Senna Quince | Kapitel 21

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Ich wand meinen Blick von dem Jungen ab und schaute zu Yarrow der immer noch am Boden hockte. 
„Alles okay?“, fragte in dem Moment auch schon Velvet. 
„Hab mir den Fuß verrenkt“, brachte er hervor, wodurch er nun von allen die Aufmerksamkeit hatte. 
Auch eine kleine Verletzung konnte in manchen Momenten über Tod oder Leben entscheiden.
„Warum hast du auch eingegriffen, ich hatte alles unter Kontrolle?“, beschwerte sich nun Ivy.
Als Antwort hielt Yarrow nur eine selbstgebastelte Waffe nach oben. 
Ich schaute genauer hin und sah einen spitzen Stein, der an ein Stück Holz gebunden war. 
Nicht perfekt aber doch keine schlechte Waffe, wenn man sonst nichts hatte. 
„Ach ja? Damit in den Rippen hättest du weiter kämpfen können?“, konterte nun Yarrow, woraufhin Ivy rot anlief. 
Jedoch beachtete sie niemand wirklich, sondern alle Blicke gingen zu Tway. Selbst ich erwischte mich dabei. 
Verdammt. Er hatte es wirklich zu unseren Anführer geschafft.
„Einer ist tot. Besser als nichts.“, meinte dieser, „Lasst uns zurück gehen und sehen, wie schlimm es wirklich um seinen Fuß steht.“
Da niemand etwas einzuwenden hatte, gingen wir wirklich zurück.
Niemand wusste zu dieser Zeit, dass wir noch eine gute Weile in der Arena sein würden. 
Yarrows Fuß war ein Hindernis, aber auch nicht zu sehr. Rennen konnte er nicht aber immerhin hielt er in den nächsten Tage mit. 
Der Junge aus unserer ersten Nachtjagt war aus Distrikt Zwölf gewesen. In der Nacht daraufhin hatte ein anderer endlich wieder ein Feuer gemacht, wodurch wir den Jungen aus Fünf erwischten. Doch seit dem nichts mehr durch uns. 
Tagsüber hielt uns der Nebel auf und auch nachts machte keiner mehr Fehler. Zwar starb noch das Mädchen aus Acht aber auch dies war mittlerweile zwei Tage her.
Zwei Tage in denen die Zuschauer gelangweilt waren.
Wir alle wussten, was dies bedeuten konnte, weswegen wir auch in dieser Nacht wieder auf der Jagt waren. 
Tway nahm mit seinem Tempo keine Rücksicht auf Yarrow aber es war auch nicht möglich. Am Ende war sich jeder von uns selbst am nächsten. 
Dazu kam, dass es die erste Nacht war, in der ebenfalls Nebel herrschte. Noch lange nicht so stark wie tagsüber und doch machte es uns alle nervös. Langsam machte es sich bemerkbar, dass wir seit gut einer Woche keine Sonne mehr gesehen hatten.
Vier Gegner waren noch hier draußen, aber wir fanden sie nicht. 
Am liebsten hätte ich frustriert aufgestöhnt, als Tway endlich eine Pause machte. 
Keiner sagte etwas, als wir uns hinsetzten und auch Maze schaute mich vielsagend an. 
Alle waren wir angespannt, aber mittlerweile war es ein Maß, in dem ein falsches Wort auch schnell den Tod von einen bedeuten konnte. 
„Wie lange wollen wir so weitermachen?“, beschwerte sich Lentil, „Seit Tagen laufen wir jede Nacht dumm durch diesen Wald aber diese Mistkäfer verstecken sich.“
Murrend stimmten Ivy und Velvet zu. 
„Hast du einen besseren Plan?“, brummte Tway nur als Antwort, woraufhin Vine leicht nickte. 
Die beide hatten auch so etwas wie eine Hassliebe entwickelt. 
Vine hatte eindeutig Angst vor Tway, der wiederum die meiste Zeit nur genervt von den Junge aus Distrikt Drei war und doch funktionierten sie als Team. 
Lentil knurrte nur kurz, ehe er wieder den Mund hielt. 
Das bedeutete wohl nein. 
Wir verfielen wieder ins Schweigen.
Gerade als es unangenehm werden wollte, riss uns ein brüllen aus der Ruhe. Jeder von uns sprang regelrecht auf, als auch schon ein Kanonenschuss ertönte. 
Viel zu nah. 
Ich tauschte einen Blick mit Tway und mir wurde bewusst, dass genau das passierte, was wir fürchteten. 
Die Spielmacher schienen einzugreifen. 
Als ich nicht weit hinter dem Jungen aus Distrikt Zwei glühende Augen in der Nebel durchzogenen Dunkelheit sah, zögerte ich keine Sekunde. 
Schnell riss ich meinen Bogen nach oben und schoss. 
Zielsicher traf ich auch, doch es kam kein Schmerzensschrei aus der Dunkelheit, sondern ein tiefes knurren, welches durch meinen ganzen Körper zog.
„Lauft!“
In dem Moment wo Tway den Befehl brüllte und wir alle umdrehten, setzte etwas aus der Dunkelheit nach vorne. 
Ich sah nur dunkles Fell und lange Gliedmaßen, als ich auch schon davon rannte. Mehr wollte ich gar nicht sehen. 
Die Geräusche die das Wesen von sich gab, waren alles andere als freundlich und ich wollte ihm nicht zu nahe kommen. 
Maze und Tway neben mir schienen der gleichen Ansicht, da sie nur so durch das Geäst brachen. 
„Wartet!“, hörte ich auf einmal Vines Stimme hinter mir.
Aus Reflex blieb ich stehen und auch Maze neben mir bremste für seinen Freund ab. Verwunderlicher war Tway, der ebenfalls langsamer wurde und sie umdrehte, während die anderen weiter rannten. 
Ich blickte mich zu den Jungen aus Distrikt Drei um, damit ich herausfinden konnte, was sein Problem war. 
Schaffte er nicht einmal einen kleinen Sprint?
Gerade wollte ich ihn schon an knurren, als ich sah, wer mit schmerzverzerrten Gesicht mehr an ihm hing, an statt selber lief. 
Yarrow war kalkweiß im Gesicht und seinen sowieso schon verletzten Fuß zog er mittlerweile nur noch hinter sich her. 
„Helft mir!“, beschwerte sich Yarrow und auch wenn ich in Maze Gesicht seinen inneren Konflikt sehen konnte, blieb auch er stehen. 
Tway und ich tauschten einen kurzen Blick, während ein Grollen aus nicht all zu weiter Ferne uns klar machte, wie nah die Mutation war. 
Ich schaute zu Yarrow, der nun ebenfalls aufblickte. Seine Augen huschten kurz zwischen uns hin und her, als er zu verstehen schien. 
„Lass mich los.“, keuchte er leise, woraufhin Vine ihn verwirrt anschaute. 
„Spinnst du?“, beschwerte der Junge aus Distrikt Drei daraufhin auch lautstark, „Ihr seit doch alle wahnsinnig.
Yarrow, der einen Kopf größer als Vine war, schubste den Jungen einfach in unsere Richtung, wodurch er selber in die andere taumelte und auf seinen Hosenboden landete. 
„Jetzt geht schon!“, rief nun er, aber nicht nur ich war wie angewurzelt. 
Wir konnten ihn nicht mitnehmen. Wir wären nicht schnell genug, dass war uns allen, bis auf Vine klar. 
Aber so einen tot hatte niemand verdient. 
„Bewegt euch endlich, sonst kriegt er uns alle. Ich lenk ihn ab!“, brüllte Yarrow, ehe er sich auch schon hoch rappelte und in die entgegengesetzte Richtung humpelte. 
Erst jetzt schien Vine wirklich zu verstehen, was der Junge vor hatte. 
Seine Beine wollten ebenfalls in die Richtung gehen, doch Tway packte ihn einfach beim Arm und zog ihn, trotz lauter Proteste mit sich. 
Die Geräusche hinter uns veränderten sich. 
Das Wesen blieb stehen. Ich konnte regelrecht hören, wie es sich auf den Angriff vorbereitete.
„Senna!“, riss mich Maze Stimme aus meiner Erstarrung, während er ebenfalls an meinem Arm zog. „Komm“
Wie in Trance setzten sich meine Beine wieder in Bewegung, als hinter uns auch schon Schmerzensschreie ertönten.
Ein Schaudern lief durch meinen Körper, als ich neben Maze versuchte, immer schneller durch den Nebel zu kommen. 
Der Kanonenschuss, der Yarrows Tod bedeuten musste, erreichte uns, als wir gerade wieder auf Tway trafen, der immer noch einen zappelnden Vine in den Armen hielt. Tränen liefen über seine Wangen. 
Ich konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. 
Der Erste von uns war Tod und es schmerzte mehr, als ich mir eingestehen wollte.

Senna Quince | Geboren um zu töten Where stories live. Discover now