Kapitel 15

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Dylan POV

Tommy war endlich eingeschlafen. Es hatte Stunden gedauert, bis er zur Ruhe gekommen war und ich hatte ihm noch 7 Kapitel aus dem ersten Harry Potter Buch vorgelesen. Offensichtlich hatte er große Schmerzen, hatte jedoch mein Angebot an Schmerzmedikamenten abgelehnt.
Ich lag auf dem Rücken und starrte die Wand an.
„Ist nicht so, als wäre es das erste mal passiert.", echote es immer wieder in meinem Kopf. Am liebsten würde ich auf irgendetwas einschlagen. Irgendwen. Korrigierte mich mein Unterbewusstsein.
Was war falsch mit dieser Welt?! Wie konnte jemand eine andere Person vergewaltigen und das Opfer fühlt sich schuldig und möchte nichts dagegen unternehmen? Wieso lässt Tommy das mit sich machen?
Hatte er Angst vor ihm? Oder noch schlimmer. Liebte er ihn?
Nicht wissen was ich für Tommy tun sollte -geschweige denn tun konnte-, drehte ich mich auf die Seite und schaute ihm beim Atmen zu. Seine Atmung was langsam, gleichmäßig. Seinen Gesichtszügen konnte man nicht ansehen, was er heute durchgemacht haben muss. Allein an den Schwellungen und Hämatomen konnte man es sehen.
Länger konnte ich es mir nicht ansehen, leise schlug ich meine Decke zurück und stand auf.
Ava tapste mir in die Küche hinterher, wo ich allerdings auch nur ratlos rumstand.
Tommys Kleidung hing im Wohnzimmer auf dem Wäscheständer.
Unentschlossen was genau ich mitten in der Nacht noch machen sollte, machte ich mir einen Tee und stellte mich auf den Balkon. Ein leichter Wind blies und ließ mich schaudern, immerhin hatte ich nur ein Shirt und meine Shorts an.
Ich weiß nicht genau wie lange ich da so stand, aber der Tee ging langsam zu Ende und kühlte aus, der Ausblick auf die Stadt und den Park beruhigten mich.
Irgendwie würde das alles schon wieder gut werden. Auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich helfen konnte.
Aber Tommy wollte bei mir sein, das musste doch schon ein Zeichen sein, oder?
Mit einem leisen klonk stellte ich die leere Tasse auf das Geländer und fuhr mir durch die Haare, die mir ins Gesicht fielen.
Ich musste unbedingt wieder mal zum Friseur.
„Wieso schläfst du nicht?", leise tapste Tommy zu mir und stellte sich neben mich.
„Das gleiche könnte ich dich fragen.", erwiderte ich und drehte meinen Kopf zu ihm. Erstaunt bemerkte ich, dass er mich aufmerksam beobachtete.
Kaum merklich zuckten seine Schultern. „Hab schlecht geträumt." Seine Augen leuchteten, es ging ihm wohl etwas besser, obwohl ich den Ausdruck nicht ganz zu deuten wusste. „Und wieso bist du jetzt noch wach?"
„Kann nicht schlafen.", war alles was ich rausbrachte.
Tommy war wohl im Redefluss, denn gleich darauf antwortete er: „Weißt du, dass ich früher tagsüber geschlafen habe? Ich mochte die Nacht mehr. Weniger Menschen, mehr Ruhe. Ich konnte stundenlang durch die Dunkelheit laufen und nachdenken. Manchmal vermiss ich den Rhythmus. Aber mit der Uni ist das leider schlecht zu vereinbaren."
„Willst du spazieren gehen?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch.
Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. „Begleitest du mich mit Ava?"
„Wenn du möchtest, sehr gerne. Aber kann man nicht alleine viel besser nachdenken?"
„Ehrlich gesagt, will ich momentan nicht alleine mit meinen Gedanken sein.", er schaute vom Balkon nach unten und schaute mich dann wieder mit großen Augen an. „Wenn du schlafen willst, kann ich das sehr gut verstehen."
Statt zu antworten drehte ich mich um und griff nach einer Jogginghose, befreite mich von meinen Shorts und zog sie über meine Boxer-Brief. Tommy lief an mir vorbei, griff nach einem Pulli von mir, der auf dem Wäscheständer hing und zog ihn über. Aufgeregt lief Ava zur Tür und wedelte freudig mit ihrem Schwanz, diese Uhrzeit war vollkommen außerhalb ihrer normalen Zeiten, das schien sie aber wenig zu stören.
Langsam machten wir uns auf den Weg. Schlichen so leise wie es ging durchs Treppenhaus und durch die Haustür.
„Musst du eigentlich morgen arbeiten?", fragte Tommy plötzlich nach einer langen Pause.
„Ja, aber erst um 12 Uhr. Also alles ganz entspannt. Und Uni?"
„Ne, sind gerade Semesterferien."
Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und so liefen wir schweigend durch die verlassenen Straßen.
Ich musste Tommy zustimmen, es war ruhig, angenehm und man konnte nachdenken. Selbst in seiner Gesellschaft fiel mir das nicht schwer und die Stille war nicht unangenehm.
Nichtsdestotrotz hatte ich das Gefühl, dass Tommy nur so tat, als wäre alles in Ordnung. Nachdem so etwas einem passiert ist, konnte man doch nicht einfach so tun, als wäre alles bestens.
Geduld war wohl angesagt, ich hoffte, dass sobald Tommy bereit war, er mit mir darüber reden würde.
Früher oder später würde er das müssen.

Hold Me Now. (Dylmas AU) [abgeschlossen]Where stories live. Discover now