Kapitel 19

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Dylan POV

Es war kaum zu glauben, dass es schon Mitte November war. Die Sonne strahlte den ganzen Tag und eigentlich war es viel zu warm. Da ich einen freien Tag hatte, hatte ich früh morgens meine Schwester angerufen und gefragt, ob ich sie besuchen konnte. Emma war gerade mit ihrem Verlobten etwas außerhalb der Stadt in ein Haus gezogen mit einem großen Garten. Ava liebte den Garten, viele neue Gerüche und so viel Platz zum Spielen und Entdecken, immerhin war sie erst sieben Monate alt. Manchmal bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie schon teilweise lange alleine lassen musste. In die Kinderarztpraxis konnte ich sie natürlich nicht mitnehmen, deswegen war sie dann mehrere Stunden alleine, aber da ich nicht weit weg wohnte, konnte ich meine Mittagspausen dazu nutzen, nach Hause zu gehen und mit ihr eine große Gassirunde zu drehen.
Ein Ausflug aufs Land würde ihr also bestimmt gut tun und ich hatte wieder mal genug Zeit für meine Schwester, die zur Zeit mit dem neuen Haus und Hochzeitsplänen auch gut ausgelastet war.
Emma freute sich von mir zu hören und fand die Idee von ein wenig Ablenkung gut. Also packte ich Ava ins Auto und fuhr los, die Fahrt dauerte nicht lange, es dauerte nicht mal eine Stunde bis das Haus von Emma und ihrem Verlobten, Mike, in Sicht kam. Zwar sahen Emma und ich uns mindestens ein Mal pro Woche, aber jedes Mal freute ich mich sie zu sehen, als wären wir Monate getrennt gewesen.
Die Sonne schien im Garten und wir setzten uns hinter das Haus auf die Veranda und quatschten endlos lang miteinander. Thommy kam auch zur Sprache, auch dass ich ihn ins Ferienhaus eingeladen hatte und Emma drückte mir die Daumen, dass es klappen würde.
Sie wünschte mir so sehr, dass ich endlich jemanden fand, mit dem ich glücklich werden konnte. Ich war zwar gerne alleine und hatte auch kein Problem damit Single zu sein, aber ich war jetzt schon eine ganze Weile ohne Partner und Emma wollte endlich ein paar anständige Pärchenabende mit mir verbringen können.
Thommy hatte mir erzählt, dass er und seine Kommilitonen nach der Klausur etwas trinken gehen wollten, ich machte mir also wenig Hoffnung ihn heute noch zu sehen und beeilte mich deswegen auch nicht nach Hause zu kommen.
Gegen acht Uhr abends machte ich mich dann auf den Weg, Emma hatte noch gekocht und gemeinsam mit Mike hatten wir zu Abend gegessen. Ava lag platt bei ihnen im Wohnzimmer, sie war vollkommen ausgepowert, schlief friedlich und schnorchelte etwas vor sich hin.
Der Anruf von Thommy kam ganz schön überraschend, ich merke sofort, dass er getrunken hatte. Obwohl wir jetzt schon verhältnismäßig viel miteinander redeten, musste man ihm die Antworten aus der Nase ziehen. Von alleine würde er nicht anfangen zu erzählen, aber wenn man ihn fragte, kam mehr oder weniger ausführlich eine Antwort. Er stellte lieber selber die Fragen und hörte zu.
Die Frage, ob er zu mir kommen könnte, kam ganz schön unerwartet, stieß aber auf Begeisterung meinerseits und jetzt war ich dabei Schadensbegrenzung in meiner Wohnung zu betreiben. Zwar bin ich keine unordentliche Person, aber Kleinigkeiten gab es ja immer, die man erledigen konnte.
Zwanzig Minuten nach dem Telefonat klingelte es an meiner Tür, mein Blick schweifte zur Wanduhr, die im Wohnzimmer über der Tür hing, es war kurz vor zwei Uhr in der Nacht. Ava kam aus meinem Schlafzimmer getrottet und schaute mich verwirrt an, wer um diese Uhrzeit noch klingelte.
Langsam kam Thommy die Treppe hochgewatschelt, er war zwar nicht so betrunken wie das letzte mal, aber man konnte sehen, dass er einen guten Pegel erreicht hatte. Ich war froh, dass er zu mir gekommen war.
„Und? Spaß gehabt?", fragte ich neckisch und lehnte gegen den Türrahmen.
„Jede Menge." kam es von Thommy, als er endlich meinen Treppenabsatz erreicht hatte. „Wir wollen jetzt nach jeder Klausur abends weggehen."
„Na das sind ja nur noch zwei für dieses Semester.", meinte ich und ließ ihn eintreten.
Er schälte sich aus seinem Mantel, hing ihn an die Garderobe, pfefferte seine Schuhe zur Seite und ließ sich auf den Boden fallen, um Ava zu begrüßen.
„Willst du noch was essen?", fragte ich und widerstand dem Drang ihm währenddessen mit meinen Fingern durch die Haare zu fahren.
„Ne, danke. Ich bin zufrieden." Ava hatte den Kopf auf Thommys Schoß und hatte die Augen geschlossen.
„Willst du noch einen Film sehen oder was möchtest du machen?"
Thommy sah mich an. „Können wir den auch in deinem Bett schauen?"
Mein Herzschlag erhöhte sich. Egal wie oft Thommy in meiner Wohnung gewesen war, er hatte stets einen großen Bogen um mein Schlafzimmer gemacht, als hätte er Angst da nie wieder rauszukommen.
„Wenn du möchtest, können wir auch im Bett einen Film sehen, da hab ich auch einen Fernseher."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stand Thommy auf und ging zusammen mit Ava ins Schlafzimmer. Ich ging langsam hinterher und beobachtete Thommy wie er mein Zimmer Augenschein nahm.
„Deine Familie?", fragte er, als er bei einem Bild auf der Kommode angekommen war.
Ich nickte zustimmend, setzte mich aufs Bett und griff nach der Fernbedienung.
„DVD oder Netflix?", fragte ich, während ich den Fernseher einschaltete.
„Doku auf Netflix?", fragte er und grinste niedlich vor sich hin.
Ich musste lachen. „Können wir machen. Was willst du für eine Doku sehen?"
„Planet Erde - Tiefseewelten", kam es wie aus der Pistole geschossen. Wieder nickte ich und startete Netflix auf meinem Fernseher. Thommy legte sich währenddessen auf mein Bett und schlüpfte unter die Bettdecke. Der Vorspann lief und die beruhigende Stimme des Erzählers fing an zu berichten; ich rutschte auf dem Bett zurück, so dass ich gegen das Kopfteil lehnte, während Thommy rechts von mir unter der Decke gebannt auf den Fernseher starrte. Ich wollte ihm nicht zu nahe kommen und ihm das Gefühl geben, ihn zu bedrängen.
Nach einer Weile richtete er seinen Blick auf mich. „Willst du nicht unter die Decke?"
„Ich wusste nicht, ob dich das stört.", antwortete ich wahrheitsgemäß. Er schüttelte den Kopf und ich glitt zu ihm unter die Decke.
Das erste, was mir auffiel, war, dass er seine Hose ausgezogen hatte. Das hatte ich gar nicht mitbekommen, aber jetzt schlang er seine nackten Beine um meine und schaute interessiert weiter die Doku. Meine Konzentration ließ zu wünschen übrig, alles was ich wahrnahm, waren seine nackten Beine gegen meine. Ich trug zu Hause entweder Jogginghose oder -wie heute- kurze Shorts.
Eigentlich sollten mich so belanglose Berührungen nicht aus dem Konzept bringen. Meine Güte, ich werde 26, schoss es mir durch den Kopf. Gerade fühlte ich mich wie ein Teenager, dem jede Berührung zu Kopf steigt.
Thommy kam immer näher rangerutscht, mittlerweile lag sein Kopf auf meiner Schulter und seine rechte Hand auf meinem Bauch. Ich lag auf dem Rücken und konnte nichts vom Fernseher sehen, das störte mich aber nicht im geringsten.
Wie von selbst wanderte meine Hand zu Thommys Kopf und wollte ihm durch die Haare fahren. Allerdings hielt seine Hand mich davon ab, blitzschnell war sie von meinem Bauch verschwunden und stoppte meine Bewegung. „Nicht." war alles was er dazu sagte. Und so schnell seine Hand meinen Arm gegriffen hatte, so schnell ließ er sie auch wieder los und platzierte sie wieder auf meinem Bauch, wo er leicht in mein T-Shirt griff.
„Soll ich dich nicht anfassen?", was für eine dämliche Frage, das war ja jetzt wohl klar.
„Nein.", gab er zurück, aber klang dabei nicht böse.
„Tut mir leid, ich wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst." Dennoch war alles, was ich wollte, ihn zu berühren. Seine Haut zu spüren, ihn zu küssen und ihn wissen zu lassen, wie wunderschön er war.
„Schon ok. Ich hab es dir ja vorher auch nicht gesagt, dass ich es nicht mag." Unwillkürlich musste ich daran denken, dass ich ihn andauernd unbewusst berührt hatte. Zuletzt immer beim Kochen oder beim Spazierengehen, aber auch schon an den Knien, wenn ich vor ihm gekniet hatte. War das alles unerträglich für ihn und bisher hatte er sich nur nicht getraut etwas zu sagen?
„Wenn wir kochen...", fing ich an, aber da unterbrach er mich auch schon.
„Das ist ok, auch wenn wir draußen unterwegs sind. Den Rest mag ich nicht." Das beruhigte mich etwas, aber nicht vollkommen.
„Wieso hast du mir das nicht früher gesagt?" Aber ich wusste die Antwort schon. Thomas war aufgeschlossener, wenn er getrunken hatte. Wahrscheinlich hatte er sich nicht getraut es mir zu sagen, weil er Angst vor meiner Reaktion gehabt hat.
„Ich wusste nicht wie. Aber du warst nicht böse oder grob. Es war erträglich." Erträglich. Alle Alarmglocken gingen in meinem Kopf los. Ich wollte nicht, dass meine Berührungen erträglich oder ok waren. Er sollte sie mögen, er sollte sie wollen.
„Wäre es dir lieber, wenn ich dich nicht anfasse?", meine Stimme war leise. In meinem Unterbewusstsein arbeitete es gerade rasant. Nutzte ich Thommys angetrunken sein aus? Nicht körperlich, aber um an Informationen ranzukommen? War das verwerflich? Anders kam ich aber nicht an diese Tatsachen und wie sonst sollte ich erfahren können, wie er sich fühlte?
„Ja.", die Antwort traf mich wie ein Schlag und ich wollte gerade von ihm abrücken, um ihn nicht zu bedrängen, aber er hielt mich fest und hob seinen Kopf, um mich anzusehen. „Das heißt aber nicht, dass ich dich nicht anfassen darf, oder?"
„Wie meinst du das?", ich war sichtlich verwirrt.
„Naja, du fässt mich nicht an, weil ich es nicht mag. Aber wenn ich Lust habe, dich anzufassen, dann ist das ok?", langsam verstand ich, worauf er hinauswollte.
„Du meinst eine Art Regel, damit du dich wohlfühlen kannst in meiner Gegenwart?"
„Oh, ich fühle mich bei dir wohl. Aber ich mag es nicht angefasst zu werden."
„Meinst du, dass ich dich irgendwann anfassen darf?", die Frage war mir einfach rausgerutscht. Jetzt schlug mein Herz bis zum Hals.
„Wenn wir es langsam angehen lassen, vielleicht."
„Ich mag dich, Thommy.", sagte ich gerade heraus. Was nützte es, um den heißen Brei rumzureden? Es ist nur fair, wenn ich meine Absichten offenlegte, damit Thomas entscheiden konnte, was er wollte.
„Ein Freund hat mir mal gesagt, mögen tut man nur Hamster, aber ich mag dich auch. Gib mir einfach Zeit, ja?"

Hold Me Now. (Dylmas AU) [abgeschlossen]Où les histoires vivent. Découvrez maintenant