20.

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POV Tim

"Und was machen wir hier? Warten wir jetzt nur?", fragte Paluten hibbelig. Seit die drei anderen gegangen waren, spähte er immer wieder auf die Stelle, an der sie im Wald verschwunden waren. Ich seufzte leise. "Schaffen wir die Leichen von der Lichtung", schlug ich vor, obwohl mir allein bei dem Gedanken daran schon anders wurde.

Aber noch während ich das sagte, wusste ich, dass es getan werden musste, aus einem ganz einfachen Grund heraus. So leid es mir für meinen Kumpel Rafi auch tat, er durfte Tobi nicht wiederbeleben! "Ja, bringen wir sie in die Hütte. Für mehr fehlt uns die Zeit! Aber sie müssen von der Lichtung weg! Hilfst du mir Palle?"

Er nickte, stand auf und folgte mir zu dem von uns aus nächsten Körper. Marik. So wie es aussah hatte ihn die Kugel in die Lunge getroffen und er war an seinem eigenen Blut erstickt. Seine Haut war bereits blass und kalt, als wir ihn unter den Schultern und an den Beinen anheben wollten, aber wir bemerkten schnell, dass das so nicht gut funktionierte. Also half Patrick mir stattdessen, ihn auf meine Schulter zu hieven. Es fühlte sich ekelhaft an, wie die dicke, metallische Flüssigkeit sofort in mein Oberteil einzog und sich wie unnachgiebige, eisige Hände in meine rechte Körperhälfte grub. Aber ich ertrug es stumm, bis ich ihn in der engen Hütte auf dem Boden ablegen konnte und als letzte Ehrerweisung seine Hände über seiner Brust kreuzte und seine Augen schloss. Als ich damit fertig war, stand Patrick bereits neben mir und legte Izzi neben Mik ab und wiederholte meine Taten. Fehlte nur noch Tobi.

Stegi hatte sich neben den Eingang der Hütte gesetzt, und schaute uns zu, wie wir nun recht hastig die komplette, ungeschützte Lichtung überquerten, um unseren einst engen Freund zu holen. Er sah noch schlimmer zugerichtet aus als seine beiden Opfer zuvor und es kostete mich unendlich viel Überwindung, um nicht zu würgen bei dem Anblick, den er abgab. Palle schien es ähnlich zu gehen, er versuchte krampfhaft einen Punkt irgendwo neben Tobi zu fixieren, von dem aus man nicht das Ausmaß von Zombeys beängstigend perfektem Sniperschuss sehen konnte. Einen Arm hielt er sich dabei sicherheitshalber über Mund und Nase, um den widerlichen Blutgeruch nicht einzuatmen. Ich erbarmte mich schließlich und übernahm die grausige Aufgabe.

Wir hatten bereits über die Hälfte der Lichtung überquert, als sich die Ansagerstimme meldete: "Neun Mitspieler sind noch am Leben. Eine Stunde bis Spielende verbleibt!" Erleichtert, dass es nicht wieder eine Todesmeldung war, kam ich stockend wieder in Bewegung und legte wenige Sekunden später Tobis Körper in das Haus zu den beiden anderen. Und obwohl ich danach nichts lieber wollte, als mein blutgetränktes Oberteil sofort irgendwo im Wald zu entsorgen und mich danach ausgiebig zu waschen, blieb ich im Haus, kniete mich vor den Dreien auf den Boden und faltete meine Hände zum Gebet. Hoffentlich würden ihre Seelen oder ihre Geister ihren Weg aus der Simulation heraus- und ihren Frieden wiederfinden. Ich war zwar kein gläubiger Mensch, aber der Gedanke, dass sie vielleicht sogar nach dem Tod hier gefangen blieben, ohne sich befreien zu können, war beklemmend und traurig.

Ohne dass ich es gemerkt hatte, war Stegi zu mir ins Innere getrippelt und hatte sich in der gleichen Haltung wie ich neben mir niedergelassen. Mein armer Junge... was hatten wir nur getan, als wir dieses Spiel gestartet hatten? Und er hielt schon die ganze Zeit tapfer durch, ohne sich ein einziges Mal zu beschweren. Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, legte ich meine Arme um ihn und drückte ihn an mich. Ich hatte solche Angst um meinen Schatz! "Stegi? Wenn wir das hier überleben, dann lass uns bitte ein Pärchen werden! Bitte, tu mir den Gefallen und versprich es mir!"

"Ich verspreche es", murmelte er monoton und erwiderte meine Umarmung. Ein schmales Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Das war schön. Dieses Versprechen baute mich auf. Sanft gab ich meinem Freund einen Kuss auf seinen lockigen Scheitel. So verharrten wir noch kurz, doch dann fiel mir auf, wer fehlte. "Wo ist Patrick?"

Stegi schluckte. "Ich konnte ihn nicht mehr aufhalten. Er hat noch gerufen, dass er einen Fehler gemacht hat und er ganz dringend zu Manu muss. Dann ist er verschwunden!" Irgendwie hatte ich das schon erwartet, so besorgt wie er die ganze Zeit gewesen war. Aber das Gefühl, von allen verlassen worden zu sein, war trotzdem bedrückend. Obwohl, das stimmte ja nicht. Stegi war noch bei mir. Wir würden uns nicht aufteilen. Wir würden hierbleiben bis zum Ende! Wir würden aushalten und dann waren wir ein Paar! Ein richtiges Liebespaar, mein größter Traum seit über zwei Jahren. Das ließ mich entspannen, bis ich den Schuss in der Ferne hörte und mir das Blut in den Adern gefror.

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now