XLVII.

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Kapitel 47

Mein Herz bleibt, wie so oft schon an diesem Abend, für einen kurzen Augenblick stehen. Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken, als ich realisiere, was hier gerade geschieht. Isabelle, meine Mutter, hält mir eine geladene Pistole an sie Schläfe. Wie verkorkst kann das denn bitte sein?

Angst breitet sich in meinem Körper aus, als ich bemerke, dass das bedeuten muss, dass sie Vincent erwischt hat. Hoffentlich ist ihm nichts Schlimmes passiert. Wenn ich an diesem Abend Edward und Vincent verliere, dann weiß ich wirklich nicht, wie ich weiterleben sollte.

Also muss ich das irgendwie verhindern, aber wie? Fliehen ist definitiv keine Option, immerhin liegt Edward hier neben mir mit unglaublichen Schmerzen und ich kam immer noch nicht dazu, den Krankenwagen zu rufen. Verdammt, ich hätte es schon vorher machen sollen! Dazu ist irgendetwas mit Vincent, um ihn muss ich mich also auch kümmern.

Mit meinem rechten Auge schiele ich in Isabelles Richtung, in der Hoffnung, mehr als ihren Arm zu erkennen, doch sie steht zu weit hinten. Mich zu bewegen wäre jetzt auch keine Option. Sollte ich ihr also folgen? Es wäre eigentlich die einzig kluge Methode, immerhin könnte ich dann herausfinden, was mit ihr falsch ist. Dazu muss ich gestehen, dass ich wirklich neugierig bin, was sie jetzt mit mir machen möchte.

Da ich anscheinend zu lange nicht reagiert habe, drückt Isabelle das kalte Metall stärker an meine Schläfe und zischt nachdrücklich: ,,Ich sage es nicht noch einmal! Komm mit oder der Tod wartet auf dich!"

Ängstlich schließe ich meine Augen und presse meine Lippen aufeinander, während ich tief einatme. Eigentlich würde ich wirklich mitgehen, doch ich möchte Edward nicht alleine lassen. Der Gedanke daran, dass ihm etwas passieren könnte, zerreißt mein Herz.
Vor allem, als ich plötzlich eine verblutete Hand spüre, die nach meiner greift, kann ich ihn nicht alleine lassen. Obwohl Edward gerade höllische Schmerzen hat, versucht er, mich zu beruhigen und mir Kraft zu geben.

Und es funktioniert auch, denn plötzlich fällt mir ein, dass Isabelle einen kleinen Haken in ihrem Plan nicht bemerkt hat. So hebe ich meinen Kopf kraftvoll wieder an und öffne meine Augen. Anschließend sage ich bestimmt: ,,Nein, ich werde nicht mitkommen, Isabelle!" Ich spüre, wie Edward protestierend meine Hand antippt, doch ich ignoriere ihn.

,,Bitte was? Möchtest du, dass ich dir das Gehirn weg schieße?", fragt Isabelle empört und verwundert, was mich zwar wieder ein wenig unsicher macht, doch ich reiße mich zusammen.

,,Das wirst du sowieso nicht tun, Isabelle und das wissen wir beide. Ob das nun daran liegt, dass ich deine Tochter bin oder dass du mich vielleicht lebend ausliefern musst, du wirst es nicht tun." Edward neben mir spannt sich bis auf den letzte Muskel an, sobald ich das gesagt habe und hämmert mit seiner Hand ununterbrochen gegen meine, doch ich ignoriere ihn weiterhin.

Würde ich behaupten, ich hätte in dieser Situation keine Angst, dann wäre das aber eine große Lüge gewesen, denn mein ganzer Körper zittert. So sicher mein Bluff auch geklungen hat, worauf ich gerade übrigens sehr stolz bin, eigentlich war ich mir noch nie im Leben unsicherer.

Ich bin mir sogar unsicherer, als bei einer Matheklausur vor einem halben Jahr, bei der ich als erste von allen fertig war. Denn in diesem Falle kann man nur ein Genie sein, oder man hat alles falsch. Wie schon zu erwarten war letzteres der Fall, aber immerhin habe ich ganze 6 Punkte erreicht, so schlimm kann es also wohl kaum gewesen sein.

Felicia, jetzt konzentriere dich endlich!

Ganz genau, ich befinde mich gerade in Lebensgefahr, da kann ich doch nicht an Mathe denken! So atme ich tief durch und konzentriere mich wieder auf Isabelle, die gerade ihre Waffe von meinem Kopf nimmt, was mich leise aufatmen lässt. Das nächste, was aber passiert, erschüttert mich noch viel mehr als die Pistole an meiner Schläfe. Denn Isabelle richtet, ohne zu zögern, die Waffe auf Edwards Brust, die sie aus dieser Entfernung mit Garantie treffen würde.

E.A.T.E.R. - Die FassadeWhere stories live. Discover now