Kapitel 10

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Daryls Sicht:

Wütend schmeiße ich das Glas gegen die Hauswand, wo es in hunderte kleine Glassscherben zerschellt, während ich beobachte, wie sie davonläuft. Mir ist schlecht. Ich habe förmlich sehen können, wie sehr meine Worte Sofie verletzt haben. "Du hast es nicht anders verdient du Idiot" sage ich zu mir selbst. Wie habe ich auch nur einen Moment lang glauben können, dass es zwischen uns funktionieren wird. Wir kommen aus komplett unterschiedlichen Welten. Sie ist so viel besser als ich es je sein werde. Matt hatte Recht, als er mir sagte, dass ich jeden um mich herum durch meine Geschäfte früher oder später in Gefahr bringen würde. Er wusste von Anfang an, dass ich Gefühle für sie habe, aber sie hat sich für ihn entschieden. Für das Leben, das er sich aufgebaut hat. Fern ab von Kriminalität, alten Gang-Geschichten und Gefahren. Ausgelacht habe ich ihn damals für seine Entscheidung, all dem den Rücken zuzukehren. Und jetzt? Ich wünschte ich hätte es damals wie er gemacht. Es war ein harter, langer Weg aber er hat es geschafft. Sein Leben ist normal, langweilig, aber auch sicher. Nicht nur für ihn, sondern auch für die Menschen, die ihm etwas bedeuten. Und meins? Ich bringe jeden in Gefahr, der mir zu Nahe kommt. Wie oft ist Matt durch meine Geschäfte in Gefahr geraten? Meine Gedanken schweifen zu dem Tag zurück, als diese Idioten die mich aufs Kreuz gelegt haben, Matt mit sich genommen haben, ihn auf der Straße  aus einem fahrenden Wagen geschmissen haben, während Sofie panisch neben mir saß und mich dafür verantwortlich gemacht hat. Wie Recht sie damit hatte.  Dennoch konnte ich es nicht lassen, habe mir immer wieder ausgemalt wie es wäre, wenn ich an seiner Stelle wäre. Wenn sie mich ansehen würde, wie sie ihn angesehen hat. Sie waren glücklich miteinander, hätten es für immer bleiben können. Weit weg von all den Gefahren. Vielleicht hätten sie die Stadt verlassen, hätten geheiratet, Kinder bekommen und ein langes Leben miteinander gehabt. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und versuche diese Gedanken zu vertreiben. Ich weiß, dass es schon damals etwas zwischen uns gegeben hat, aber hätte sie sich jemals von meinem Bruder getrennt, wenn ich es nicht immer und immer wieder versucht hätte? Als sie mir am Telefon von diesem Typen erzählt hat, der sie bedroht hat, ist es mir klar geworden. Was für einen Fehler ich begangen habe. Ich habe einen meiner Jungs beauftragt, Sofie im Auge zu behalten. Der Gedanke ihr könnte etwas wegen mir passieren, hat mich beinahe verrückt werden lassen. Egal welche Möglichkeiten ich in meinem Kopf durchgespielt habe, ich bin immer wieder beim selben Ergebnis angelangt. Ich kann nicht mit ihr zusammen sein, nicht, wenn ich will, dass sie in Sicherheit ist. Also habe ich Matt an diesem Tag nicht etwa erzählt, dass Sofie nun meine Freundin ist, dass ich sie liebe, mit ihr zusammen sein will. Ich habe ihm erzählt, dass etwas zwischen uns gelaufen ist. Ich habe ihm gesagt, dass ich es ausgenutzt habe, dass sie wahrscheinlich zu viel getrunken hat, dass ich mit ihr geschlafen habe und danach gemerkt habe, dass sie einfach nur ein Mädchen wie jedes andere ist. Matt war wütend und wer zur Hölle kann ihm das verübeln. Er hat mich angeschrien, er hat mich geschlagen und ich habe mich nicht gewehrt. Schließlich hat er mich am Kragen gepackt und mich gegen die Wand gedrückt, mir fest in die Augen gesehen und mich gefragt, ob ich sie liebe. Ich habe ihn spöttisch angegrinst, mir das Blut aus dem Gesicht gewischt und gesagt "Nein. Ich hatte nie vor, mich zu verlieben!" Ich stehe auf um die Glasscherben zusammenzusuchen und hoffe dabei inständig, dass ich irgendwann selbst an meine Lügen glaube.

***

Die nächsten Wochen durchlebe ich wie in Trance. Ich stehe auf, gehe mit Balu spazieren, gehe zur Arbeit und versuche nicht zusammenzubrechen. Ich habe das Gefühl, in den letzten Nächten nicht mehr als ein paar Stunden geschlafen zu haben. Ich spüre wie Matts Blick auf mir lastet, er verkneift sich jedoch jeden Kommentar. Die Mittagspause verbringe ich so oft es geht alleine. Hunger habe ich keinen, komme fast ausschließlich  mit Kaffee durch den Tag. Jedes Mal, wenn ich Lisa sehe, weicht sie meinem Blick aus und ich wage es nicht, sie anzusprechen. Ich habe ihr mehrere Nachrichten hinterlassen, ihr sogar einen Brief geschrieben, aber ich weiß, dass nichts den Verrat, den ich an unserer Freundschaft begangen habe, wieder gut machen kann. Gabriel scheint zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung ist, er hat nun schon einige Male gefragt, ob er etwas für mich tun kann, ich mit ihm reden möchte oder ob ich mir einen Tag freinehmen möchte. Ich habe alles dankend abgelehnt. Die Stunden auf der Arbeit sind die einzigen, die ich nicht pausenlos damit verbringe, über Daryl nachzudenken und darüber, dass ich keinen habe, dem ich mein Herz ausschütten kann. Als ich damals nach New York gezogen bin, kannte ich niemanden. Matt und Lisa wurden schnell zu meinen engsten Vertrauten, durch sie fühlte ich mich nicht so verloren in dieser großen, unübersichtlichen Stadt. 

Is it Love? DarylWhere stories live. Discover now