VIII.

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Kapitel 8

Während des Mittagsessens passiert nicht wirklich viel. Ich realisiere zum ersten Mal, dass auch gesundes Essen lecker schmecken kann, nicht wie in unserem Waisenhaus, obwohl ich bezweifle, dass das Essen dort wirklich gesund ist. Natürlich frage ich Edward auch über sehr viele Dinge aus, doch die einzigen Antworten, die ich bekomme, besagen entweder, dass ich ruhig sein soll, oder dass ich keine bescheuerten Fragen stellen soll.

Was hätte ich auch anderes erwarten sollen?

Mein Versuch, Edward auszureden, heute schon Sport zu machen, scheitert leider ebenfalls, was wirklich deprimierend ist. Seit dem ich hier bin, was keine besonders lange Zeit ist, versagt meine Überzeugungskraft vollkommen. Das ist nicht mehr normal. So stehe ich also jetzt vor dem Spiegel in meinem Zimmer und betrachte mein bestaussehendes Sportoutfit, ein schwarzer Sport-BH und eine schwarze, enganliegenden Hose.

Womöglich hatte Edward Recht, ich sehe wirklich nicht besonders sportlich aus, was ich auch nicht bin. Zwar bin ich ziemlich dünn, aber keineswegs muskulös. Eher zierlich. Zum Glück bin ich aber auch nicht zu dünn, ich habe relativ gute Kurven und sehe auch nicht unterernährt aus. Einfach nur schwach und schlank.

Doch wenn man mein Leben als Actionfilm betrachten würde, könnte das sogar Vorteile haben. Immerhin würden mich meine Feinde dann unterschätzen, nichts von mir erwarten. Doch mit etwas Glück und mithilfe von Edwards Training werde ich sie dann alle umhauen. Nun gut, ich sollte aufhören, zu fantasieren. Wahrscheinlich wird es eher so sein, dass sie mich schlecht schätzen und ich das dann auch wirklich bin.

Ich schrecke aus, als ich das dumpfe Geräusch von Edwards Faust höre, die an der Tür klopft. ,,Es wäre nett, wenn du dich beeilen könntest, so lange kann man ja wohl kaum brauchen!"

Ich verdrehe auf Edwards Beschwerde hin die Augen, öffne die Tür aber und antworte ihm: ,,Komm mal runter, ich hab vielleicht fünf Minuten gebraucht, so lang ist das gar nicht!" Dabei gucke ich ihm genau in die sturmgrauen Augen, die mich sofort in einen Bann ziehen. Ich dachte früher immer, graue Augen wären langweilig, doch dabei habe ich mich wohl geirrt, Edwards Augen sind keineswegs langweilig, sie sind wunderschön und interessant.

Dafür ist er selbst langweilig.

Ohne mir zu antworten, bricht er unseren Blickkontakt, dreht sich um und läuft zur Treppe. Da ich davon ausgehe, dass ich ihm folgen soll, tue ich genau das. Während wir die runde Wendeltreppe hochlaufen, stolpere ich einmal fast in eine der Lücken, die zwischen den Stufen sind, kann mich jedoch noch rechtzeitig am Geländer festhalten. Doch einem tadelnden Blick von Edward entgehe ich leider nicht. Jetzt im Ernst, das passiert doch jedem, oder? Er ist schlichtweg zu perfekt für diese Welt, deswegen ist er so.

Wir kommen in einem kleinen Vorraum an, in dem ein kleiner Tisch steht und eine Tür zu einem anderen Raum führt. Edward öffnet besagte Tür und betritt den Raum, deshalb tue ich es ihm gleich und schließe schließlich die Tür hinter mir.

Sobald ich den Raum betrete, verschlägt es mir die Sprache. Edward hat doch tatsächlich einen ganzes Fitnessstudio in seinem Dachboden. All die Geräte, von denen ich keine Ahnung habe, wie sie heißen, stehen hier herum, dazu ein Boxring und irgendetwas, dass aussieht, wie eine Judo- oder Karatematte.

Abgesehen von der Tür, die in den Flur führt, gibt es auf der anderen Seite des Raumes noch eine, doch wohin diese führt habe ich keine Ahnung. ,,Wow", ist das erste, dass ich sage, weil ich immer noch ziemlich fasziniert bin. ,,Wozu hast du das eigentlich alles?"

,,Zum trainieren", antwortet Edward mir knapp und verstellt dabei irgendwelche Einstellungen an einem der Geräte.

,,Und du trainierst hier jeden Tag?", frage ich bewundernd nach. Wie wenig Hobbys kann man nur haben, dass man so etwas jeden verdammten Tag tut? Ich habe schon jetzt Selbstmitleid mit mir.

E.A.T.E.R. - Die FassadeWhere stories live. Discover now