Erkenntnisse

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Erkenntnisse

In den darauffolgenden Tagen schwebte ich wie auf Wolke sieben. Der außergewöhnlich kalte Winter konnte mir nichts anhaben, irgendwie verspürte ich eine innere Wärme. Wie praktisch, wenn man bei Minusgraden seine Freizeit im Stall verbringen musste.

„Kann mir jemand ein paar neue Mähnengummis geben? Es ist dringend!", krähte Feli durch die Stallgasse. Ein paar Pferde hoben erschrocken die Köpfe oder schnaubten, wie ich fand, empört.

Ein allgemeines Stöhnen ertönte, denn jede Bewegung der Pferde konnte ein mühsam erflochtenes Turnierzöpfchen zu Nichte machen.

„Einen Mo-me-hent!", flötete ich. Champ konnte es zwar kaum noch erwarten sich zu bewegen, aber die zwei Minuten musste er wohl noch aushalten. Fix schnappte ich mir Mähnengummis. Fröhlich tänzelte ich zwischen den einflechtenden Leuten hindurch, die sich für das letzte Turnier des Jahres vorbereiteten, ein aus Tradition veranstaltetes Winterturnier. Schließlich gelangte ich leichtfüßig zu dem wohl momentan missgelauntesten Mädchen der Schule. Grinsend überreichte ich die Gummis.

„Danke", murrte Feli und warf mir einen bösen Blick zu, der das Gegenteil ihrer Worte bewies. Ich kicherte.

„Gibt es einen Grund für deine Belustigung? Drück uns lieber die Daumen, dass unsere Mannschaft morgen auf dem Turnier gut abschneidet. Sonst war es das nämlich mit der Titelverteidigung..."

Wieder musste ich über sie lachen. War sie nicht noch vor wenigen Monaten das Ich-brauche-kein-Glück-Fräulein gewesen? Aber es war ein offenes Geheimnis, das es zwischen ihrem neuen Pferd und ihr noch nicht wirklich funktionierte. Ein Platz in der Schulmannschaft nächstes Jahr war alles andere als sicher.

„Ach, ich bin nur glücklich, weil ich zufälligerweise mit dem Typen auf welchen ich stehe zusammen bin! Sonst ist nichts!"

Ein letzter Blick meinerseits traf Feli, dann drehte ich mich schwungvoll um. Feli schnaubte empört. „Jedes Glück hat seinen Preis.", flüsterte sie grimmig. Doch ich überhörte es geflissentlich. Mit einem kalten Blick und einem schrecklich wissenden Gesichtsausdruck, der einem die schlimmsten Dinge in den Sinn kommen lies, flocht Feli weiter.

•••• ♥ ••••

Als ich die Halle betrat, musste ich mir ein Kichern verkneifen, denn ich hatte jemanden entdeckt. Nachdem ich nachgegurtet hatte, stieg ich auf und warf interessierte Blicke auf meine Mitreiter. Es war Fabio, der sich angeregt mit einem Jungen unterhielt, der mir sehr bekannt vorkam: Antonio, ihn und Fabio hatte ich damals in der Box erwischt.

Doch zusammen in der Öffentlichkeit hatte ich sie noch nie gesehen. Es freute mich, dass ihre Beziehung gehalten hatte. Fabio danach zu fragen, wäre für uns beide wohl zu unangenehm gewesen.

Ich wollte mich unbedingt einmal mit den beiden unterhalten und ritt näher heran.

„...Tony, das musst du unbedingt versuchen. Es gibt nicht besseres!", erzählte Fabio begeistert.

„Da hast du Recht, aber dazu müsste ich mit zu dir kommen. Du weißt es geht nicht, unsere Eltern..."

Antonio sah Fabio in die Augen und seufzte.

Ich kam mir wie der Spanner eines intimen Moments vor, also machte ich mich bemerkbar:

„Na, macht ihr auch schon Pläne für eure Weihnachtsferien?"

Erschrocken und zugleich ertappt blickten mich beide an, anscheinend hatten sie mich zuvor nicht gesehen. Wie war das noch mal mit dem »Liebe macht blind«? Aber dieses Sprichwort traf natürlich nicht auf alle zu, ich jedenfalls hatte das Gefühl, noch einen ziemlich klaren Blick zu haben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 13, 2015 ⏰

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