XIX.

78 8 10
                                    

Kapitel 19

Nach einer wirklich anstrengenden Busfahrt (denn Eddilein scheint noch nicht besonders oft Bus gefahren zu sein) steigen wir endlich am Leopoldsplatz aus und laufen den restlichen Weg nach Hause. Ich spiele bereits mit dem Gedanken, mir auf dem Weg ein Eis zu holen, lasse es letztendlich aber doch, da ich inzwischen ziemlich friere und das Eis in diesem Falle keineswegs helfen würde.

Zu Hause angekommen, essen Edward und ich zu Abend, anschließend dusche ich mich und mache mich bettfertig. Doch bevor ich mich zu Edward auf die Couch geselle, hält mich etwas auf: Der Gedanke an das Gespräch heute mit Vivien. Ich setzte mich auf mein Bett, nehme mein Handy und möchte mir ihr Profilbild bei WhatsApp angucken, da fällt mir ein, dass ich weder ihre, noch Vincents Nummer habe, da Edward meinte, ich solle sie löschen. Wenn ich es mir jetzt überlege, bin ich ziemlich froh, nie ihre Nummer auf diesem Handy gehabt zu haben.

Dennoch würde ich jetzt unglaublich gerne mit Vincent reden. Ich brauche jetzt einen Freund, bei dem ich all meine Sorgen loswerden kann. Es ist wirklich komisch, eine Person, von der man dachte, sie wäre eine Freundin, so reden zu hören.

Vielleicht hatte sie aber auch Recht. Vielleicht bin ich zu schwach, bringe nichts auf die Reihe. Wenn ich mir meine Vergangenheit angucke, ist da kein einziger Moment, in dem ich wirklich Stärke zeigte. Ich war schon immer die kleine Felicia mit einer großen Macke, die niemand ernst nimmt.

Nicht einmal ich nehme mich wirklich ernst!

Gut, das ist dann aber auch meine Schuld, oder? Ich habe keine Ahnung, auf jeden Fall sind Viviens Worte wirklich frustrierend.

Was ich aber die ganze Zeit, die ich hier so sitze erst bemerke, als mein Bett einsinkt, weil sich jemand daraufsetzt, ist dass Edward dieses Zimmer betritt. Er setzt sich neben mich, dennoch mit viel Abstand.

,,Geht es dir gut?", möchte er etwas besorgt von mir wissen, woraufhin ich meinen Kopf anhebe, in seine ausdrucksstarken, grauen Augen gucke.

,,Jaja, ich habe nur...nachgedacht", ist meine schlichte Antwort. Ob ich Edward wohl meine Gedanken schildern sollte? Würde er mir nicht nur bestätigen, dass ich ein Nichtsnutz bin? Das wäre sehr wahrscheinlich, immerhin musste ich hier sehr schnell feststellen, dass ich nicht unbedingt viel auf die Reihe bekomme. Wenn man es genau nimmt, konnte ich keine zwei Liegestütze, als ich hier her kam. Das ist wirklich nicht normal!

,,Ich hätte nie gedacht, dass ein mal der Tag kommen wird, an dem du nachdenkst", bemerkt Edward etwas schmunzelnd, weswegen sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen ziert. ,,Es ist aber irgendwie auch merkwürdig. Sag schon, was bedrückt dich?" Wow, ich wusste überhaupt nicht, dass Edward so viel Empathie besitzt. Ich habe nämlich ungefähr so viel Empathie, wie die eines Frosches.

,,Naja", beginne ich also, zu erzählen, obwohl ich noch keine Ahnung habe, wie ich das ausformulieren soll. ,,Ich habe dir ja vorhin so ungefähr geschildert, was Vivien gesagt hat. Dabei habe ich aber immer wieder etwas ausgelassen. Sie meinte nämlich ständig, dass ich...naja, ein Nichtsnutz bin. Dass ich es noch nie in meinem Leben weit gebracht habe, wobei sie wenn man es genau nimmt Recht hat. Jetzt im Ernst, ich hatte jedes Jahr bei der Geografie-Olympiade drei Punkte! Von 25 oder so. Ich habe bei unserem ersten Training keine zwei Liegestützen geschafft. Mein ganzes Leben lang habe ich mich aus allem herausgeredet, mich sozusagen durchgemogelt mit einem süßen Lächeln. Jetzt im Ernst, niemand nimmt mich ernst, nicht einmal ich! Vielleicht hatte Vivien Recht, ich wäre ohne einen Bodyguard, wie dich vollkommen aufgeschmissen."

Edward scheint all das, was ich gesagt habe, erst einmal verarbeiten zu müssen. Tatsächlich ist es etwas ungewöhnlich, von mir solche Gedanken zu hören. Wo bleibt mein verdammter Optimismus, der mir das gut redet?

E.A.T.E.R. - Die FassadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt