19.

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POV Manu

Während Palle sich Ardy vorgeknöpft hatte, war ich an Ort und Stelle stehengeblieben und hatte mit starrem Gesicht zugesehen. Erst die Durchsagen hatten mich wieder wachgerüttelt und entsetzt schaute ich in den Himmel hinauf. M-micha? Dado?! Nein... so grausam konnten die nicht sein! Das konnten sie nicht! Nicht sie! Nein, nein!

Und nicht nur ich litt unter dieser Botschaft vom Tod zweier meiner besten Freunde. Auch Taddl war meinem Blick gefolgt. Seine Augen waren erschrocken geweitet, ehe sie sich schutzsuchend an mich klammerten. Dieses Mal schaute ich nicht weg. Ich erwiderte stattdessen genauso hilflos und traf unvorbereitet auf noch unendlich viel Schmerz mehr, als ich bereits auf meinen Schultern trug. Er sah mich so bittend an, dass ich beinahe zu ihm gegangen wäre, doch bevor ich den ersten Schritt setzen konnte, durchbrach Ardys Stimme den Moment. "Rafi und Takaishii. Ich habe sie gesehen, als sie davongeschlichen sind! Sie haben einen Kompass! Selfie ist auch bei ihnen und unterstützt sie, aber er ist ein Inno", informierte er uns und plötzlich schien der Streit von eben vollständig vergessen. Palle schien wie eingefroren, Stegi und Tim am Rand kuschelten sich noch enger zusammen, als sie ohnehin schon beieinander saßen und durch Taddl ging ein kurzes Beben, als schüttelte er sich innerlich. Seine tiefe Stimme war ganz rau als er flüsterte: "Dann muss der letzte unter uns sein..."

Er hatte Recht. Tobi, Rafi, Pepe und noch jemand waren unsere Verräter. "Okay, dann gehen wir! Die haben einen Kompass, aber wenn wir in Bewegung bleiben, können wir ihnen vielleicht lange genug ausweichen!", schlug ich vor. Stegi war es, der gleich darauf hastig den Kopf schüttelte. "Hier haben wir die Hütte! Da drin können wir uns verstecken und es gibt nur einen Eingang!"

"Und keinen Ausweg", konterte Ardy mit verschränkten Armen.

"Ich wäre auch dafür, dass wir gehen", murmelte Taddl. Palle war hingegen völlig unentschlossen.

"Dann teilen wir uns auf", entschied Tim kurzerhand, "Wir bleiben jedenfalls!"

"Ich auch."

P-patrick... Ich verstand gut, dass er nicht weiter mit Ardy zusammenarbeiten wollte, aber kurzzeitig hatte ich gehofft, er würde mir zuliebe über seinen Schatten springen! So trennten sich jetzt unsere Wege, er blieb und ich folgte traurig Taddl und Ardy, die entschlossen auf den Wald zustrebten.

Wir waren keine Minute lang gegangen, als Ardy wieder anfing, sich seinem Nebenmann anzunähern. Vorsichtig versuchte er, dessen Finger mit seinen zu umschlingen, zuckte aber zurück, als Taddl ihm seine Hand entriss. Sofort erntete ich einen wütenden Blick, als wäre es meine Schuld gewesen. Mir wurde unwohl. Immer stärker ergriff mich das Gefühl, dass ich hier in der falschen Gruppe unterwegs war und einer meiner beiden Partner gleich seine Karten offenlegte. Und dass es Taddl sein würde...

Er wäre theoretisch und logisch gesehen wahrscheinlicher als Ardy. Er hatte stets kaum eine Regung von sich gegeben, wenn die Stimme der Durchsage den Tod eines Mitspielers verkündet hatte. Außerdem, was sollte Ardy davon haben, uns zu verraten, dass Rafi und die anderen einen Kompass hatten? Genau in diesem Moment blieb T plötzlich stehen. Ich tat es ihm gleich, sodass zwischen uns ein Sicherheitsabstand blieb, auf den ich im schlimmsten Fall vertrauen konnte. "Komm schon!", drängelte Ardy nochmal und wollte seinen Kumpel am Arm weiterziehen, aber dieses Mal wurde er nicht nur abgewiesen, sondern sogar beiseite gestoßen, nicht wirklich stark, doch kräftig genug, um die Botschaft zu verstehen. Mit einem entrüsteten Schnauben verpasste er Taddl noch eine saftige Ohrfeige, dann lief er davon. Mich würdigte er dabei keines Blickes.

Mir wurde kalt. Jetzt waren wir zurück am Anfang. Nur wir beide, tief in mir die Angst davor, dass mein Gegenüber gleich seine Maske ablegen würde, niemand war hier, der mir in diesem Falle helfen konnte. Abwartend trat ich auf der Stelle umher, ständig bereit zur Flucht. Na los, was gab es denn jetzt so wichtiges, dass er stehengeblieben war?

In Zeitlupe wanderte Taddls Hand hinauf zu seiner schmerzenden Wange, während sein Blick stumpf am Boden kleben blieb. Ich wurde ungeduldig. Als sein Kopf dann aber plötzlich nach oben ruckte und er mich fixierte, erschrak ich leicht. Seine Augen waren nass und rot vor unterdrückten Tränen. "Es tut mir so leid Manu", wisperte er leise, sodass ich es kaum verstand. Seinem vorsichtigen Schritt nach vorne auf mich zu folgte meiner rückwärts wie eine einstudierte Choreografie. Er schluchzte: "K-kann ich es wieder gutmachen? Wenn wir hier rauskommen, gibst du mir b-bitte eine zweite Chance? Es gab das letzte halbe Jahr keinen Tag, an dem ich nicht an dich und unsere Freundschaft gedacht habe und meine Entscheidung bereue!"

"Wenn wir hier wieder rauskommen?", fragte ich mit banger Stimme, "Werden wir das Spiel überhaupt zusammen verlassen können?"

Er zuckte zusammen. "Bist du unser Traitor?", wollte er fahrig wissen, aber ich verneinte. "Du?"

"Nein..."

Er probierte wieder, sich mir um einen Schritt zu nähern und dieses Mal ließ ich es zu. Ich wollte mich nicht mehr meiner inneren Stimme widersetzen. Auch ich vermisste ihn, brauchte ihn, wollte ihn wiederhaben. Vielleicht waren das hier gerade auch unsere letzten Minuten, und wenn sie das waren, dann wollte ich meinem alten Freund verzeihen. Sekunden später schloss er mich auch schon in seine starken Arme und vergrub sein verheultes Gesicht an meiner Schulter. Beruhigend streichelte ich ihm dabei über den Rücken. Es tat so gut, seine Nähe und seine Wärme zu fühlen! "Danke Manu! Dankeschön!", brachte er noch hervor, "Ich verspreche dir, dass ich sowas dummes nie wieder mache! Dafür ist mir unsere Freundschaft zu kostbar!" Ich lächelte glücklich und blinzelte rasch, um die Tränen zurückzuhalten.

GLPaddl war wieder vereint!

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now