Kapitel 21

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Kapitel 21: Das Serum, das verwirrende Halbwahrheiten zeigte

Allmählich begann ihr die Kälte des Kerkers bis auf die Knochen zu dringen. Der muffige Geruch, durchsetzt mit dem Gestank getrockneter Exkrementen trug nicht gerade dazu bei, dass Maria sich besser fühlte. Ihr war unglaublich schlecht, und sie glaubte, sich gleich übergeben zu müssen, außerdem hatte sie Hunger. Wie lange war es nun her, dass sie in diese Welt gekommen war? Einige Stunden gewiss.

Diese Stille und die allumfassende Dunkelheit, die scheinbar ein stetes Piepen und Punkte, die vor Marias Augen Fangen spielten, erzeugten, machten ihr angst, und die Stunden zogen sich ins Unendliche. Wenn Lady Lionssa ihr bloß nicht ihre Tasche mit dem eBook-Reader abgenommen hätte! Dann könnte sie wenigstens lesen.

Wie absurd sich das anhörte - in Gefangenschaft lesen. Maria bezweifelte außerdem stark, dass sie sich auf die Geschichte hätte konzentrieren können. Vermutlich hätten die Buchstaben vor ihren Augen getanzt. Wie in den Büchern, die sie so oft gelesen hatte.

Oh, wie sehr Maria sich wünschte, in ihrem kuscheligen Bett zu liegen, mit einer Tasse Kakao in der einen und einem Buch in der anderen Hand, in das sie so vertieft war, dass sie glaubte, die Protagonistin zu sein.

Und wie gerne sie jetzt aufwachen würde und ihre Vermutung vom ersten Tag richtig war - dass sie sich in Wirklichkeit in einem komatösen Zustand befindet und schlicht und ergreifend halluzigene Medikamente Schuld sind. Aber daran glaubte sie nicht.

Nicht mehr.

Nicht, seit dem Abenteuer mit Mejra. Seitdem hatte sich alles verkompliziert. Seitdem konnte Maria nicht so recht glauben, dass das alles ihrer Fantasie entsprang. Diese Reise durch Reylia war dazu zu real. Irgendwie. Und irgendwie konnte sie diese Reise nicht vergessen. Und selbst wenn diese Reise nicht in einer magischen Welt gewesen wäre, sie wäre trotzdem magisch gewesen - weil Mejra dabei war. Maria spürte, sie beide verband mehr als bloße Freundschaft, irgendetwas, das nicht greifbar war. Und auch, wenn Maria das nicht so recht begreifen konnte, wusste sie, dass es etwas ganz Besonderes war.

Die Stille füllte sich mit Mejras Gelächter, der Gestank wandelte sich in die Düfte einer Blumenwiese, über die sie getollt waren, wie kleine Kinder. Und für einen Moment konnte sie die Kerker vergessen.

Bis sich die Tür mit einem Kreischen öffnete.

»Die muss mal geölt werden«, meinte Maria spitz.

Die Wache packte sie schlicht am Oberarm und schliff sie mit. Das würde blaue Flecken geben!

Maria ließ sich widerwillig mitzerren, es fiel ihr schwer, mit den schnellen Schritten mitzuhalten. Ihre Beine waren nicht lang genug.

Eine Weile später traten sie aus den Gängen zu den Verliesen ins Sonnenlicht, welches Maria die Augen zukneifen ließ. Die Wache führte sie derweil in einen kleinen Raum, nicht der Thronsaal, aber ebenso dazu gedacht, Besuch zu empfangen. Nur nicht auf ganz so freundliche Weise - in einer Ecke sah sie etwas, was dezente Ähnlichkeiten wie ein mittelalterliches Foltergerät hatte. Wobei dezent so falsch war wie die Tatsache, dass es regnete - wobei Maria nicht sicher sein konnte, ob dem jetzt immer noch so war, denn die Fenster waren von schweren, dunkelroten Vorhängen verhängt. Überhaupt war alles hier dunkelrot. Die Kerzen, die den Raum erhellten, die Ornamente an den Wänden. Und das Blut, das an der Foltermaschine klebte.

Ein Schaudern raste über Marias Rücken.

Einige Zeit später trat schließlich Lady Lionssa ein und musterte das Mädchen. Auch ihr Kleid war dunkelrot. Hatten die hier etwa einen Rot-Fetisch oder wie?

»Guten Tag«, begrüßte Lionssa Maria.

»Ich wüsste nicht, was daran so gut war«, konterte das Mädchen. Sie sah vermutlich mutiger aus, als sie tatsächlich war.

Quest Of An Äreviel 1: Die Legende Der KierlineWhere stories live. Discover now