Überraschungsüberraschung

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Überraschungsüberraschung

Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingern auf den Schultisch, während ich alle zwanzig Sekunden auf die Uhr schaute. Die Mathestunde wollte einfach nicht vorbei gehen. Levi warf mir entnervte Blicke zu und flüsterte schließlich: „Deine Eltern werden wohl das Richtige getan haben. Vertraue ihnen. Und jetzt hör endlich damit auf, dieses Trommelkonzert zu veranstalten!"

Abwesend nickte ich und starrte raus auf die Straße, die zum Internats- und Reiterhofgelände führte. Ich wartete nur auf eine Sache: den Wagen meiner Eltern, der hoffentlich ohne Pferdeanhänger kam. Graue Novemberwolken wehten über den Himmel und ich war froh, dass ich drinnen im Warmen saß. Die schnell fliegenden Wolken erinnerten mich an die Zeit- auch sie war unglaublich schnell vergangen. Die letzten zwei Monate waren voll von Reiten, Spaßhaben und Schule ausgefüllt gewesen, es war wie im Flug vergangen.

„Und wenn sie doch nicht Magic gekauft haben? Ich hätte meiner Mutter noch mal sagen sollen, dass er das einzige Pferd ist, was ich haben will."

Mit ihren Nerven am Ende sah Levi mich an. „Hätte, hätte Fahrradkette. Du hast mir das jetzt schon 2000 Mal erzählt, jetzt kannst du sowieso nichts mehr ändern. Außerdem hast du doch gehört: Magic ist verkauft. Wer sollte ihn sonst gekauft haben?"

Ratlos zuckte ich mit den Schultern und fing an, meine lackierten Fingernägel zu kauen. Erneut fixierte ich die Straße mit meinem Blick, blendete alles um mich herum aus. Das Ticken der Uhr war das einzige Geräusch, das ich noch war nahm. Tic. Tac. Tic. Tac. Mein Herz schlug mit der Uhr im Takt. Bum-Bum. Bum- Bum. Die Sekunden zogen sich in die Länge wie Kaugummi. Dann sah ich ihn in der Ferne.

Etwas Silbernes, Großes war zu erkennen. Rasch kam es näher und näher.

Ein Wagen. Doch je näher er kam, desto größer wurde er. Zu groß für einen normalen Wagen. Ich sprang auf, die verwunderten Blicke meiner Klassekameraden ignorierend. Mit wenigen Schritten war ich am Fenster und sah nach draußen. Schließlich brauste der Transporter unweit unseres Fensters entlang, die Aufschrift sprang mir sofort ins Auge: Pferdespedition.

Mir wurde speiübel. Wenn meine Eltern mir Magic gekauft hätten, wäre dieser Transporter hier nicht vorbei gefahren. Vielleicht brachten sie ein anderes Pferd? Ich musste es wissen, jetzt oder nie.

„Mir ist schlecht." Mit diesen Worten sprintete ich los aus dem Klassenzimmer zu den Fahrradständern. „Laura!", hörte ich Levi noch rufen, dann läutete es zum Schulschluss. Ich sah eine Uhr, hörte das Ticken. Tic. Tac. Bumbumbumbum.

In Windeseile stieg ich aufs Fahrrad und radelte in einer Höllengeschwindigkeit zum Hof. Hinter mir hörte ich ein paar Klassenkameraden, die rufend hinter mir her fuhren.

Doch ich hatte nur den Hof im Sinn, nie war ich schneller gewesen. Ich sah schon von weitem den riesigen Pferdetransporter vor den Privatpferdeställen halten. Kräftig in die Pedale tretend holte ich ihn schnell ein, als ich ankam, pfefferte ich das Fahrrad gegen eine Stallwand und ließ es achtlos liegen.

Vorsichtig trat ich auf den Wagen zu und blieb schließlich stehen. Das Pferd innen wieherte, der gesamte Transporter wackelte als es gegen die Wand trat.

Eine Autotür schlug zu und ein junger Mann kam um den Lastwagen herum. Ich vernahm Schritte hinter mir, eine Frau, die ich als Stallmanagerin erkannte, trat auf den Mann zu. Er begrüßte: „Schönen guten Tag, ich sollte hier ein Pferd abliefern, es steht als Besitzer Laura Danzig eingetragen." Das war der Moment, in dem mein Herz kurz aussetzte. Magic war nun für mich für immer verloren. Verloren. Magic nicht mehr reiten. Neues Pferd.

Wie betäubt versuchte ich diese Gedanken zu erfassen und vor allem, sie zu realisieren und zu verstehen.

„Hier sind Sie goldrichtig angekommen, Herr Meyer. Die Box befindet sich im Gebäude hinter mir, es ist die Zweite links."

Reitinternat StollenbergWhere stories live. Discover now