Senna Quince | Kapitel 2

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Zwei Tage später war es endlich so weit.

Der Tag der Ernte. 

Den ganzen Tag war ich schon nervös gewesen. Ich hatte die meiste Zeit mit den anderen am Strand verbracht, um mich abzulenken, aber jetzt, kurz bevor wir los mussten, wurde ich nervös. 

Nicht weil ich mich melden würde. Eher davor, dass ich nicht stark genug wirkte, wenn ich auf die Bühne ging. 

Es klopfte an meiner Tür und mein Vater steckte seinen Kopf herein.

„Alles klar bei dir?“, fragte er leise.

„Sicher“, gab ich zurück und lächelte ihn an. 

Vorsichtig trat er ganz in mein Zimmer und schaute sich unschlüssig um, ehe er seufzte.

„Ich bin stolz auf dich Kleines. Alleine das du den Test bestanden hast ist mehr, als ich oder deine Mutter jemals geschafft hatten.“

„Ich wünschte nur sie könnte es sehen.“, gestand ich und setzte mich auf mein Bett. 

Mein Vater setzte sich zu mir und schaute mich ernst an.

„Sie wäre ebenfalls stolz auf dich, wenn sie hier sein könnte.“

„Ist es wirklich okay für dich? Ich bin gut und ich habe gute Chancen auf den Sieg aber wir wissen alle, dass die Arenen oft ihre Tücken haben. Nicht jeder kommt heim, auch wenn er den Test bestanden hatte.“

„Ich glaube an dich und das solltest du auch. Nur wer auch zurück kommen will, hat eine Chance.“, erklärte er mir und küsste mich auf die Stirn. 

Ehe ich etwas erwidern konnte, ertönte zum ersten mal das Signal, dass alle sich auf den Marktplatz zu versammeln hatten. 

Ermutigend lächelte mich mein Vater an. 

„Ich komm dann nachher nochmal zu dir.“

Kurz drückte er meine Finger, ehe er wieder das Zimmer verließ, damit ich mich fertig machen konnte.

Seufzend zog ich schnell einen Rock und eine passende Bluse an, ehe ich mich auf den Weg machte. 

Marxs und Felt warteten schon auf mich. Nur Reeta war nirgendwo zu sehen.

Als ich die beiden danach fragte, zuckten sie nur mit den Schultern.

„Sie wollte schon vorgehen.“, meinte Felt.

Sie ließen mir nicht wirklich Zeit darüber nachzudenken, da sie mich in der nächsten Sekunde auch schon zur Anmeldung zogen. 

„Dann bis nach der Ernte oh große Tributin.“, spaßte Marx und ich boxte ihn gegen die Schulter.

Lachend machten sich die Beiden zu den Reihen der siebzehn jährigen auf, während ich versuchte Reeta zu sehen. Da sie auch schon siebzehn war, standen wir nie beieinander. 

Noch war ich sechzehn Jahre und somit die jüngste in unserem Bunde.

Ein Friedenswächter drängte mich in weiter zu gehen, wodurch ich meine Freundin nicht sehen konnte. 

Egal. Dann eben nach der Ernte. 

Es dauerte nicht lange und die Zeremonie begann. Der Bürgermeister hielt eine ausschweifende Rede, über unseren Distrikt und wie wir eine neue Chance hatten zu beweisen, wie stark wir waren.

Danach gab er ab an unseren Betreuer. Sein Name war Fillus Caesus. Wenn sein Name nicht schon lächerlich war, so war es sein aussehen. Er war riesig, dafür aber um so schlanker, dass er fast wirkte, als würde er beim leichtesten Windstoß zerbrechen. 

„Willkommen meine Lieben, willkommen. Die Ernte der 65 alljährlichen Hungerspiele. Ist das nicht fabelhaft?“, begann er und bekam auch seinen gewünschten Applaus. 

Einige Distrikte weigerten sich regelrecht jedes Jahr, bei der Show mitzumachen. Ihre kleine Rebellion hatte jedoch nur zur Folge, dass es ihre Tribute um so schwerer haben würden. Dumm und stur wie sie waren, interessierte es sie nur nicht.

„Dann lasst uns gleich beginnen. Ladys First.“; zwitscherte Fillus erneut ins Mikrophon und ging zu der Glasurne mit den Mädchennamen. 

Ich atmete tief ein, um mich bereit zu machen, meine Hand in die Luft zu werfen, so wie er nach freiwilligen fragen würde, als er den Namen verlas.

„Senna Quince.“

Oh... so ging es natürlich auch. 

Kurz schaute ich verwirrt hin und her, ehe ich breit grinste. 

Während mir die Mädchen noch einmal gratulierend auf die Schultern klopften, ging ich aufrecht nach vorne. Mein Gesicht, so hoffte ich zumindest, eine entschlossene Miene. 

Von Friedenswächtern umzingelt, wurde ich nach vorne gebracht und betrat die Tribüne, wo Fillus mir die Hand reichte. 

„Senna Quince meine Damen und Herren. Gibt es Freiwillige?“

Nun dürfte niemand seine Hand heben.

Diesen Platz hatte ich mir verdient. 

Ich war die Gewinnerin gewesen und durfte somit in die Spiele.

Um so erstaunter war ich, als eine Hand nach oben schoss.

„Ich melde mich freiwillig.“, erklang eine mir nur zu bekannte Stimme und ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. 

Bösartig grinsend trat Reeta aus den Reihen der siebzehnjährigen Mädchen und kam hochnäsig nach vorne gelaufen. 

Am liebsten hätte ich mich auf sie gestürzt.

Verrat. Mein ganzer Körper schrie danach. 

„Nun dann. Scheint das du dieses Jahr noch nicht dran bist, Senna.“ , meinte Fillus.

Gerade als ich etwas erwidern wollte, zogen Friedenswächter mich von der Bühne, um Reeta Platz zu machen. 

„Und du bist?“, fragte der Betreuer und ich schaute erstarrt auf das Mädchen, von dem ich gedacht hatte, dass sie meine Freundin wäre.

„Reeta. Reeta Stones.“ 

„Nun Reeta, gibt es einen Grund, dass du dich gemeldet hast?“

Ihr Blick fiel auf mich und nur ich sah, wie ihre Augen hinterhältig blitzten, ehe sie schauspielerisch schniefte.

„Senna ist meine beste Freundin. Ihr Vater hat doch nur noch sie. Da musste ich mich doch melden.“

Ein mitfühlendes Raunen ging durch die Menge, was mich zum Toben brachte.

„Du verdammtes Miststück“, brüllte ich, so laut ich konnte. 

Doch niemand beachtete mich, in den Armen der Friedenswächter, die damit zu tun hatten, mich festzuhalten.

Fillus wand sich einfach nur zu der Urne, mit Jungennamen und ich überlegte fieberhaft, was ich machen konnte. 

„Und der männliche Tribut, meine Damen und Herren... Finnick Odair.“ 

Mein Blick huschte zu den Jungen. Der Name sagte mir nicht wirklich etwas aber es konnte sein, dass er auf der Akademie war und eher einer der ruhigeren. 

Ich hoffte auf einen achtzehnjähriger, der Reeta gleich das fürchten lehrte, doch er trat aus der Reihe der vierzehnjährigen.

Trotzdem.

Er war groß und muskulös für sein Alter.

Keine Angst war in seinen Augen.

Er war ein Sieger, dass sah ich sofort. 

Ohne das Gesicht zu verziehen trat er auf die Bühne. 

Natürlich meldete sich niemand freiwillig für ihn. Niemand hatte den Test bestanden.

Als die Hymne von Panem verklang und die beiden in das Justizgebäude gebracht wurden, loderte der Hass in meinen Adern. 

Reeta hatte mich verraten. Warum wusste ich nicht, aber es war mir auch egal. 

Alles was ich wollte, war sie leiden zu sehen.

Senna Quince | Geboren um zu töten Where stories live. Discover now