. Ich schwörs."
"Komm ich helf dir", half er mir beim Aufstehen und füllte die Wärmeflasche mit dem heißgekochten Wasser.
Dazu deckte er mich noch zu und legte sich neben mich. Die Wärmeflasche legte er über meinen Unterleib und strich über meine Haare.
"Bist du sauer?"
"Du machst es nur noch schlimmer, Erdem."
Gestern war es zwar schön, doch dass es sich danach halbwegs wie die Periode anfühlte, war scheiße. Aber Erdems Arme taten mir gut, sodass ich den Schmerz ein wenig nicht zu bemerken bekam.
[...]
"Özi."
"Was?", nuschelte ich im Halbschlaf.
"Ich hab so Hunger, aber ich habe keine Lust allein zu Burger King."
"Und deshalb weckst du mich?", schmunzelte ich und streckte mich.
"Hadi, mach dich fertig. Gehts dir denn besser?"
"Ja."
"Warte auf mich."
Schnell stand ich auf. Leichte Schmerzen hatte ich, aber es ging einigermaßen. Meine bequeme Kleidung tauschte ich durch einen schwarzen Jumpsuit und dazu nahm ich meine schwarzen hohen Schuhe.
Meine Haare lockte ich und trug kombiniert dezente Schminke auf.
"Können los", schmunzelte ich und nahm seine Hand.
"Fahr du mal, ich helf dir auch."
"Ich hab keinen Führerschein und wenn du darauf bestehst, dass ich deinen Wagen schrotte, dann okay."
"Du wirst nur paar Meter fahren."
Einverstanden. Ich setzte mich nach vorn.
"Kupplung", sagte er.
Tatsächlich schaffte ich die ersten Schritte, wie er sie mir beigebracht hatte, doch konnte nicht vernünftig auf das Gaspedal drücken.
Als würde unser Auto tanzen, so bewegte ich es nach voran. Erdem lachte nur und half mir ein wenig.
"Ich will das jetzt stoppen", sagte ich nervös und versuchte auf die Bremse zu drücken. Konzentriert bremste ich, etwas zu stark. Doch ich brachte den Wangen zum stoppen.
Stolz drehte ich mich zu Erdem.
"Wie ein Profi", küsste er meine Wange.
Wir tauschten schnell noch unsere Plätze und fuhren auch schon los.
"Danach können wir dir noch Süßigkeiten für den Pflug holen."
Triumphierend grinste ich nickend.
Angekommen holten wir uns Burger mit Nuggets, Getränke und Eis.
Genüsslich aßen wir uns satt und nahmen das Eis mit, da die Sonne schien und wir noch etwas spazierten.
Später gingen wir bei Lidl vorbei und kauften das Geschäft leer. Mit vollen Tüten stiegen wir ins Auto und fuhren nach Hause. Es war schon 21 Uhr.
Er packte die wichtigsten Sachen in den Kofferraum und ich packte meine Handtasche. Als wir mit allem fertig waren, legten wir uns auf das Sofa und sahen Fern.
Nebenbei telefonierte ich mit meinem Vater. Unsere beide Familien würden am Flughafen auf uns warten, um sich zu verabschieden.
Die Uhr schlug 12. Zum Flughafen würde es eine Stunde dauern, also machten wir uns so langsam fertig.
"Zieh dir lieber was bequemes an. Du wirst niemals fast 11 Stunden in dem Outfit bleiben", sagte er. Ich beschloss mir dann doch mein Jogginganzug anzuziehen.
Tarik fuhr uns dahin, da er hinterher das Auto zurück parken würde und die Schlüssel für die Wohnung hatten wir ebenfalls ihm gegeben, damit er regelmäßig den Briefkasten kontrolliert.
Angekommen trafen wir unsere Familien und redeten noch etwas, obwohl uns kaum Zeit blieb, da wir noch zum Check mussten.
Zügig verabschiedeten wir uns, gingen nochmal alles durch und gingen von einem Counter zum anderen. Die Koffer schleppte Erdem mit einem Wagen und dann gab er sie auch schon ab.
Wir stellten uns an die Reihe und die Durchsage kam kurz darauf, dass die Passagiere sich für den Flug nach Dubai zur Reihe bewegen sollen.
"Das wird so geil", sprach er aufgeregt und legte einen Arm um mich.
"Ja und das Wetter erst", schwärmte ich und lehnte mich an ihn. Ich war müde.
Das Flugzeug stand bereit und wir wurden zum Flugzeug geführt.
"Jackpot", sprachen wir gleichzeitig, als wir Zweierplätze auf der Fensterseite fanden. Ich setzte mich ans Fenster und er neben mich. Mein Herz klopfte wild, als jeder saß und der Flug gleich losgehen würde. Ich hasste es am Anfang, vorallem weil meine Ohren immer zu gingen.
Fest krallte ich mich an Erdem.
"Da hat jemand ja Angst von einem Flugzeug", nervte er mich. Mein Haupt schoss in die Höhe.
"Ich habe gar keine Angst", sagte ich darauf und sah herunter zu seinen Lippen, die mich anlächelten. Das Flugzeug startete nach der Durchsage.
"Okay doch ich habe ein wenig Angst", krallte ich mich wieder an ihn und schloss meine Augen. Kurz darauf spürte ich seine Arme um mich, die mich festhielten.
"Brauchst du doch garnicht", hauchte er an meinem Nacken. Ich hielt mir meine Ohren zu und schloss fest meine Augen. Erdem legte noch den Gurt um mich an und legte seine Arme wieder um mich. Nebenbei redete er noch, sodass ich kaum die Angst zu spüren bekam und wir oben waren.
"Guckmal, Frankfurt von oben", sah ich aufgeregt vom Fenster und zeigte es ihm.
Es sah wunderschön aus, denn es waren haufenweise Lichter zu sehen.
Er schaltete sein und mein Handy aus und lehnte sich nach hinten.
"Bist du müde?", fragte ich ihn leise.
"Ja hab gestern Nacht Sport getrieben."
Sofort bereute ich es ihn gefragt zu haben. Wie kann man nur so offen sein? Fest biss ich mir auf die Unterlippe und drehte mich weg. Nicht rot werden Özlem.
"Wie sie sich schämt", lachte er charmant.
Ich liebte sein Lachen, so rau und unwiderstehlich.
Über mein langarmiges Shirt zog ich mir Erdems Hoodie an und lehnte mich an seine Schulter, da mich die Müdigkeit wie eine riesen Welle überkam. Ich bekam nurnoch mit, wie er mich mit seinem Pullover zudeckte.
Wie aus einem Zucken schlug ich meine Augen auf und sah mich hektisch um.
Es war nur ein Albtraum Özlem, reg dich ab.
Nur ein Albtraum.
"Nur ein Albtraum", flüsterte ich, doch scannte jeden im Flugzeug ab.
"Was ist los?", fragte Erdem besorgt und nahm meine Hand.
"Erdem ich-ich schwörs, Kaan ist hier im Flugzeug. Es war zwar ein Traum, aber ich bin mir so sicher", brach ich am Ende ab und wurde leiser. Ich wollte vor Angst weinen.
"Er ist hier nicht."
"Özi er sitzt hier nicht im Flugzeug. Das war nur ein Traum, nur ein Traum", sagte er leise und lehnte meinen Kopf an sich.
"Er würde sich das nicht trauen und jetzt scheiß auf ihn. Du machst dir deine Flitterwochen sonst kaputt."
Nickend lehnte ich mich nach hinten. Er war bestimmt hier, dieser Traum war so realitisch, eine Andeutung auf seine Anwesenheit.
"Özlem", seufzte er rau.
"Du bildest dir das nur ein."
Ich sagte nichts mehr dazu und sah aus dem Fenster, nur schwarz. Ich schwitzte wie verrückt. Allein seinen Namen zu hören verursachte diese unheimlichen Gefühle.
Erdem nahm mich nie ernst. Egal welche Gefahren ich sah, für ihn war es unwichtig. Doch wegen Kaan könnte ich mir jetzt nicht diese schöne Zeit kaputt machen. Schließlich waren wir seit fast zwei Tagen Mann und Frau, offiziell. Mein Blick huschte zu meinem Finger. Automatisch lächelte ich und strich darüber. Ich war der glücklichste Mensch der Welt.
Plötzlich bekam ich laut Schluckauf und gewann die Aufmerksamkeit von den Pfluggästen um uns herum.
