16.

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POV Rafael

Ich konnte nicht mehr klar denken. Das für mich Unvorstellbare war passiert. Ich hatte meinen Jungen verloren, nein, ich hatte ihn nicht beschützen können! Meinen Tobi... Das würde Michael mir büßen!

"Rafi, krieg dich wieder ein! Sonst knallen die dich als nächsten ab!" Tim hatte sich über mich gebeugt und redete eindringlich mit ernster Stimme, aber besorgtem Gesichtsausdruck auf mich ein. Langsam lichtete sich der rote Schleier vor meinen Augen und tief durchschnaufend vor unterdrückten Gefühlen nickte ich. Tim lächelte mitleidig und zog mich in eine kurze, kumpelhafte Umarmung. "Es tut mir leid für dich. Ich wünschte, es wäre anders gekommen!" Leere Worte. Wäre Stegi an Tobis Stelle gewesen, hätte er wie ich gehandelt. Aber in einer Sache hatte er Recht. Ich musste das Unschuldslamm spielen, denn ich hatte eh schon viel zu viel Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Und wenn Tobi Recht gehabt hatte, würden sie uns zu ihrem eigenen Wohl opfern, um der Simulation zu entkommen.

Aber Tim war die falsche Person, um meine Bedenken mit ihm unbedacht teilen zu können. Mein Blick huschte zu Takaishii, der unentwegt Selfie beobachtete, eine tiefe Sorgenfalte in der Stirn. Seine Augen sprühten geradezu unruhige, rote Funken. Ihn konnte ich vielleicht überreden, mit mir zusammenzuarbeiten. Genauer gesagt blieb ihm gar keine andere Wahl, wenn er leben wollte!

"Kay Tim, ich hab verstanden", murmelte ich möglichst reuevoll und wurde von meinen beiden Klammeraffen links und rechts endlich losgelassen. Mein erster Weg führte dann auch trotz meines Vorhabens zuerst zu meinem Freund, der dem Druck dieses kranken Psychospielchens nicht mehr standgehalten hatte und ihm zum Opfer gefallen war. Tobi... Mit bebenden Händen schloss ich seine jetzt für alle Mitspieler sichtbaren, rötlich glimmenden Augen und zog ihn ein letztes Mal an mich. Er hatte das nicht verdient. Nicht wirklich. Seine Angst hatte ihn dazu getrieben, das war doch nur vollkommen menschlich! Und während ich ihn noch umklammert hielt, kam mir plötzlich die zündende Idee. Natürlich! Izzi hatte es doch vorhin gesagt! Es war noch nicht zu spät! Ich konnte Tobi zurückbekommen!

Langsam richtete ich mich wieder auf, versuchte meine Aufregung zu verstecken und ging dann zu Takaishii hinüber. Ich musste gleich mit ihm reden, aber erst, wenn es sicher war und mich möglichst niemand mehr beobachtete. Und der Plan ging auf, die übrig gebliebenen jungen Männer verteilten sich nach und nach in Zweier- oder Dreiergrüppchen auf der Lichtung, schauten wachsam um sich und hielten ihre Waffen griffbereit. Die Anspannung war beinahe mit bloßen Händen zu fassen, in so dicken Schwaden hing sie bereits wie eine Nebelbank über unseren Köpfen und drohte uns vollständig einzunehmen. Bis dahin sollten wir lieber hier weg sein!

"Taka, du willst hier doch sicher lebend weg", begann ich ihm leise zuzumurmeln und er schaute mich ängstlich an. "Das wollen alle", antwortete er vage und entlockte mir ein frustriertes Schnalzen: "Guck mal, die haben quasi alle eine Freifahrtkarte und wir haben uns unser Schicksal nicht ausgesucht!" Als der Kerl noch immer nicht reagierte, wurde ich ungeduldig. "Hey, du müsstest nicht mal schießen! Du sollst nur mitkommen, denn hier wird früher oder später die Hölle losbrechen! Hierzubleiben ist Selbstmord, also komm!"

Endlich zwinkerte mein Gegenüber heftig und nickte leicht. Wurde auch Zeit, dass er das einsah! Leicht wankend ging er zu Selfie und kniete sich neben ihn, da der Jüngere noch immer Miks Leiche auf seinem Schoß liegen hatte und ihn seit mehreren Minuten nur noch völlig versunken anstarrte. Ich hörte, wie er ihm etwas zuflüsterte und gerade wieder gehen wollte, als sich ängstliche Hände um seine Arme klammerten. Er streifte sie bestürzt ab, aber Selfie ließ nicht locker und folgte ihm so schnell es ging. "Nein, das ist zu gefährlich! Bring dich irgendwo in Sicherheit!", befahl Pepe ihm mit gepresster Stimme, aber es war sinnlos, Selfie blieb ihm an den Fersen wie ein Schoßhund. Seine Augen waren seltsam leer und er starrte mich an, während er die Puzzleteile in Sekundenschnelle zusammenfügte. "Ihr seid Traitor, richtig? Ihr wollt Dado und Zombey nach und sie umbringen..?" Taka nahm ihn in seine Arme und begann bestürzt und leise zu weinen, also nickte ich an seiner Stelle. "Ich brauche ihre Punkte für einen Defibrillator, um Tobi wiederzubeleben. Ich gehe hier nur mit ihm raus, koste es was es wolle!"

Pepe neben mir war nicht mehr zu retten, er presste seinen Kumpel an sich, als wolle er mit ihm verschmelzen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass von ihnen beiden nur einer gewinnen konnte. Aber ich musste vorwärts denken, Tobi und ich konnten zusammenbleiben, wenn ich mich geschickt genug anstellte! Wir würden keins der unglücklichen Paare sein, die dieses Spiel früher oder später auseinander riss!

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now