Senna Quince | Kapitel 5

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Nach dem Unterricht lief ich wieder zum Strand.

Zwar war die Sonne schon am untergehen, aber es war immer noch warm genug.

Schnell zog ich meine Kleider aus und rannte lächelnd den Ozean entgegen. 

Meine Mutter war vielleicht ertrunken aber deswegen hatte ich nie wirklich Angst vor dem Wasser. Hier in Distrikt Vier war es ein Teil von uns.

Entspannt machte ich ein paar Züge bis ich mich einfach auf das Wasser legte und in den Himmel schaute. Ich ließ mich treiben und genoss den beruhigenden Effekt den der Ozean immer auf mich hatte.

Übermorgen würde ich in die Arena gehen. Ziemlich sicher war dort kein Meer vor zu finden, höchstens ein See. Ich musste also eine ganze Weile ohne diesen Genuss auskommen. Vielleicht für immer.

Ich war nicht dumm. Egal wie gut man war, jeder konnte in den Spielen sterben. Es waren schon ganz andere siegessicherer Kandidaten von einen Außenseiter geschlagen wurden. Zufall und Glück waren auch ein wichtiger Faktor. 

Ein Faktor der hoffentlich auf meiner Seite war...

Ein Pfeifen riss mich aus meinen düsteren Gedanken und ich schaute auf.

Finnick stand am Strand und winkte mich zu sich. 

Im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob ich den Frieden trauen sollte. Schließlich hatte ich eine Horde Mädchen auf ihn gejagt aber ich beschloss das Risiko einzugehen.

Auf alles gefasst schwamm ich zum Ufer, wo Finnick mir jedoch nur ein Handtuch zu warf, ehe er sich in den Sand fallen ließ. 

Schnell trocknete ich mich ein wenig ab, ehe ich mich neben ihn fallen ließ. 

„Das war nicht nett.“, beschwerte sich Finnick schmunzelnd.

„War auch nicht so geplant.“, konterte ich, was ihn ein leises Lachen entlockte, ehe er wieder ernst wurde.

„Ihr zwingt mich also, in meinem ersten Jahr als Mentor, für euch beide dazustehen und dabei zuzusehen, das zumindest einer stirbt.“

„So ist das Leben Finnick. Im Gegensatz zu den meisten anderen Distrikten sind wir jedoch vorbereitet und können selber wählen.“, gab ich leise zurück, „Sie es so. Immerhin musste du keinen Kindern beim sterben zusehen, die nie dort hinwollten.“

„Du findest immer Argumente, oder?“, meinte Finnick und ich kuschelte mich ein wenig an ihn. 

Noch etwas, was ich vor einem Jahr nie gemacht hätte. Weder mit Marxs, noch mit Felt oder Reeta. Mit Maze und Finnick war es jedoch etwas anderes. Sie waren wie Brüder für mich geworden und gehörten einfach dazu. 

„Du passt also wieder auf ihn auf?“, brach Finnick das Schweigen nach einer Weile. 

„Zumindest bis zum Ende. Ich werde nicht für ihn sterben Finnick.“

„Würde ich auch nie von dir verlangen. Wie du schon gesagt hast. Ihr habt euren Weg selber gewählt. Maze weiß, was er tut, genau wie du.“

Ich musste schmunzeln, wenn ich darüber nachdachte, wie Reeta ein Jahr zuvor darauf reagiert hatte. Unverständlich und anders. 

„Wie geht’s dir dabei?“, fragte ich, „Ich meine, wieder ins Kapitol zu müssen?“

Kurz schwieg Finnick. Ich sah regelrecht wie dunkle Erinnerungen durch seine Gedanken zogen und drückte mich deshalb ein wenig fester an ihm, damit er merkte, dass er nicht allein war. Es hatte lange gedauert, bis er sich mir anvertraut hatte, nachdem er von den Spielen zurück gekehrt war. Niemanden sonst hatte er je davon erzählt. Nicht einmal Maze. Doch die Erinnerungen quälten ihn. Zwar versuchte er sich immer hinter seinen charmanten Lächeln zu verbergen, aber für ihn war es nach den Spielen nur um so schlimmer geworden. 

„Schwieriger als sonst.“, brachte er endlich hervor und ich spürte, wie ein zittern durch seinen großen Körper ging. 

„Tut mir Leid.“

„Ist ja nicht deine Schuld.“, schmunzelte er traurig, ehe er seinen Kopf gegen meinen legte. „Du weißt, dass wenn du gewinnen solltest, dir ähnliches widerfahren kann.“

Ich erinnerte mich daran zurück, wie er mir zum ersten mal erzählt hatte, was sie mit ihm gemacht hatten. Er war gerade einmal vierzehn gewesen. Was hätte er schon dagegen tun sollen? Wenn er sich gewehrt hätte, hätten sie ihn bestraft. Snow hatte ihn in der Hand. Und trotzdem hatte er sich schuldig gefühlt. Wertlos. Es hatte mich einiges an Zeit gekostet, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. 

„Dann bist du für mich da, wie immer.“, brachte ich deswegen wahrheitsgemäß heraus, „Und dann bist du nicht mehr allein.“

„Ich sag doch... immer schaffst du es, noch etwas gutes herauszuziehen.“, flüsterte Finnick, ehe wir schweigend wartete, bis die Sonne komplett untergegangen war. 

Finnick zog mich in seine Arme, da der Verlust der Sonne, die Temperatur schnell sinken ließ. 

Leicht döste ich an seiner Schulter und genoss den kurzen Frieden, als ich merkte, wie er den Kopf trete.

„Wer ist das? Ich hab sie noch nie hier gesehen?“

Neugierig von seinen Worten öffnete ich die Augen und schaute auf das jüngere Mädchen, was alleine am Strand stand und auf die Wellen starrte. Dunkles lockiges Haar fiel ihr weit über die Schultern und ich lächelte traurig. 

„Das ist Annie.“, erklärte ich ihm und er schaute mich verwirrt an. „Sie wohnt erst seit kurzen im Haus nebenan.“ 

Verstehend nickte Finnick, während er weiter auf das Mädchen starrte. 

Im Haus nebenan wohnte, Mania, eine ältere Frau. Sie nahm sich Kindern an, die niemanden mehr hatten. Ihr Haus war eigentlich immer voll. Zur Zeit lebten, mit Annie, zehn Kinder bei ihr. 

Annie war erst wenige Wochen da. Ich hatte keine Ahnung, was mit ihrer Familie passiert war. Mein Vater sprach oft mit Mania, die meinte, dass das arme Ding noch kein einziges Wort gesagt hatte, seit sie bei ihr war. Doch wenn sich unsere Blicke trafen, lächelte sie mich jedes mal zögerlich an. Sie war eindeutig ein gutes Mädchen und ich wünschte mir, ihr irgendwie mehr helfen zu können. 

Eine Weile blieb sie stehen, ehe sie sich abwandt und leichtfüßig wieder verschwand. 

Finnick starrte ihr hinter her, sein Gesicht eine Maske der Verwirrung.

„Wir sollten auch gehen. Es wird kalt.“, meinte er nach einer Weile und ich nickte zustimmend.

Schnell suchte ich meine Sachen zusammen und zog sie einfach drüber. 

„Wollen wir morgen schwimmen gehen. Du, Maze und ich?“, schlug ich vor, während wir uns auf den Heimweg machten.

Finnick bestand immer darauf, mich nach hause zu bringen. 

„Ein letztes mal, alle zusammen?“, gab er zurück und schaute mich an. 

Zwar versetzte mir der Gedanken einen leichten Stich aber daran musste ich mich gewöhnen. Wenn Maze und ich in die Spiele zogen, könnte nur einer von uns beiden wiederkommen oder eben keiner, auch wenn ich das nicht zulassen konnte. Finnick hatte schon genug verloren im letzten Jahr. Zumindest einer von uns beiden würde wieder zu ihm kommen. Deswegen nickte ich entschlossen und er lächelte.

„Klingt gut.“ , meinte Finnick und grinste mich an, „Zumindest, wenn du keine Horde Mädchen mehr auf mich jagst.“

Nun musste ich lachen, was mir einen freundschaftlichen Schubser seinerseits bescherte. 

„Okay okay. Versprochen.“, brachte ich nach einer weile, außer Atem, hervor. 

Grinsend drückte er mich ein letztes mal an sich, da wir vor meinem Haus angekommen waren. 

„Dann bis morgen.“, meinte er und verschwand dann auch schon in die Dunkelheit. 

Einen Moment schaute ich ihn hinterher. Er schien regelrecht von der Dunkelheit umschlossen und gefangen genommen zu werden. 

Schnell schüttelte ich den Kopf. Darüber durfte ich nicht nachdenken. 

Ich würde alles versuchen um wiederzukommen, aber wenn nicht, würde Finnick auch alleine klar kommen.

Zumindest hoffte ich das für ihn.

Senna Quince | Geboren um zu töten Where stories live. Discover now