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POV Stegi

Das TS war ein einziges Durcheinander. Alle riefen sich über den allgemeinen Lärm Sachen zu, stöpselten dabei ihre neuen Konsolen ein und inspizierten kritisch die dazugehörige Ausstattung, soweit ich das beurteilen konnte.

Tim neben mir versuchte jetzt schon seit geschlagenen drei Minuten ein Kabel zu entheddern, das sich kreuz und quer durch sein restliches Equipment geschlängelt und sich damit verknotet hatte, ich feuerte ihn dabei von meinem Schreibtischstuhl an. Wir hatten den Schritt gemeinsam machen wollen, also hatte Tim alles zum Zocken nötige zuvor in mein Zimmer gebracht und dabei mussten sich die ganzen Strippen verknotet haben. Sah zuckersüß aus, wie geduldig er die Schlaufen zurückverfolgte und löste und nur ganz selten zwischendurch leise aufseufzte.

"Sind alle soweit?", drang T's Stimme in dem Moment über das allgemeine Gequassel, als mein Kumpel endlich alles entwirrt hatte und es noch richtig verband. "Ja, gleich!", rief ich also und hörte kurz darauf immer mehr Bestätigungen unserer Mitspieler. Mit jeder Sekunde stieg meine Aufregung und ich wartete darauf, dass Taddl als unser Spielleiter den Server bereitstellte, dem wir beitreten konnten. Ich glaubte sogar, dass mein Herzschlag immer lauter wurde und Tim sich gleich nach dem seltsamen, dröhnenden Wummern erkundigen musste, das unseren Raum füllte. Dann endlich die erlösende Nachricht, dass wir eingeladen worden waren und ohne weiter nachzudenken klickten wir auf den Bestätigen Button. Eine weitere Textbox erschien:

Der ausgewählte Server kann nur mit der 'VirtualReality+' betreten werden. Bitte verbinden Sie die Konsole mit Ihrem Computer, ziehen Sie den beiliegenden NerveSuit an und setzen Sie Ihre Oculus Rift auf!

Angeschlossen hatten wir schon alles, also griffen wir beide jetzt gleichzeitig nach den zusammengefaltenen Stoffbündeln vor uns auf dem Schreibtisch, schüttelten sie vorsichtig auf und streiften sie uns über. Ich schaute aufgeregt zu Tim hinüber, wie er sich die VR Brille auf der Stirn zurechtrückte und dann meinen Blick erwiderte. "Bereit?", fragte er und bot mir seine Hand an. Ich nahm sie, drückte sie kurz und hielt sie weiter fest, mit der freien schob ich mir meine Oculus nun vorsichtig über den Kopf, bis sie perfekt auf meinem Gesicht saß. "Drücken Sie den Button an Ihrem NerveSuit, um den Server zu betreten!", las ich laut vor, Tim gab mir ein Zeichen, dass er verstanden hatte. "Die meinen bestimmt diese komische Brosche vornedran. Auf drei, okay? Eins, zwei, drei!"

Ich hatte den Knopf gefunden und drückte auf Tims Befehl zu. Von dem Transfer in die virtuelle Welt bekam ich jedoch erstaunlich wenig mit. Nur ein paar schwammige Konturen vor meinen Augen, die immer schneller an mir vorbeizogen und nach einigen Sekunden ruckartig wieder endeten, aber ohne das mir davon schwindelig wurde weil ich wusste und spürte, dass ich in Wirklichkeit noch an einem und demselben Ort stand. Wie ich dabei in Echt aussah, wollte ich ehrlich nicht wissen! Vielleicht sollte ich ab sofort mein Zimmer abschließen, wenn ich mit der VR+ spielte..

Nachdem meine Sicht sich wieder geschärft hatte, schaute ich dort hinüber, wo eben noch Tim gestanden hatte, und die Wundermaschine hatte uns tatsächlich direkt nebeneinander geportet! Sogar Hand in Hand standen wir noch da! Hehe, ein wenig peinlich... denn wir waren nicht alleine hier.

"Stegi! Tim! Huhu, hier drüben!" Das war eindeutig die Stimme von Tobi! Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Er und Rafi waren zwei der wenigen Leute, die unser Aussehen kannten, dem Rest würden wir fremd sein, ähnlich wie auch Taka, Selfie und Manu. Aber unter Freunden war es okay, hatten wir beschlossen. Wir vertrauten ihnen genug!

Nach und nach trudelten sie dann auch in kurzen Abständen ein. Es war witzig zu sehen, wer alles für dieses Event zusammengekommen war, denn sie erschienen dann gleichzeitig und auch ziemlich nahe beieinander, während Leute wie Izzi, Paluten und Freddie einzeln dazustießen. Aber so war es auch sehr einfach zu erraten, wer unsere "Unbekannten" waren. Um Taka und Selfie bildete sich sofort eine kleine Traube, ehe sie auch alle zu uns liefen, um uns zu mustern.

"Mensch, du hast ihn damals bei TubeClash echt gut getroffen!", lobte Zombey Marik, der überraschenderweise für heute doch noch zugesagt hatte und mit Kostas unsere Spielerzahl auf sechzehn erhöhte. Wir beiden kannten uns ja schon durch das Interview für die Doku und schlugen kumpelhaft ein, ebenso wie mit seinem Freund, aber den anderen gegenüber war ich noch ein wenig schüchtern. Hoffentlich wurde ich deswegen nicht rot! Aber da hatten sich alle soweit auch schon wieder verkrümelt und suchten stattdessen den Letzten, dessen Aussehen noch immer ein Geheimnis war: Manu. Aber er war scheinbar noch nicht gejoint. Besonders Palle sah besorgt aus, abwartend stand er bei Freddie und schaute sich alle paar Sekunden in alle Richtungen um.

"Hey Leute! Hier drüben kann man noch sämtliche Regeln einstellen!", rief Ardy plötzlich ein Stück von uns entfernt und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf eine Anzeigetafel, die in dem ansonsten komplett leeren Raum an der Wand hing und mit einem riesigen Schaltpult bedient werden konnte. "Lange Runden?", fragte Taddl neben seinem Kumpel den Raum, "Damit wir erstmal ausprobieren und die Karte erkunden können?" Allgemeine Zustimmung, auch von Tim und mir. Ein recht angenehmes, surrendes Geräusch bestätigte uns, dass die Einstellung übernommen worden war. "Traitor brauchen eine bestimmte Punktzahl, um sich spezielle Waffen kaufen zu können?" Da stießen wir auf geteilte Meinungen. Viele sprachen sich dafür aus, aber die lautesten Stimmen kamen von den Gegnern. "Es ist doch bloß zum Ausprobieren! Wir können den kostenlosen Traitorshop ja später noch aktivieren!", versuchte Palle zu schlichten und endlich gaben die wenigen Gegenstimmen auf. Taddl wirkte erleichtert, unruhig wippte er mit seinem Fuß. "Gut. Wir haben noch Kartengröße, Maximale Munitionsanzahl, Einstellungen für Fake-"

"Alle Spieler vollständig. Spielbeginn in zehn Sekunden!"

Alle Köpfe ruckten zeitgleich herum. In dem Halbkreis, den wir mittlerweile bildeten, war der letzte Teilnehmer erschienen. Manu. Scheu schaute er zu uns, ohne etwas zu sagen. "Manu?", fragte Zombey erwartungsvoll und der junge Mann mit den schulterlangen braunen Haaren nickte. Die allgemeine Anspannung legte sich, während der Countdown weiter runterzählte, doch dann bahnte sich Taddl hastig einen Weg durch unsere Reihe zu ihm. "Manu, ich...", begann er wenig selbstbewusst, doch der machte sofort demonstrativ einige Schritte rückwärts und schaute sich hilfesuchend nach Patrick um. "Warte doch!", krächzte der Blonde.

Total verwirrt wie auch der Rest von uns verfolgte ich das Schauspiel vor mir, aber ohne einzugreifen. Für weitere Gedanken über das Verhalten der beiden blieb mir auch schon keine Zeit mehr, denn die sanfte Frauenstimme der Ansage hatte die Null erreicht und tauchte den Lobbyraum um mich kurzzeitig in komplette Finsternis.

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now