29 - Der Brief

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Sie verbrachte eine fürchterliche Nacht. Sie wrang sich in ihrer Decke und ihrem Bett und wurde von unzähligen Gefühlen heimgesucht.

Hass auf diesen Jungen, dass er Mae so verletzt hatte und das er so arrogant und eingebildet war! Zorn, dass er sich zumaß, sie würde auch nur ansatzweise irgendetwas Ähnliches für ihn empfinden. Unglauben über die Tatsache, dass er sich wirklich in sie verlieben konnte. Verachtung für die verletzenden Worte, die er ihr an den Kopf geworfen hatte. Ja selbst Schuldgefühle, dass sie so hart mit ihm gewesen war.

Sie stand am nächsten Morgen müde und ermattet auf und wusste nicht, was sie mit ihrem Tag machen sollte. Schwer schleppte sie sich in die Küche und aß was und noch schwerer zwang sie sich dazu, einen kurzen Spaziergang durch die Orangerie zu machen. Als sie wieder nach Hause kam, fühlte sie sich zwar frischer, war hingegen immer noch zerwühlt. Ein dicker Brief in ihrem Briefkasten ließ sie ein wenig hoffen. Es erstarb aber mit dem Namen, der auf dem Umschlag geschrieben stand:

Darren. Für Ella. Bitte lies es dir durch.

Sie lief nach oben in ihre Küche, holte sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und verschwand darauf in ihr Zimmer.

Dort machte sie es sich bequem und öffnete vorsichtig den Brief.

„Ella,

Keine Angst. In diesem Brief werde ich die gestrige Erklärung, welches dich so entsetzt hatte, nicht wiederholen. Ich habe nicht vor, dir zu nahe zu treten, wie ein Lars, oder mich selbst dadurch zu demütigen, an Wünschen zu hängen, die wir beide für unser Frieden nicht schnell genug wieder vergessen können.

Es tut mir Leid, dass ich dich mit diesem Brief weiter belästigen muss, doch ich musste ihn einfach schreiben. Ich weiß, du wirst ihn nur sehr widerwillig lesen.

Ich appelliere an dein Gerechtigkeitssinn. Du hast mich gestern mit zwei Vergehen beschuldigt und ich will dazu Stellung nehmen.

Zunächst einmal hast du mich beschuldigt, die erblühende Liebe von zwei Menschen zerstört zu haben. Dazu kann ich nur eins sagen: Das war mir nicht bewusst. Ich sah nur wie mein Kindheitsfreund dabei war sich durch und durch in deine Freundin Mae zu verlieben. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich ihn noch nie so verliebt gesehen habe. Aber leider konnte ich nichts dergleichen auf Seiten von Mae beobachten. Sie wirkte mir immer sehr kalt und zurückhaltend. Selbst als sich Benjamin so aufopferungsvoll um sie gekümmert hatte, war ihre Zuneigung recht gering und ich konnte keine wirkliche Dankbarkeit erkennen. Ich kenne Benjamin. Er hat ein reines Herz und ist ein sehr loyaler Freund. Ich würde niemals zulassen, dass er einer Frau hinterherjagt, die seine Liebe noch nicht mal im halben Maße erwidert, wie er. Es würde ihn zerstören. Doch dieser Ansicht kam ich erst nachdem ich mit Carolin darüber geredet hatte, die es ebenfalls so empfand. Ich habe daraufhin mit Benjamin geredet und ihn davon überzeugen können, dass sie nicht die richtige und der Mühen schon gar nicht wert war. Ich will nicht schlecht über Mae reden. Sie ist ein wundervoller Mensch und ich zweifle auch nicht an ihrem guten Herz, dass für mich zu dem Zeitpunkt leider schwer zu berühren schien. Was soll ich sagen? Es tut mir Leid. Ich handelte nur zum Besten meines Freundes. Er ist von Natur aus sehr bescheiden und verlässt sich in Sachen Menschenkenntnis sehr auf mein Urteil, weshalb es einfach war ihm von Maes Gleichgültigkeit zu überzeugen. Wenn ich die Gefühle von Mae verletzt habe, tut es mir sehr Leid. Aber ich sehe keinen Grund mich zu verurteilen, denn ich habe lediglich versucht richtig zu handeln und Menschen zu schützen, die mir Nahe sind.

Zu meinem mutmaßlichen zweiten Vergehen:

Wie sehr du auch scheinst die Meinung deines Freundes Will zu schätzen und ihm vertraust, so sehr verachte ich ihn und misstraue seinem Wesen. Ich kenne ihn nicht wirklich, das stimmt, denn ich habe ihn vor unserem Zusammentreff in eurer Küche bloß das eine Mal gesehen. Und es war kein schönes aufeinandertreffen, wie du bereits erwähnt hast. Es hatte seinen Grund. Und ich würde es immer wieder tun.

Ich war schon eine Nacht vor meinem Umzug nach Kassel gekommen, hatte mich mit Peter getroffen und er hatte mir bei einigen Sachen bezüglich der Ummeldung in Kassel geholfen. Wir trafen in der Nacht später auf Will. Er stand verdächtig in der Gegend herum und eine Gruppe von Kindern, jugendliche Mädchen, sie waren sicherlich keine 16, liefen auf ihn zu. Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie er von ihnen Geld annahm und ihnen dafür ein Tütchen mit weißem Inhalt gab. Wir beide wissen, was das war. Ich muss nicht näher drauf eingehen. Als würde das nicht reichen, belästigte er eins der Mädchen und ich konnte nicht anders und musste einschreiten. Es kann sein, dass ich mich in diesem Moment vergessen habe, denn ich war blind vor Wut. Peter riss mich zurück und zog mich von ihm weg. Ich weiß nicht, wie nahe ihr euch steht oder ob du von seinen illegalen Tätigkeiten weißt und ihm dennoch verteidigst. Als er dir davon erzählt hat, hatte er auch die Drogen erwähnt und seine Belästigung? Hat er dir den Grund genannt, warum er sich nicht traute mich anzuzeigen?

Oder bist du so verblendet von ihm, dass du das gar nicht hinterfragt hast? Nun ja, es ist natürlich, dass man zu seinen Freunden hält. Ich will dich nicht deswegen richten.

Das, Ella, waren die wahren Ereignisse. Wenn du das nicht als erfunden abstempelst, wirst du mich hoffentlich von jetzt an nicht mehr so stark verachten und mit deinen Schuldzuweisungen vorsichtiger sein.

Ich habe nicht mehr zu sagen, bloß, dass ich dir das beste Wünsche!

Mit den freundlichsten Grüßen

Darren 

Ella - der Genuss von Stolz und LiebeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora