Kapitel 8

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Als ich das Großraumbüro erreiche, bin ich komplett außer Atem. Nachdem der Aufzug nach 5 quälend langen Minuten immer noch nicht kam, entschloss ich mich die Treppe zu nehmen. Mein Arbeitsplatz befindet sich nicht gerade im Erdgeschoss des riesigen Bürogebäudes und so erwische ich einige Kollegen dabei, wie sie mir fragende Blicke zuwerfen. Naja, mein Gesicht dürfte knallrot sein, von meinen japsenden Atemzügen mal ganz zu schweigen... Wahrscheinlich würde ich mich genauso anstarren. Als ich an meinem Schreibtisch ankomme, hebt Matt den Blick und sieht mich an. "Alles okay mit dir?" Ich reiße mich zusammen, setze ein Lächeln auf und sage "Jap, alles gut. Der Aufzug ging nicht und ich wollte nicht zu spät kommen, also hab ich die Treppe genommen!" Als wäre die ganze Situation nicht grotesk genug, höre ich hinter mir das vertraute "Ping" des Aufzuges und Gabriel läuft eiligen Schrittes durch das Büro. Als ich Matt daraufhin wieder ansehe, grinst er mich an und sagt schließlich "Klar, der Aufzug war kaputt." ich seufze, muss dann aber ebenfalls lachen. Matt weiß wie ungeduldig ich sein kann und für einen kleinen Moment, fühlt es sich wieder an wie vor dem ganzen Beziehungsdrama, es fühlt sich an, als wären wir einfach nur zwei Kollegen, die sich gut verstehen. Ich vermisse diese Zeiten. Ich fahre meinen Computer hoch und während ich meine Mails überfliege, vergesse ich das Zusammentreffen mit dem unheimlichen Typ von heute Morgen.

