XVI.

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Kapitel 16

,,Das ist echt langweilig, Edward", beschwere ich mich schon zum gefühlt hundertsten Mal in der letzten Stunde. ,,Ehrlich, Mechanik ist nicht so wichtig, das brauche ich nicht in der Schule!"

,,Du wolltest doch, dass ich dir nachhelfe, also streng deinen Kopf an und konzentrier dich ein bisschen!"

,,Ach man, ich hab keine Ahnung, was kinetische Energie ist, woher auch!", rufe ich frustriert, lehne mich an meinen Stuhl an und raufe mir durch die offenen Haare.

Edward seufzt verzweifelt. ,,Bei dir fehlt es an jeglichen Grundkenntnissen, das hat man schon ganz am Anfang der Physik. Als Zwölftklässlerin sollte man das eigentlich wissen!"

,,Ich habe meinen gesamte Zeit im Physikunterricht damit verbracht, den Schlaf, den ich in der Nacht zu wenig hatte, nachzuholen, mit Vincent Galgenraten zu spielen oder Fliegen zu beobachten, woher sollte ich das denn wissen?"

,,Dann wirst du es jetzt wissen. Die kinetische Energie ist die-"

,,Warte!", unterbreche ich ihn, lehne mich nach vorne, um Edward näher zu sein. ,,Ich habe eine bessere Idee."

Edward verschränkt herausfordernd seine Arme miteinander, lehnt in seine Stuhllehne und schaut mich herausfordernd an. ,,Ach ja? Und diese wäre?"

,,Du erzählst mir ein bisschen was über meine Eltern! Das ist tausendmal spannender", teile ich ihm meine grandiose Idee mit, in der Hoffnung diesmal endlich Erfolg zu haben.

,,Ich weiß nichts über deine Eltern, woher auch?", verhält sich Edward weiterhin unschuldig, doch ich bin mit todsicher, dass er mehr weiß, als er zugibt.

,,Das glaube ich dir nicht!", behaupte ich also, verschränke ebenfalls meine Arme miteinander. ,,Du weißt ganz sicher etwas, ich habe es gemerkt! Ich kann nämlich Gedanken lesen."

,,Also Gedanken kannst du nun wirklich nicht lesen", widerspricht mir Edward, sieht mich überlegen, aber dennoch belustigt an.

,,Das ist schon der Beweis, du weist mehr!", rufe ich triumphierend aus, grinse schleimig. ,,Du musst mir jetzt etwas erzählen!"

,,Felicia, ich habe dir doch inzwischen schon oft genug erklärt, dass ich dir zu deiner eigenen Sicherheit, und weil mein Arbeitsgeber es mir nicht erlaubt, nichts erzählen kann. Also hör jetzt endlich auf mit dem Blödsinn und frag nicht ständig danach!" Schon wieder hat er diesen kalten, nachdrücklichen Ton aufgesetzt. Als ob er genau in diesem Moment umgeschaltet hat und jetzt nicht mehr belustigt ist.

,,Ach komm, Eddielein, nur ein paar Infos. Was dein Boss nicht weiß macht ihn nicht heiß!"

,,Es ist trotzdem besser für dich, nichts zu wissen, hör damit auf!" Ich schaue Edward ganz traurig an, beiße mir auf die Lippen. ,,Dieser Blick funktioniert bei mir nicht."

,,Ach komm schon, Edward! Weißt du überhaupt, wie schlimm das Gefühl ist, nichts über sich selbst zu wissen? Dabei weiß ich doch genau, dass du mehr weißt! Sogar jedes andere Kind im Waisenhaus wusste, wer dessen Eltern waren und wie sie gestorben sind. Vielleicht hatten sie sogar Bilder, Erinnerungen. Ich war die Einzige, die nie etwas über ihre Eltern wusste, bitte erzähl mir mindestens etwas über das, was der Typ im Aufzug sagte!"

Edward seufzt, scheint mit sich selbst zu ringen. ,,Der Mann im Aufzug redete tatsächlich über deinen Vater", teilt er mir mit, woraufhin ich mir auf die Lippe beißen muss.

,,Ist mein Vater...der Böse?", frage ich, erinnere mich an die komischen Worte, die der Typ sagte. Er meinte irgendwie, dass sie 'Sie' wollten und dass 'Sie' ihnen bei irgendetwas helfen sollte. Am besten erinnere ich mich an seine letzten Worte: Ihr Tod wird unsere Geburt sein.

E.A.T.E.R. - Die FassadeWhere stories live. Discover now