"Ups", flüsterte mich und versuchte mich zu verstecken, doch wieder bekam ich Schluckauf.
Erdem fing an amüsiert zu lachen. Ebenso wie die Gäste.
"Sowas kann nur dir passieren", grinste er.
"Wie peinlich", wurde ich rot und lächelte verlegen. Nach etlichen Minuten hörte es endlich auf und es waren nur noch fünf Stunden, die wir fliegen mussten.
Seitlich kuschelte ich mich an Erdem, der konzentriert auf sein Handy sah.
"Darf man Handy benutzen?", fragte ich ihn ahnungslos.
"Weiß ich nicht, aber habe ja Flugmodus."
Unerwartet meldete sich meine Blase. Oh Gott wie unpassend. In einem Flugzeug auch noch.
"Erdem?", piepste ich.
"Hm?"
"Ich muss dringend auf Toilette."
"Dann geh."
"Ich hab Angst abzuschließen. Bitte komm mit", zappelte ich ungeduldig.
"Was du für Gedanken immer hast", lächelte er und stand auf.
Dicht folgte ich ihm und ging auf Toilette, während er draußen wartete und aufpasste, dass keiner reinkommt. Die Toilette war so eng. Schnell pinkelte ich und wusch meine Hände.
"Fertig", öffnete ich die Tür und grinste stolz, weil ich in Rekordzeit gepinkelt hatte.
Hand in Hand gingen wir auf unsere Plätze und schliefen zusammen zwei Stunden.
Nachdem wir Nahrung zu uns genommen hatten, aß ich haufenweise Süßigkeiten und aß den letzten Schokoladenkeks.
"Fettsack", sagte er und schoss Bilder von mir, um mich zu ärgern.
Ich lehnte mich an die Fensterseite und streckte meine Beine aus, da ich ziemlich fertig vom Flug war. Erdem war in guter Laune und massierte sie leicht. Wer hätte gedacht, dass er mal so nett sein kann?
Schlafen konnte ich nicht mehr und essen ebenfalls nicht, also beschloss ich Spiele auf Erdems Handy zu spielen.
"Ich kann nicht mehr sitzen", jammerte ich.
"Noch eine Stunde Engel."
Nickend lehnte ich mich zurück und sah ihm zu, wie er meine Beine sanft massierte.
Dieser Mann hatte mir von Anfang an gut getan. Wie stark er war, dass er mich so enorm unterstützt und aufgemuntert hat. Angefangen hatte es in der Psychiatrie, als ich aus Angst nicht einmal ein Wort aus mir brach. Mit Aylins Hilfe schaffte er es mich zum reden zu bringen. Er hatte ein Ziel und er setzte dies in die Tat um. Mit seinen seltenen Besuchen wurde es immer regelmäßiger, sodass er jeden Tag zu mir kam. Obwohl ich allein war und ihn ignoriert hatte war er bei mir. Zusammen haben wir unsere ersten Worte miteinander ausgewechselt, unsere ersten Berührungen, ersten Gefühle und anschließend unseren ersten Kuss. Dieser Mann vor mir hat mir soviel Mut geschenkt. Er hat mir beigebracht, mehr Selbstbewusstsein zu haben. Mir beigebracht, wie wunderschön ich für ihn bin und nicht dick bin. Mir beigebracht, dass ich nicht allein auf dieser Welt bin, sondern er, mein Anker, hinter mir steht und mir hilft, die schwere Zeit zu überstehen. Unsere Wette, ich würde es schaffen, aus der Psychiatrie zu flüchten, wurde real. Er half mir. Ich dankte diesem Mann vor mir, er hatte mir gezeigt, wie es ist, geliebt zu werden. Er war derjenige, der mich stützte. Ein Schutzengel.
"Weißt du noch damals in der Psychiatrie?",fragte ich ihn leise und erinnerte mich zurück.
"Ja, vorallem an unseren Kuss", schmunzelte er.
Ein Lächeln schlich um meine Lippen.
"Das war eine krasse Zeit und ich hab niemals damit gerechnet, mich in dich zu verlieben, weil du mich so verhasst angesehen hast."
Kurz lachte ich.
"Ich war nicht so der Mensch, der gerne Kontakte knüpfte."
"Hätte Aylin mich nicht gezwungen mitzukommen, wären wir uns nie begegnet. Sie ist an allem Schuld. Wer hätte gedacht, dass ein einfacher Besuch sich zu Gefühlen entwickelt?", fragte er.
Erst sein romantischer Antrag in Paris, dann unsere Verlobung und anschließend unsere Hochzeit.
Wir waren aneinander gebunden.
"Du hast Recht."
Gänsehaut breitete sich auf mir aus. Was war das für eine schlimme Zeit?
Ich zuckte zusammen, als eine Durchsage gemacht wurde. Ohman die Landung, die ich völlig vergessen hatte. Schnell hielt ich meine Ohren zu, kaute auf dem Kaugummi herum und suchte Schutz bei Erdem.
Als wir gelandet waren, stiegen wir aus und erreichten den luxuriösen wunderschönen Airport Dubais. Bewundernswert einfach. Mit offenen Augen sah ich mich um, während Erdem die Koffer in eine Art Wagen packte und diesen schleppte. Esel halt.
"So schön", sagte ich und sah zu ihm.
"Lass uns am besten einfach ein Taxi rufen, weil ich nicht weiß, wo unser Hotel liegt", kratzte er sich am Nacken und sah zu Google Maps auf seinem Handy.
Da wir in Deutschland schon das Geld in Dirham umgewandelt hatten, konnten wir problemlos ein Taxi rufen. Direkt vor dem Eingang stand ein Taxi und er konnte Englisch. Erdem war eine Niete in Englisch, also musste ich sprechen. Das einzige was er getan hat, war, hallo und tschüss auf Englisch zu sagen. Das Hotel lag zwanzig Minuten vom Flughafen. Erdem und der Taxifahrer transportierten die Koffer in unser Zimmer, in dem wir eingecheckt waren. Ein verdammt teures und luxuriöses Hotel.
"Ich bin so fertig", murmelte ich erleichert, als ich mich auf das Bett fallen ließ und Erdem gleich hinterher auf mich sprang.
"Traum hier", sagte er.
Unser Zimmer hatte eine perfekte Aussicht zum Meer und Strand. Einfach nur traumhaft.
"Lass zum Strand", hob er mich hoch.
"Erdeeeem", jaulte ich und stieg von ihm ab.
"Wir sind grad erst angekommen."
"Du hast im Flugzeug um die fünf Stunden gepennt, ich bitte dich", zickte er dramatisch.
Augenverdrehend suchte ich nach meinem Bikini und zog mir darüber ein engliegendes Kleid an.
Nachdem wir fertig waren, gingen wir zum Strand und legten uns auf die Decke. Es waren geschätzte 25 Grad hier.
"Lass ins Wasser gehen."
"Keine fünf Minuten vergehen, schon sagst du das. Du bist wie ein Kind", lachte ich und zog das Kleid aus. Zusammen gingen wir Richtung Wasser. Es war ziemlich kalt, als ich mit dem Fuß hereintapste.
"Ich geh da sicherlich nicht mit meinem ganzen Körper rein", lachte ich sarkastisch und wollte mich gerade auf eine Art Kante setzen, doch er nahm Anlauf, umarmte mich und sprang in das Wasser.
"Erdem!", schimpfte ich zitternd und legte meine Beine um seine Hüfte. Wie ein Affe klammerte ich mich an ihn, weil es kalt war.
"Wie du dich erschrocken hast", lachte er und legte seine Arme um mich. Ich setzte mich auf seinem Rücken, während er etwas weiter nach vorne schwamm und ich mich so langsam an das Wasser gewöhnte. Im Wasser alberten wir herum und legten uns nachher wieder zum Strand, obwohl Erdem immernoch ins Wasser wollte. Daraus wurde mir erst später klar, dass es an seiner Eifersucht lag, dass er nur ins Wasser wollte, damit mich niemand im Bikini sieht. Das war mal wieder ein typischer Trick von Erdem.
Nachdem es dunkler wurde, spazierten wir um das Hotel herum, um uns ein wenig zu orientieren. Danach duschten wir beide und erwartet hatte ich, dass wir schlafen gehen, doch anscheinend reichte Erdem unsere letzte Hochzeitsnacht nicht aus.

ÖzlemWhere stories live. Discover now