Als ich auf die Uhr schaue, ist es schon nach halb 1 und mein Magen macht sich bemerkbar. Ich sehe zu Matt hinüber, der fluchend auf seiner Tastatur herumtippt. "Matt, ich habe Hunger, ich..." "Ja ich auch. Lass uns zu Bob gehen und ein Sandwich essen" unterbricht er mich und schnappt sich seine Jacke. Ich bin baff. Was ich mit Matt passiert? Wohin ist all seine Wut und seine Abneigung mir gegenüber?! Ich entschließe mich dazu, einfach mal nichts zu hinterfragen und folge Matt in Richtung des Aufzuges. Als sich die Türen hinter uns schließen, merke ich, wie Matt mich aus den Augenwinkeln beobachtet. Im Foyer angekommen, winke ich Lisa kurz zu und signalisiere ihr, dass wir später miteinander sprechen. Eine schöne Freundin bin ich, schließlich weiß ich, dass sie gerade von einem Typen abserviert wurde und statt ihr beizustehen, treffe ich mich mit genau diesem Kerl. Matt bestellt unsere Sandwiches, während ich uns einen der Stehplätze vor Bobs Foodtruck sichere. Ich krame mein Handy aus meiner Handtasche und schicke Daryl eine Nachricht. "Ich mache gerade mit Matt Mittagspause. Ich muss es ihm sagen." Ich lege mein Handy auf den Tisch und sehe in Matts Richtung. Während ich ihm dabei zusehe, wie er unsere Bestellung aufgibt, vibriert mein Telefon. "Prinzessin, meinst du wirklich das ist eine gute Idee, wenn ihr danach noch den Rest des Tages in eine Büro sitzen müsst?" Er hat nicht ganz Unrecht, aber ich kann und will Matt und auch Lisa nicht weiter belügen. Während ich also vor mich hin grübele, kommt Matt mit unserem Essen zum Tisch. Ich liebe die fettigen Sandwiches von Bob, auch wenn ich mir nach jedem Bissen einbilde, er würde sich direkt auf meinen Hüften festsetzen. "Matt," murmel ich zwischen zwei Bissen "hast du vielleicht heute Abend Zeit für mich? Ich muss mit dir reden." Matt nickt und wir vereinbaren, dass er später am Abend bei mir vorbeikommt. Den Rest unserer Pause verbringen wir damit, über das neue Projekt von Gabriel zu sprechen, über Colin und das nächste Konzert von ihm und seiner Band und über den neuesten Büroklatsch. Es fühlt sich herrlich normal an mit Matt zu reden und auch als wir wieder zurück im Büro sind, ist die Stimmung angenehm locker. >Ich bin mir sicher, dass ändert sich schlagartig wenn er erfährt das du mit seinem Bruder schläfst<, ruft mir die kleine Stimme in meinem Unterbewusstsein zu und verflogen ist die Leichtigkeit. Als mir einfällt, dass ich Daryl auf seine letzte Nachricht nicht geantwortet habe, hole ich mein Handy hervor und schreibe ihm schnell "Du hast Recht. Ich treffe mich heute Abend mit ihm, dann werde ich ihm alles sagen!" Gerade als ich mein Telefon wieder in meiner Tasche verschwinden lassen will, fängt es an zu vibrieren. Daryl ruft mich an. Ich werfe Matt einen verstohlenen Blick zu, nehme den Anruf an und rufe dann zu Matt rüber "Ich hol mir unten einen Kaffee, möchtest du auch einen Matt?" Er nickt und lächelt mir zu, während ich mit meinem Handy in Richtung Treppenhaus laufe. "Daryl, ich bin im Büro. Was ist denn?" frage ich und er antwortet "Naja, mir ist nicht gerade wohl dabei, wenn Matt und du euch heute Abend trefft. Allein!" Ich bleibe stehen und muss mir ein Lächeln verkneifen. Ist er etwa eifersüchtig? "Daryl, ich muss mit ihm sprechen. Er hat es verdient die Wahrheit zu wissen..." Ich höre wie er einen langen Seufzer ausstößt. "Okay, Prinzessin. Aber ich spreche mit ihm. Er ist mein Bruder und ich sollte derjenige sein, der mit ihm spricht." Ich will protestieren, denke dann aber über seine Worte nach. Er hat natürlich Recht. Ich bin Matts Freundin, ich WAR Matts Freundin, aber er ist sein Bruder. "Sofie, bist du noch dran?" reißt mich Daryls Stimme aus meiner Lethargie. "Ja, du hast Recht. Wenn er danach mit mir sprechen möchte, kann er ja immer noch vorbeikommen. Matt wollte um 8 bei mir sein." Daryl verspricht, vorher mit ihm zu sprechen. Ich wage es zu bezweifeln, dass Matt wirklich Lust hat im Anschluss mit mir zu sprechen aber wir werden es sehen. Kurz bevor ich das Gespräch beenden will, fällt mir der merkwürdige Typ von heute Morgen wieder ein. "Daryl, warte, da ist noch etwas, was ich dir sagen wollte. Heute morgen als ich mit Balu spazieren war, hatte ich die ganze Zeit das Gefühl beobachtet zu werden und als ich mir dann einen Kaffee holen war, stand plötzlich dieser Typ vor mir und hat mich festgehalten und..." "Welcher Typ? Was meinst du mit >er hat dich festgehalten<? Hat er dir wehgetan?" unterbricht Daryl mich und ich kann die Angst aus seiner Stimme heraushören. "Nein, hat er nicht, also nicht richtig" versuche ich ihn zu beruhigen. "Aber er wusste wie ich heiße und er wollte, dass ich dir liebe Grüße von Marco ausrichte." Stille. "Daryl, bist du noch dran?" "Ja. Tut mir leid, ich muss auflegen." Bevor ich noch etwas erwidern kann, höre ich das verräterische Klicken, welches mir signalisiert, dass Daryl unser Gespräch tatsächlich beendet hat. Ich seufze, stecke das Telefon zurück in meine Hosentasche und mache mich auf den Weg in die Cafeteria. Gut, Daryl wird also mit Matt sprechen. Bleibt nur noch Lisa. Das werde definitiv ich übernehmen! Ich versuche das abrupte Ende meines Gespräches mit Daryl auszublenden, hole zwei große Kaffee am Automaten und mache mich auf den Rückweg ins Büro. 

Um 6 Uhr fahre ich meinen Computer runter und packe meine Tasche. Matt ist bereits vor einer Stunde aufgebrochen und hat mir ein optimistisches "Bis später" zum Abschied zugerufen. Ich glaube allerdings nicht, dass ich ihn heute Abend noch sehen werde...                                              Mich wundert es nicht, Lisa unten zu treffen, sie ist beinahe jeden Abend eine der letzten, die das Gebäude verlässt. Ich gehe lächelnd zu ihr und sage schließlich "Lisa, hast du morgen Abend Zeit für mich? Ich muss etwas mit dir bereden." Sie stimmt zu und wir beschließen, morgen Abend bei ihr gemeinsam zu kochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nach alledem, was ich ihr zu sagen habe, noch mit mir kochen möchte, aber ich hoffe sehr, sie wird mir zuhören und mich nicht für den Rest ihres Lebens hassen. Nachdem ich mit Lisa gesprochen habe, betrete ich die von Menschen wimmelnden Straßen New Yorks. Es ist die typische Zeit in der die Menschen zu Hunderten aus den riesigen Bürokomplexen der Stadt nach draußen strömen, um die letzten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen. In Momenten wie diesen frage ich mich immer, ob ich mich jemals an den Trubel dieser Stadt gewöhnen werde. ..

Zuhause angekommen, schnappe ich mir Balu und wir machen einen großen Spaziergang durch den Park. Je näher sich der Zeiger meiner Uhr auf 8 zubewegt, desto nervöser werde ich. Ob Daryl schon mit Matt gesprochen hat? Wie wird sich Matt mir gegenüber morgen verhalten? Was ist, wenn er zu Gabriel geht und ihn bittet, an einen anderen Schreibtisch gesetzt zu werden? Ich schüttel den Gedanken ganz schnell ab und mache mich auf den Heimweg. Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich kurz vor meiner Wohnung mit einem Typen zusammenstoße. Ich schrecke zurück und mustere ihn dann. Er kommt mir bekannt vor. Ich glaube, ich habe ihn schon einmal auf einer von Daryls Partys gesehen. Er lächelt mir zu und hebt entschuldigend die Hände. "Sorry, mein Fehler!" Ich sehe ihm nach, wie er um die nächste Straßenecke verschwindet. Ob Daryl jemanden beauftragt hat, nach mir zu sehen? Wegen der Geschichte von heute morgen? Ich nehme mir fest vor, ihn nachher zu fragen, wer dieser Marco überhaupt ist und was er von ihm will! Ich laufe eilig die Treppen bis zu meiner Wohnung hinauf, nehme Balu von der Leine und gehe in meine Küche um mir ein Glas Wein einzuschenken. Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz vor 8. Daryl hat sich seit vorhin nicht wieder bei mir gemeldet. Während ich darüber nachdenke, ob ich ihn anrufen soll, bringt mich das Vibrieren meines Handys zurück in die Gegenwart. Ich krame eine gefühlte Ewigkeit in meiner Handtasche herum, bis ich es endlich gefunden habe. Es ist eine Nachricht von Daryl. "Prinzessin... Es tut mir leid!" Ich lege die Stirn in Falten. Was tut ihm leid? Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl. Als ich versuche ihn anzurufen, springt direkt die Mailbox an. Ich schreibe ihm also eine Nachricht. "Daryl, was ist los?? Was tut dir leid?" Während ich mein Handy anstarre, als könnte ich es so dazubringen mir Antworten auf meine Fragen zu geben, klingelt es an meiner Tür. Das muss er sein, denke ich und eile zur Tür. Ich drücke den Türöffner und als ich ein Klopfen an meiner Haustüre vernehme, schaue ich durch den Türspion. Vor meiner Tür steht jedoch nicht Daryl. Es ist Matt! Der Matt, von dem ich dachte, er würde nie wieder auch nur ein Wort mit mir sprechen, nach all dem, was er heute Abend von seinem Bruder gehört hat. Ich öffne die Tür und sehe in Matts Augen, die mich mit so viel Traurigkeit mustern, dass es mir im Herzen wehtut. Ich trete einen Schritt zurück und Matt tritt ein. Er hat die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben und sieht mich an. "Matt, ich...." Er stößt einen Seufzer aus. "Ist schon gut, Sofie. Daryl hat mir alles erzählt." Ich schaue zu Boden und versuche, die Tränen zurückzuhalten. "Ich wollte dir niemals wehtun Matt, das musst du mir glauben!" "Ich weiß. Vielleicht, wenn du mir etwas Zeit gibst, vielleicht schaffen wir es dann.." Ich hebe den Blick und sehe Matt in die Augen. Habe ich mich gerade verhört? Er glaubt wirklich, wir können es schaffen und wieder Freunde werden? Ich lächle ihn an und umarme ihn. Meinen Matt, der das Arbeiten so viel angenehmer macht und der immer ein offenes Ohr für mich hat. Er streicht mir seinen Händen sanft über den Rücken und noch bevor ich es schaffe, wieder etwas Abstand zwischen uns zu bringen, flüstert er mir zu "Ich weiß, dass die Sache zwischen Daryl und dir vorbei ist, Prinzessin. Ich weiß nicht ob ich das alles vergessen kann, aber ich will es wirklich versuchen. Meine Gefühle für dich haben sich nicht verändert". Ein Schauer läuft meinen Rücken herab. Vorbei? Die Sache zwischen mir und Daryl ist nicht vorbei. Wie kommt er darauf?Das mulmige Gefühl von gerade kommt wieder in mir hoch. Die Nachricht von Daryl fällt mir wieder ein. "Prinzessin, es tut mir leid!"

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Is it Love? DarylWhere stories live. Discover now