9.

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POV Manu

Taddl hatte es geschafft, mein Handgelenk zu packen, als der Zähler geendet hatte! Während wir nun ins eigentliche Spiel gewarpt wurden, hatte ich das Gefühl, als wickelte sich eine Boa um meinen Arm und zog ihren Würgegriff rasch immer enger. Es wurde so unangenehm, dass ich am liebsten geschrien hätte, aber es war zum Glück so schnell vorbei, wie es gekommen war. Ich konnte die Augen wieder öffnen und stand Taddl genau gegenüber. Er klammerte sich immer noch an mich. "Fass mich nicht an!", knurrte ich und verpasste ihm eine Ohrfeige als er nicht augenblicklich parierte. Ein erschrockenes Zucken wanderte durch seinen Körper und rasch ließ er mich los, schien diese Entscheidung aber auch gleich darauf schon wieder zu bereuen. "Manu.. bitte hör mir zu! Es tut mir leid! Ich- warte doch bitte!" Aber es war mir egal. Seine Worte, die Hoffnung, die sie in mir auslösten, sie schmerzten und ließen mein Herz verkrampfen. Also rannte ich los, in irgendeine Richtung, nur Hauptsache weg von Taddl! Er hatte mich einmal hintergangen und sollte es kein zweites Mal schaffen!

Ich hörte wie er mir folgte und stetig zu mir aufholte. Scheiß Asthma! Ich hatte wirklich null Ausdauer und bald schon spürte ich wieder den Schraubstockgriff um meine Unterarme. "Manu, ich hab gesehen, dass du mir schreiben wolltest, vor einem Monat als ich den Chat erstellt hatte! I-ich wollte dir auch etwas sagen, aber- autsch!" Da ich mich nicht durch ringen und winden befreien konnte, begann ich mit meinem Füßen wild um mich zu treten und hatte ihn dabei wohl am Schienbein erwischt. Er verzog sein Gesicht und drohte einzuknicken, aber er blieb standhaft: "Stop, hör mir zu! Es liegt an A-ardy, okay? Wenn er nicht-!"

"T?"

Ich spürte Taddls Arme im gleichen Moment erschlaffen, als die Stimme, diese Stimme, durch die Bäume zu uns drang. Die hohen Wedel eines Strauchs bebten heftig, dann zwängte sich Ardy aus ihm hervor und rannte auf seinen Kumpel zu. Ich sah noch die leise Verzweiflung aus den hellblauen Augen blitzen, bevor er seinen Blick geschlagen abwandte und sich von dem Neuankömmling einen Kuss auf die Wange drücken ließ.

Irgendwas in mir wurde eiskalt. Es war ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte. Es war wie Enttäuschung, aber noch stärker. Als würde aus mir wie aus einem Ballon sämtliche Luft herausgedrückt. Fassungslos starrte ich das Profil von Ardy an, Taddls stumpfen, zu Boden gerichteten Blick und wie seine widerstandslosen Hände von fremden Fingern durchwoben und festgehalten wurden. Sie waren... zusammen?

Bewegung kam in meinen Körper zurück und ohne das ich aufgehalten wurde, verschwand ich von diesem Anblick. Sie riefen mir nicht einmal mehr nach. Hah, ich hatte Recht gehabt! In Wirklichkeit scherte Taddl sich kein bisschen um mich! Sobald er Ardy hatte, war ich Luft für ihn! Es war gut von mir gewesen, ihm nicht wieder zu vertrauen! Aber warum fühlte ich deswegen nicht einmal einen Funken von Triumph oder Stolz darüber, meinem Instinkt gefolgt zu sein? Weil du ihm in Wahrheit vertrauen möchtest. Weil du willst, dass alles wieder so ist wie früher, bevor er dich verlassen hat. Für Ardy! Ich nickte für mich, während ich weiter durch den Wald stolperte. Durch den Trubel eben hätte ich beinahe vergessen, auf meine Umgebung zu achten und als ich mich kurz zwang, stehenzubleiben und mich umzusehen, staunte ich nicht schlecht. Es sah alles unglaublich real aus, das von Morgentau getränkte Gras um meine Schuhe, die meterhohen, immergrünen Bäume, sogar an das Knistern von Nadeln, Zweigen und vertrockneten Blättern unter meinen Füßen war gedacht worden. Unglaublich! Das musste der größte Sprung in der Entwicklung von Videospielen seit der Colourierung sein! Die brüchige Rinde fühlte sich sich so real an, dass ich kurz daran zweifelte, ob ich tatsächlich noch im Spiel war, oder nicht doch gerade einen echten Wald besuchte.

Als ich aber beinahe über etwas stolperte, das metallisch glänzend vor mir auf dem Boden lag, erübrigten sich meine Zweifel. Eine Shotgun. Wir waren tatsächlich noch im Spiel und es würde sicherlich nicht lange dauern, bis auch die anderen Mitspieler die verstreuten Waffen, Munitionspacks und Granaten fanden. Da ich vorhin weder bei Taddl, noch bei Ardy etwas besonderes bemerkt hatte, ging ich davon aus, dass ich ein Innocent geworden war. Bei sechzehn Mitspielern gab es ganz sicher einen Detective. Und vier bis fünf Traitor, da war ich mir nicht mehr ganz sicher.

Auch wenn wir alle zuerst die Map erkunden wollten, nahm ich die Shotgun vorsichtshalber mit mir und schnallte sie auf meinem Rücken fest. Sicher war sicher! Und dass das die genau richtige Entscheidung gewesen war, hörte ich wenige Sekunden später. Schüsse durchschnitten die Stille, ohne dass ich herausfinden konnte, aus welcher Richtung sie kamen. Krähen flatterten von dem plötzlichen Lärm aufgeschreckt aus den Baumkronen und krächzten wild durcheinander, doch sie konnten nicht die sanfte Frauenstimme aus der Lobby übertönen, die nun verkündete: "Mitspieler Sturmwaffel ist gefallen. Sein Status: Innocent!"

TTT - Wem kannst du noch trauen?Where stories live. Discover now