Kapitel 35

1.4K 100 6
                                    

Dylan POV

„Sag mal, was hast du denn in der Kiste drin?", fragte Tyler und hob sie unter großer Anstrengung in den Kofferraum seines Transporters.
„Meine Medizinbücher.", antwortete ich grinsend und stelle die nächste Kiste dazu.
„Unglaublich! Und das lässt du mich schleppen?", lachte Tyler und rempelte mich spaßhaft an.
„Du bist viel stärker als ich. Das ist nur logisch.", konterte ich und lief wieder zurück in den Hausflur.

In den letzten Wochen hatte sich einiges verändert. Nachdem Chris Thomas aufgelauert hatte, fühlte er sich zusehends unwohl, sowohl draußen, wenn wir unterwegs waren, aber auch zu Hause, weil wir uns sicher sein konnten, dass Chris wusste, wo wir -quasi gemeinsam- wohnten.
Obwohl Thommy es nicht zugeben wollte und versuchte so zu tun, als wäre alles super, spürte ich, wie er sich anspannte, wenn schwere Schritte den Hausflur hochkamen oder draußen ein Mann mit Kapuze an uns vorbei lief. Den Park mied er sowieso und hatte keinen Fuß mehr hineingesetzt seit dem „Vorfall". Angeblich weil es ihm zu nass war, jetzt wo es langsam anfing zu schmelzen, immerhin war es bald März.
Es fühlte sich an, als hätte Thommy in seiner so positiven Entwicklung mindestens zehn Schritte rückwärts gemacht. Für mich war es wieder schwieriger an ihn heranzukommen und auch an seinen Bildern und Zeichnungen, die wieder zunehmend dunkler wurden, konnte ich sehen, dass es ihn beschäftigte.

Aber genau deswegen war Isas Anruf vor 3 Wochen das beste gewesen, was hätte passieren können. Tyler und ich hatten vorher schon Tage und Stunden damit zugebracht zu überlegen, wie wir Thomas irgendwie helfen konnten. Aber so richtig war uns nichts eingefallen, bis auf eine einstweilige Verfügung, was für Thomas natürlich nicht ihn Frage kam, denn dafür hätte er ja zugeben müssen, dass Chris ihn misshandelt und vergewaltigt hatte.

Isa hatte mich abends angerufen, als ich schon beinahe im Bett war, und mir aufgeregt erzählt, dass ihre ältere Schwester schwanger war. Natürlich war ich leicht verwirrt, weil ich Isas Schwester weder kannte noch wusste, was ich mit dieser Information anfangen sollte. Aber wie Isa nun mal ist, kam sie zum Glück auch schnell auf den Punkt: „Sie und ihr Freund brauchen jetzt eine größere Wohnung. Das heißt sie ziehen aus und brauchen Nachmieter.... Du und Thomas könnten die Wohnung bestimmt haben!"

Zwei Tage lang hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich Thomas danach fragen sollte. Er hatte schon vorher ziemlich bestimmt gesagt, dass er noch nicht mit mir offiziell zusammenziehen möchte. Es wäre zu früh, meinte er und vielleicht hatte er recht.  In den sechs Monaten, in denen wir uns jetzt kannten, hatte ich es nicht geschafft vollkommen an ihn heran zu kommen und wir hatten noch nicht einmal Sex gehabt.
Nicht, dass ich Thommy jetzt zum Sex drängen wollte, auf keinen Fall. Aber sollte man mit jemandem zusammen ziehen mit dem man noch nicht einmal intim war?
Andererseits liebte ich Thommy. Und in absehbarer Zeit würden wir Sex haben, ziemlich sicher. Mittlerweile genoss es Thommy, wenn wir gemeinsam abends im Bett waren und wir uns näher kamen. Immer öfter ging es von ihm aus und es ging jedes Mal einen Schritt weiter.
Alles was ich wollte, war, dass Thommy sich wieder entspannen konnte, dass er sich wieder sicher fühlen konnte und wir weiter an unserer Beziehung arbeiten konnten, die in letzter Zeit unter der ganzen Anspannung gelitten hatte.
Außerdem wollte ich keinen weiteren Morgen ohne ihn aufwachen.

Also nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte Thommy beim Essen.
„Isa hat mich vorgestern angerufen.", fing ich lahm an.
„Ach so? Was wollte sie denn?", fragte Thommy und nahm eine Gabel Reis in den Mund.
„Sie hat gefragt, ob wir eine Wohnung suchen. Ihre Schwester ist schwanger und die suchen Nachmieter.", versuchte ich beiläufig hervorzubekommen.
„Und was hast du darauf geantwortet?", fragte Thomas mit leicht hochgezogen Augenbrauen.
„Na, dass ich erst einmal mit dir reden muss.", gab ich schnell zurück.
Langsam legte er sein Besteck zur Seite. „Dylan.... du hast mich schon mal gefragt, ob ich nicht zu dir ziehen will...."
Schnell unterbrach ich ihn. „Ich weiß. Du meintest, es sei zu früh. Aber überleg doch mal,", ich stand auf und kniete mich neben Thomas Stuhl auf den Boden und berührte seinen Oberschenkel. „Du bist immer hier, du hast seit Dezember nicht mehr in deiner Wohnung geschlafen. Wir könnten in eine neue gemeinsame Wohnung ziehen. Es gemeinsam entschieden, welche Möbel wo stehen sollen, du kannst deine Sachen aus deiner Wohnung holen! Es wäre unsere Wohnung und nicht, wie du immer sagest, nur meine. Du hättest nicht nur eine Ecke im Bad, sondern dein eigenes Regal. Nicht mehr nur ein paar Klamotten bei mir, sondern alle.", jetzt unterbrach Thomas mich.
„Schon, aber...", gekonnt ignorierte ich seinen Versuch etwas einzuwenden.
„Chris würde nicht mehr wissen, wo wir wohnen. Auch wenn ich nicht glaube, dass er es sich noch mal trauen wird, irgendwas zu machen, aber ich fände das beruhigend. Ich will nicht, dass er weiß, wo du sein könntest. Oder mir ständig Sorgen um dich machen. Ich will nur glücklich mit dir sein."
Unsicher schaute Thommy von seinem Stuhl auf mich herab. „Das will ich doch auch.", meinte er mit zittriger Stimme und nahm meine Hand.
„Dann zieh mit mir zusammen. Bitte."

Jetzt war es endlich so weit. Nur 3 Wochen später. Tyler und ich holten die Kisten von zu Hause mit einem Transporter ab, während Isa und Thommy in unserer neuen Wohnung die Wände strichen.
Für unsere Wohnung einen Nachmieter zu finden, war einfach gewesen. Online hatte ich unsere Wohnung eingestellt und nur 4 Tage später jemand passendes gefunden mit dem der Vermieter auch einverstanden war.
Thommys Wohnung war schnell an einen anderen Studenten vergeben gewesen.
Alles lief wie geschmiert. Ich hatte die Hoffnung, dass es jetzt bergauf gehen würde.
„Wie viele Kisten stehen denn noch oben?", stöhnte Tyler als wir erneut das Treppenhaus betraten.
„Nicht mehr viele und sei lieber froh, dass die meisten Möbel schon weg sind!", lachte ich leicht außer Atem.
„Ich verstehe immer noch nicht, wieso du ein Möbelpackunternehmen engagiert hast, aber denen nicht gleich die Kisten mitgegeben hast.", meinte Tyler mit grimmiger Miene und griff nach einem der letzten Kartons aus dem Wohnzimmer.
„Weil ich sie nur für die Möbel bezahlt habe?", jetzt waren nur noch 2 Kartons in der ganzen Wohnung übrig.
Vorsichtig stiegen wir die Treppen wieder runter zum Lieferwagen.
„Die nehmen auch Kartons mit, du voll Horst!", gab Tyler seinen Senf dazu und platzierte die Kiste auf den bereits abgestellten.
„Ja ja, ist jetzt so. Meckern hilft auch nicht mehr.", zwinkerte ich und schleppte mich wieder nach oben.

Unsere neue Wohnung war etwas weiter weg. Das war ja auch Sinn der Sache. Neue Umgebung, kein Chris und von jetzt an würde alles leichter werden.
Zwar waren wir jetzt auch weiter weg von Tyler und Isa, aber mit meinem Auto war das kein Problem. Selbst mit dem Fahrrad war es nicht weit.
Anstelle eines Parks, wohnten wir jetzt in der Nähe eines Waldes. Eine eher ruhigere Gegend, aber gut gelegen, so dass wir innerhalb von 10 Minuten im Zentrum sein konnten.
Thommy wollte sich ein Fahrrad zulegen und damit zur Uni fahren, ich würde das Auto nehmen müssen, um in die Arztpraxis zu kommen, aber das war kein Problem.
Ava würde es hier gut haben, wir wohnten jetzt im ersten Stock und Thomas würde direkt nach der Uni mit ihr in den Wald gehen können.

Bei den Vorstellungen wie gut alles laufen würde, freute ich mich schon riesig.

„Hallo? Erde an Dylan?", Tyler wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht.
„Oh. Ja, ich komme.", ich war so in Gedanken verloren gewesen, dass ich nicht realisiert hatte, dass wir bereits angekommen waren.
Schnell sprang ich aus dem Auto und öffnete mit meinem neuen Schlüssel die Haustür. Unsere Wohnungstür stand offen und es war Musik zu hören.
Offensichtlich hatten Isa und Thommy Spaß beim Streichen. Tyler und ich betraten die nach Farbe riechende Wohnung und suchten die beiden.
Sie hatten ganze Arbeit geleistet. Beinahe alles war fertig gestrichen, es fehlte nur noch das Wohnzimmer.
Dort fanden wir die beiden auch lachend und mitsingend.
„Sieht ja echt klasse hier aus.", meinte ich und lief zu meinem Thommy rüber, schlang die Arme um seine Mitte und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
„Ja, oder? Noch diese Wand und wir sind fertig!", grinste Thomas selbstzufrieden und küsste mich auf die Wange.
Ich spürte jetzt schon, dass der Umzug gut für uns war.

Hold Me Now. (Dylmas AU) [abgeschlossen]Where stories live. Discover now