Kapitel 7 ☑☑

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Kapitel 7: Hinter dem Schleier

Maria landete unsanft auf dem Hosenboden ihrer Blue Jeans, die sie zum Einkauf angezogen hatte. Sie erhob sich und klopfte den Dreck ab. Irgendwie war sie nun hier, sie glaubte, es war das Gemälde. Um sie herum war Wald, ein Laubwald. Eben so ein Wald war auf dem Bild gewesen. Und wie auf ihm, war hier ein schmaler Bach, der silbrig in der Sonne glitzerte und in einen Weiher floss, der die Form eines vierzackigen Sternes besaß. Ein wunderschöner Schwan, weiß wie Schnee, zog darauf seine Runden, dann setzte er an, sich in die Luft zu erheben. Seine Flügel schlugen und erzeugten einen Wind, der hier am Rand des Teiches deutlich zu spüren war.

Maria hatte nicht bemerkt, wie sie ans Ufer getreten war.

Der majestätische Vogel zog sich mit starken Flügelschlägen aus dem Wasser. Als er über den Baumwipfeln verschwand, hatte die Elfjährige schwören können, dass er ihr zugenickt hatte. Sie nickte zurück, obwohl sie wusste, dass der Schwan es nicht mehr sehen konnte. Dann sank Maria auf den Boden und betrachtete sich selbst in der spiegelnden Wasseroberfläche. Sie beugte sich vor, tunkte dabei einige Haarspitzen, die über ihre Schulter fielen, in das kühle Nass.

Sie fühlte sich wie in einem Traum. Eine wunderbare Melodie schien in ihrem Kopf widerzuhallen. Die Waldluft, diese Melodie, der See – das alles schlug sie in ihren Bann. Sie vergaß alles.

Wer sie war.

Was sie hier machte.

Einfach alles, doch war ihr das gleich, solange sie weiter diese wunderbare Melodie hörte, die sie in ihren Bann schlug und faszinierte.

Sie schöpfte mit ihrer Hand Wasser und ließ das angenehm kühle Nass auf ihr warmes Gesicht tropfen, zufrieden mit sich, der Welt, der Melodie und dem bei diesem Wetter durchaus angenehme Wasser. Ein seliges, nahezu verrücktes Lächeln schlich sich in ihre Züge, während sie ihre Stirn kühlte. Das Mädchen wiederholte es einige Male, und es war ihr egal, dass sie dabei ihr T-Shirt durchnässte.

Sie bemerkte erst, dass sie sich erhoben hatte, als sie bereits mit den Füßen im Wasser stand. Ihre Schuhe wurden nass, doch das Mädchen scherte sich nicht darum. Das einzige, was sie interessierte, war nur noch, ihren Körper in dem kühlen Nass vor der Augusthitze zu retten, dabei allerdings diese wunderschöne Melodie nicht zu verlieren.

Aus dem Wasser erhob sich ein dunkelblaues, nahezu schwarzes Pferd, das so schön schien wie sonst nichts auf der Welt. Staunend stellte das Mädchen fest, dass die wundersame Melodie von ihm kam. Sie versuchte, näher zu kommen, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren, doch das war unmöglich.

Der Weiher hatte sich als See entpuppt.

Plötzlich wurde sie an den Schultern aus dem Wasser gerissen, und eine Stimme zischte: »Fall bloß nicht auf den Kelpie herein!«

Von der Wucht getragen, landete Maria auf dem Rücken, und beobachtete mit großen Augen, wie ein in einen dunklen Umhang gekleideten Mann ein dunkelblaues, fast schwarzes Pferd, das bis zum Hals im Wasser stand, mit einem blitzenden Schwert zurückhielt.

Ein Kelpie ist ein Wasserpferd und Wasserpferde locken Menschen, bevorzugt Kinder an Tümpel oder andere Gewässer, um sie hineinzulocken und zu verspeisen, fasste die Schülerin rasch in Gedanken zusammen und beobachte halb fasziniert, halb angeekelt den kurzen Kampf, der beendet war, sobald ihr Retter einen tiefen Schnitt in der Kehle des Kelpies hinterließ.

»Danke«, flüsterte sie atemlos, »Ich wusste nicht, dass hier Kelpies leben. Du hast mir das Leben gerettet; ich stehe in deiner Schuld.«

Warum sie ihn duzte, wusste nicht. Es war wohl reiner Instinkt.

Quest Of An Äreviel 1: Die Legende Der KierlineWhere stories live. Discover now