Julia

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"Verdammt, wo bin ich denn jetzt wieder gelandet?", fluche ich und schaue auf das Ortsschild. Kiel habe ich schon lange hinter mir gelassen und das merke ich. Meine Beine tun höllisch weh und jetzt merke ich, dass meine Orientierung zu nichts zu gebrauchen ist. Erschöpft setze ich mich auf eine Bank und mache eine Pause. Langsam macht sich auch meine Blase bemerkbar und mache mich auf die Suche nach der nächstbesten Toilette. In einem kleinen dieser Klohäuschen besuche ich erstmal das stille Örtchen und an den Waschbecken klatsche ich mir Wasser ins Gesicht. Ich sehe schrecklich aus... die blonden Haare stehen mir in alle Richtungen ab und an meiner Stirn klebt Sand. Ich fahre mir mit der Zunge über meine Lippen und der Geschmack von Sand und Algen dringt mir bis ins Mark. Ich merke wie meine Augen wieder glasig werden und kneife sie schnell fest zu. Nicht wieder weinen, Julia, sage ich mir. Lache drüber! Und der Versuch zu lachen klingt erst unglaubwürdig und dann wird aus einem gezwungen Lachen ein hysterischer Lachanfall. Tränen treten mir wieder in die Augen und diesmal halte ich sie nicht zurück.
Mittlerweile ist mir mal nach einer heißen Dusche und einem, nach Kräuter riechendem, Shampoo. Wie nach einer Gehirnwäsche gucke ich wieder in den Spiegel. Erst löse ich das Bandana von meinem Kopf, klatsche mir wieder Wasser ins Gesicht und in den Haaransatz, streiche die Kleidung glatt, Binde mir wieder das Tuch in die Haare und schultere den Rucksack. Noch einmal die Schuhe fest zugebunden und das Lächeln meines Spiegelbildes gibt mir Mut. Mit geradem Gang trete ich wieder hinaus in den Abend und gehe einfach die nächstbeste Straße entlang. Ein Bus hält gerade an einem kleinen Häuschen und ohne Nachzudenken laufe ich los und steige in das Verkehrsmittel. "Wohin kann ich sie bringen?", fragt mich der Busfahrer freundlich. "Ähm", stammele ich und fische ein paar Münzen aus meiner Hosentasche, damit ich diese dem Fahrer in die Hand drücken kann. "Wie weit komme ich damit?" Er grinst, zählt durch und sagt, dass ich in Holm aussteigen müsse. Ich nicke und gehe weiter nach hinten. Ich hasse zwar Bus fahren, aber mir bleibt so nichts anderes übrig. Reetgedeckte Häuser mit Klinkerfassaden rauschen vorbei und jetzt grasen Schafe auf den Wiesen. Eine mechanische Frauenstimme sagt mir, dass ich jetzt aussteigen müsse. Es ist kalt und ich hülle mich fester in meine Jacke. Ohne jeglichen Weg im Kopf laufe ich über eine Brücke direkt auf einen Deich zu. Der Vollmond strahlt hell auf das Wasser und wie hypnotisiert laufe ich direkt auf die Steine zu, welche bis mitten in die See verlaufen. Den Rucksack stelle ich an den Strandeingängen ab und vertraue so den paar Leuten, welche noch den Abend genießen. Vorsichtig klettere ich bei den Steinen entlang und die immer höher werdenden Wellen klatschen mir an die Beine. Auf einen großen und noch trockenen Stein stelle ich mich hin und breite die Arme aus. Mit geschlossenen Augen weht mir der Wind die Haare aus dem Gesicht und das Salz benetzt meine Haut. Da mir irgendwann kalt wird, setzte ich mich hin und kuschele mich in die Jacke. Ich beobachte den Mond, welcher sein Spiegelbild auf dem Meer hinterlässt. Doch hinten am Strand fällt mir eine Person auf. Sie schlendert in den Ort und die Schuhe sind um den Hals gebunden. Die dunklen Haare stehen genau wie bei mir von allen Seiten am Kopf ab und ich dachte mich trifft der Schlag. Das ist nicht wahr! Das Schicksal meint es gut mit mir, denn das muss einfach Ronja sein! Schnell springe ich auf und rufe ihren Namen. Erst einmal und dann immer wieder hintereinander. Ich springe von einem Stein zum nächsten und habe das Gefühl, dass meine Rufe im Wind untergehen. Doch war meine Rechnung mit einer Welle noch nicht beglichen, denn plötzlich rutschte ich aus und mein Bein klemmte zwischen zwei nassen Steinen im Wasser. Mit Macht versuchte ich mich herauszuwinden, aber ich schaffte es nicht. Noch ein letztes Mal rief ich nach Ronja, bis ich erschöpft die Augen schloss.

~Einfach weg~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt