XII.

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Kapitel 12

Völlig erschöpft schmeiße ich die Boxhandschuhe in die Ecke. Dieses Mal war das Training noch anstrengender, denn ich musste nicht nur Boxen, sondern richtig gegen Edward kämpfen. Anscheinend bringt er mir bei, wie in diesen Actionfilmen zu kämpfen, also mit vollem Körpereinsatz.

Zum Glück gehen wir nur jeden zweiten Tag joggen, somit habe ich schon all mein Training absolviert und es ist gerade einmal Vormittag. Somit habe ich noch den ganzen Tag vor mir. Und da Vincent in unserem letzten Telefonat meinte, dass ich Edward mal fragen sollte, ob ich raus gehen darf, tue ich genau das beim Mittagessen.

Ich erzähle Edward, dass ich ein bisschen shoppen gehen möchte, erwähne Vincent aber nicht. Eine Lüge steckt dahinter jedenfalls nicht, denn wir haben vor, mit Vivien shoppen zu gehen. Wenn es um so etwas geht, ist Vincent nämlich eindeutig angenehmer, als Edward. Schon von klein auf habe ich ihn ans Shoppen gewöhnt, er ist jetzt also der beste Berater, den es gibt.

Wie schon zu erwarten, ist Edwards Antwort nein.

Jetzt im Ernst, habe ich wirklich gedacht, dass er es mir erlaubt? Nein, ich glaube, ich wusste von Anfang an, dass er nein sagen wird. So löse ich das Problem aber ganz einfach: Ich schleiche mich raus, als Edward in seinem Zimmer ist und 'wichtige Arbeit macht'. Eigentlich ist es ein Kinderspiel hier abzuhauen, vor allem, da ich noch aus meiner Zeit im Waisenhaus einige Tricks auf Lager habe, da ich mich damals auch immer rausgeschlichen habe.

Das Fenster im Bad grenzt nämlich an der Mauer des Grundstückes, aus dem ich also nur springen und die Mauer herunterklettern muss. Zwar rutsche ich dabei wegen meiner Tasche fast aus, doch ich fange mich noch im letzten Moment. Das Fenster zum Bad lasse ich offen, in der Hoffnung dass Edward es nicht schließt und erst gar nicht bemerkt, dass ich nicht da bin.

Warum er mir verbietet, in die Stadt zu gehen, verstehe ich aber ganz und gar nicht. Was soll dabei schon passieren? Er meinte, es wäre zu gefährlich, da das zur Zeit aber seine Ausrede für alles ist, glaube ich dem nicht. Vor allem, da mir niemand sagen möchte, was das für eine Gefahr sein sollte. Es ist absurd. Und ich werde nicht die ganze Zeit auf Edward hören, das kann er vergessen.

Jetzt im Ernst, was sollte in der Stadt schon so gefährlich sein? Die größte Gefahr besteht wohl darin, dass ich wieder zu viel Geld ausgebe und dann pleite bin, doch ich bezweifle, dass Edward das stören würde. Da er heute aber im Insgesamten deutlich schlechter gelaunt ist, als gestern, habe ich erst gar nicht versucht, mit ihm darüber zu diskutieren. Heute Konversation mit ihm zu führen, ist nämlich sehr schwer.

Ich habe mit Vincent ausgemacht, dass wir und bei der Caracallatherme, einem Wellnessbad, das früher schon von den Römern benutzt wurde, treffen. Da wir, wie ich von Edward gestern erfahren habe, in der Annabergstraße wohnen, ist der Weg dort hin sehr kurz. Während ich also den Berg herunterlaufe, freue ich mich wie ein kleines Kind darüber, dass die Sonne sich endlich zeigt. Es ist sogar schon so warm, dass man Kleider oder Miniröcke tragen kann, was mich sehr erleichtert. Das wurde aber auch echt mal Zeit, immerhin ist es bereits Anfang Juli.

Als ich am vereinbarten Platz ankomme, sind Vincent und Vivien bereits da, aus welchem Grund ich ihre Namen rufe und auf beide zurenne. Nachdem wir und alle glücklich umarmt haben, machen wir uns auf den Weg in Richtung Stadtmitte, wobei ich in die Runde frage: ,,Und wie läuft's bei euch beiden so?"

,,Naja, ganz gut, ist ein bisschen langweilig ohne dich. Irgendwie fehlt die Idiotin, die die ganze Zeit auf bescheuerte Ideen kommt, aber bei allem scheitert, was sie machen möchte", erklärt mir Vincent grinsend, was seine schiefen Zähne zeigt, die ihn aber irgendwie niedlich aussehen lassen. Ich mag seine Zähne.

E.A.T.E.R. - Die FassadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt