15.

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POV Maudado

Micha lud nach und tippte mir dann auf die Schulter. "Kannst die Augen wieder aufmachen", murmelte er mit Grabesstimme und schnallte seine Sniper zurück auf seinen Rücken. In seinen traurigen Augen tobte ein Sturm. Er hatte es tun müssen, dass wusste ich so gut wie er. Wer wusste schon, welches Unheil Tobi aus Versehen noch in seinem unkontrollierbaren Zustand angerichtet hätte. Vorsichtig lugte ich auf die Lichtung hinunter, als Rafis Blick plötzlich zielgerichtet zu uns nach oben schoss.

"DU!", brüllte er zornig, er sah dabei zwar nicht mich an, sondern Zombey, aber trotzdem zuckte ich betroffen zusammen. "Was machen wir jetzt?", fragte ich nervös, als ich meinen Nebenmann aufstehen sah. Er antwortete mir nicht und kraxelte bloß behände nach unten zu den anderen, weshalb ich ihm schnell folgte. Was hatte er vor? Doch es war eh egal, was es war, denn ich würde sowieso mit ihm gehen. Spätestens als wir realisiert hatten, um was es hier wirklich ging, hatte ich mir geschworen, nicht von seiner Seite zu weichen! Ich vertraute ihm, dass auch er ein Innocent war und noch viel wichtiger, weil er mein bester Freund war!

Deswegen schnappte ich auch empört nach Luft, als er unten angelangt war und sofort Rafis Faust ins Gesicht bekam. "Hey, lass das!", fauchte ich ihn noch ein ganzes Stück über ihrer aller Köpfe an, doch er scherte sich kein bisschen um mich. Er schlug nur immer weiter auf Micha ein, der sich auch nicht verteidigte, sondern bloß stumm einsteckte. "Du! Verdammtes! Arschloch! Warum hast du das gemacht?! Warum hast du Tobi erschossen?" In seiner Stimme lag so viel Wut, Kummer und Schmerz, dass ich beinahe inne gehalten hätte vor Mitleid mit ihm, doch er verdrosch noch immer meinen Kumpel, geblendet von seinen heftigen Emotionen!

Gemeinsam mit Stegi und Manu gelang es mir kurz darauf, den völlig aufgelösten Jungen ein Stück beiseite zu ziehen. Micha blutete aus seiner Nase und einem Riss in seiner Unterlippe, aber er wischte es nur abwertend beiseite, als ihm Hilfe angeboten wurde. Er dachte doch wohl nicht, dass er das verdient hatte, oder? Tobi zu ersch- also, das eben meine ich, das war Notwehr gewesen! Sonst wären ihm vielleicht noch mehr von uns zum Opfer gefallen!

Rafi stierte ihn wie ein Wahnsinniger an und er spie sogar als er brüllte: "Ich werde dich umbringen! ICH BRING DICH UM MICHAEL! DAS SCHWÖRE ICH DIR!" Doch der Angesprochene schaute ihn nur ausdruckslos an, ehe sein Blick betrübt zu mir schweifte. Ich verstand, nickte Stegi und Manu zu und ging dann zu meinem Freund hinüber. Wir waren hier nicht willkommen und wahrscheinlich sicherer zu zweit. Rafael würde sich an seine Drohung halten, das spürte ich.

"Micha, Maurice? Seid ihr Innos? Können wir euch vertrauen?", fragte Patrick unsicher. Aber selbst wenn wir die Wahrheit sagten, beweisen konnten wir es nicht. Wir hatten es ja eben selbst beobachtet. Unter unseren Freunden, unseren Gegenspielern, waren drei, die ihre Identität verschleierten. Die ruhig geblieben waren, als nach den Verrätern gefragt worden war. Sie alle hatten Angst und wir konnten sie ihnen nicht nehmen.

"Sind wir. Aber vertrauen können wir vermutlich niemandem mehr, außer jeder sich selbst. Wir wollen hier alle lebend wieder raus, aber das wird wohl unmöglich sein. Wir gehen, so sind unsere Überlebenschancen am größten!" Damit nahm Micha mich an der Hand und ging auf den Waldrand zu, sein Blick schweifte wachsam immer wieder zu Rafi, der sich heftig gegen die beiden Klammern an seinen Armen wehrte. Er war bestimmt auch ein Traitor. Wir mussten uns in Acht nehmen, sonst waren unsere Namen die nächsten, die von der Ansage verkündet wurden.

Mein letzter Blick zurück galt Tobi, der wie ein kleines Häufchen mitten auf der Lichtung lag. Ich konnte seinen Kopf nicht sehen und das war auch besser so. Vor dem Abschuss hatte ich mir bereits die Hände vor die Augen gepresst, ehe Micha angelegt und mit einem lauten Donnern abgedrückt hatte. Ihn jetzt so in einer Pfütze aus seinem eigenen Blut zu sehen war schrecklich und schnell wandte ich meinen Blick wieder ab. "Was machen wir jetzt?"

Der Brünett schaute mich an und lächelte zum ersten Mal wieder hauchschwach und schmal. "Wir suchen uns einen Ort, an dem wir uns verstecken können und warten dann dort. Ich habe nicht vor, die Sniper noch einmal zu benutzen, aber wir müssen uns auf alles gefasst machen!"

Er hatte recht. Wir mussten weg von hier, und zwar schnell! Knapp zwei Stunden waren noch zu spielen, doch in dieser Zeit konnte noch alles mögliche passieren! Ich war nur so glücklich, dass Zombey bei mir war und ich mich auf ihn verlassen konnte. Ganz alleine hätte ich in dieser Situation sicher nicht weiter gewusst...

Als wir schließlich weit genug von den anderen weg und auch sicher waren, dass uns niemand gefolgt war, entschlossen wir uns, auf einen der unzähligen Bäume hochzukraxeln, der ausnahmsweise niedrige Äste hatte, die stark genug für uns waren. Es war anstrengend, doch als wir so verborgen im Blätterdach angekommen waren, fühlte ich mich sehr geschützt und Micha ging es scheinbar genauso. Vorsichtig legte ich einen Arm um ihn und drückte mich an seinen Oberkörper. Zwei Stunden. Dann waren wir frei.

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now