Risikoreiten

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Widmung: @caroanja

Risikoreiten

»Wann zum Teufel kommt ihr endlich? Wieso habt ihr dieses verrückte Pferd gekauft? Antwortet gefälligst!« Mein Daumen verharrte über dem Senden- Knopf. Konnte man eine so dreist formulierte SMS an seine eigenen Eltern schicken? Ich dachte an das gestern Geschehene und entschloss: Ja, man konnte.

„Hier haben Sie mein Handy wieder." Lächelnd überreichte ich der Hausmutter mein Handy und schloss mich der Gruppe Leuten an, die jetzt in den Stall fahren würden.

Ich entdeckte Levi unter ihnen und schloss zu ihr auf.

„Haben deine Eltern endlich geantwortet?"

„Nein, immer noch nicht. Was haben sie sich nur dabei gedacht?" Mit roher Gewalt zog ich mein Fahrrad aus dem Ständer und machte mich mit Levi an meiner Seite zum kalten Stall auf. Die Blätter der Bäume fielen stetig auf uns herab, mitten in mein Gesicht. Ich musste mich wahrlich beherrschen, um meinen Ärger über meine Eltern nicht an irgendwelchen Unschuldigen auszulassen.

„Einen Vorteil hat das Ganze ja, jetzt stehst du endlich in der selben Stallgasse wie ich.", versuchte Levi mich aufzuheitern.

„Aber Magic hätte diesen Platz bekommen sollen, nicht irgendein Pferd." Ich verfiel in Schweigen.

Der Privatpferdestall kam schließlich in Sicht, ein großrahmiger Brauner wurde heraus geführt, neben ihm ein blondes, schönes Mädchen.

„Die kann ich erst recht nicht gebrauchen...", murmelte ich in meinen Schal. Doch es half wohl alles nichts.

„Was sich deine Eltern dabei nur gedacht haben? Was soll dieses Palominopferd überhaupt für eine Rasse sein?", hörte ich Feli schon von weitem feixen. „Ein Wald-Wiesen-Koppel Züchtung vielleicht. Oder ein Unfall mit schönem Fell?" Mit einem höhnischen Blick stieg sie auf und ritt davon. Weg war jegliche Sympathie, die ich seit dem Verlust ihres Pony für Feli empfunden hatte.

Der würzige Geruch von Heu schlug uns entgegen, als wir den Stall betraten. Zögerlich ging ich Schritt für Schritt auf die Box des Palominos zu. Als er mich kommen hörte warf er seinen Kopf nach oben. Aus erschrockenen Augen blickte er mich an, den Stress von gestern hatte er noch immer nicht ganz überwunden.

„Schhh, ich tu dir doch nichts." Der Palomino beäugte mich misstrauisch, trotzdem ließ er sich das Halfter überstreifen. Vorsichtig tastete er mit seinen Lippen meine Hand ab, doch ich zog diese weg und beachtete ihn nicht weiter.

Ohne viel Überredungskunst folgte er mir aus der Box. Sobald wir auf die Stallgasse kamen, wurde er hibbelig. Er wölbte den Hals auf und schnaubte aufgeregt.

Wir wurden immer schneller auf dem Weg zum Putzplatz, schon fast trabte er.

„Brrr!" Ich zog stark am Strick und führte ihn zwischen die Anbindehaken, dabei musste ich höllisch aufpassen, dass er mich nicht zerquetschte.

Erleichtert atmete ich aus, als der Verrückte endlich sicher angebunden war. Mit schnellen Griffen war die dicke Winterdecke entfernt, für die Stallbandagen brauchte ich noch länger. „Die sind so unnötig! Wenn du dir was brichst oder zerrst, dann helfen die Dinger auch nichts.", erzählte ich leise schimpfend dem schnaubenden Wallach.

„Da verstehen sich aber zwei!" Überrascht sah ich auf und sah meinen vollbepackten Reitlehrer vor mir stehen.

„Mh-hm.", gab ich zurück. Von wegen! Mit diesem Pferd konnte ich absolut nichts anfangen, ich vertraute ihm kein Stück.

Er stellte einen silbernen Putzkasten vor mir ab und legte Zeug zum longieren darauf.

„Ich helfe dir heute mit dem longieren, kann sein, dass er heute noch ein wenig heftig ist."

Reitinternat StollenbergWhere stories live. Discover now