Kapitel 22

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Daryls Sicht

„Eine Bewegung Ortega und ich schieße“ höre ich Marcos Stimme in meinem Rücken und meine Zuversicht über die Tatsache, dass ich Sofie unverletzt gefunden habe, ist verflogen. Vorsichtig bücke ich mich und setze sie auf dem Boden ab um mich kurz darauf zu Marco umzudrehen. Seine Augen blicken hassverzerrt und Schweißperlen rinnen seinen Hals hinab. In diesem Moment wird mir bewusst, dass er genau weiß, dass er keine Möglichkeit mehr hat, unbeschadet aus dieser Situation heraus zu kommen. Gleichzeitig wird mir jedoch auch klar, dass er nun nichts mehr zu verlieren hat. Er wird dafür sorgen, dass er nicht alleine untergeht, soviel steht fest.
„Lass Sofie da raus, sie hat mit all dem nichts zu tun. Wir regeln das unter uns“ sage ich und als sich ein verächtliches Grinsen auf seinem Gesicht abzeichnet, schwindet auch die Hoffnung, dass wenigstens Sofie es hieraus schafft. Er richtet die Waffe auf meinen Brustkorb und ich weiß, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis er abdrücken wird.
Ich schließe die Augen und warte auf den Schmerz, als mir plötzlich der Boden unter den Füßen weggerissen wird.
Ich reiße die Augen auf und sehe, wie Sofie über Marco gebeugt auf dem Boden liegt und versucht ihm die Waffe zu entreißen. Es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, dass kein Schuss gefallen ist.
Ich beuge mich runter und greife nach Marcos Waffe, der sie schließlich unter dem Gewicht von Sofie und mir loslässt. Dann schnappe ich mir Sofie, die Waffe fest umklammernd und starre Marco an, der schwer atmend auf dem Boden liegt und mich anstarrt. Ich richte meine Waffe auf ihn, aber Sofie schüttelt den Kopf und zwingt mich, sie anzusehen. „Daryl, tu das nicht.“ Unentschlossen sehe ich sie an, lasse die Waffe dann jedoch sinken und nicke. „Lass uns verschwinden, die Polizei müsste längst hier sein“ sage ich und merke, dass ich seit einiger Zeit keine Sirenen mehr gehört habe. Ich nehme die Fesseln, mit denen vor einigen Minuten noch Sofie an eines der Heizungsrohre gefesselt war und binde nun Marcos Hände fest. Dann lege ich meinen Arm um die noch immer zitternde Sofie und eile mit ihr in Richtung Ausgang. Als wir kurz vor der großen Eingangstür sind, stürmen mehrere bewaffnete Polizisten auf uns zu und richten ihre Waffen auf uns. Sofie entfährt ein Schrei als behandschuhte Hände nach uns greifen und uns durchsuchen. „Sie sind sauber“ ruft einer und schubst uns in Richtung Ausgang. Als wir schließlich im Freien sind, fällt eine zentnerschwere Last von mir ab und mir wird in diesem Moment erst bewusst, dass wir überlebt haben. Sofie hat überlebt, das ist alles was zählt. Um uns herum wimmelt es von Polizisten und ich blicke mich suchend nach meinem Bruder um. Ich sehe ihn schließlich etwas abseits mit einer jungen Polizistin reden und wild gestikulieren. Als sich unsere Blicke begegnen, verschwindet der Ausdruck von Panik aus seinem Gesicht und ich kann einen Anflug von Erleichterung erkennen, als sein Blick auf Sofie fällt. Er rennt auf uns zu und nimmt Sofie in seine Arme. Ich versuche das aufkeimende Gefühl der Eifersucht zu unterdrücken, dass sich bei dem Gedanken daran, dass Matt mit Sofie fortgehen wird, an die Oberfläche zu drängen versucht. Als sich die Beiden voneinander lösen, sieht er mich an und flüstert „Sie waren in deinem Haus Daryl. Aus dieser Nummer kommst du nicht mehr raus“. Ich schlucke und nicke. Dann beuge ich mich zu ihm und sage mit kaum hörbarer Stimme „Der Schlüssel vom Auto liegt unter der Fußmatte des Beifahrersitzes. Das Geld ist in der Tasche auf der Rückbank und sollte für euch Beide reichen, für ein neues Leben, für einen Neuanfang.“ Er nickt fast unmerklich und aus den Augenwinkeln kann ich zwei Polizeibeamte erkennen, die in unsere Richtung zeigen. Zwei Männer, der eine mit grauen Haaren und Vollbart, der andere mit ausdrucksloser Miene und Glatze, was keine Rückschlüsse auf sein Alter zulässt, kommen auf uns zu. Ich drücke Sofie einen Kuss auf den Scheitel und versuche den Kloß, der sich in meinem Magen gebildet hat, zu ignorieren.

„Wer von Ihnen ist Daryl Ortega?“ fragt der grauhaarige Polizist, eine Hand auf die Handschellen in seinem Gürtel gelegt. Ich hole tief Luft, drücke noch ein letztes Mal Sofies Hand und will einen Schritt nach vorne treten. „Das bin ich“, ertönt eine Stimme, die meiner zwar sehr ähnlich ist, aber dennoch nicht von mir stammt. Fassungslos blicke ich zu Matt, der noch immer einen Arm um Sofies Taille gelegt hat.
Der Polizist, dieses Mal ist es der mit Glatze, nickt seinem Partner zu, der daraufhin seine Handschellen nimmt, diese um die Hände meines Bruder legt und beginnt ihm seine Rechte vorzulesen. Ich bringe kein Wort heraus und sehe den Männern hinterher, die Matt in Richtung eines Streifenwagens begleiten. Aus meiner Lethargie erwacht, raune ich Sofie ein "Warte hier" zu und renne den Männern hinterher. Als Matt mich bemerkt, hebt er seinen Blick und sagt „Matt, kümmere dich um Sofie okay? Und um das Baby, es sollte nicht ohne Vater aufwachsen“. Dann lächelt er und noch bevor ich etwas erwidern kann, verfrachten ihn die Polizisten auf die Rückbank. Der glatzköpfige Mann wendet sich mir zu „Brauchen Sie oder die Frau einen Krankenwagen?“ Ich schüttele den Kopf und sage „Nein, ich… Ich bringe sie zum Arzt“. Er nickt und erwidert „Kommen Sie bitte im Anschluss zur Wache.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, steigt der Mann hinters Steuer und startet den Motor. Ich blicke dem Fahrzeug hinterher und kann noch immer nicht ganz begreifen, was hier passiert ist. Nachdenklich gehe ich zurück zu Sofie und schließe sie in meine Arme. „Komm, Prinzessin, wir müssen los.“ Sie nickt und wir laufen, ungesehen von den umherlaufenden Polizisten, eilig zu meinem Auto.


***

 


Is it Love? DarylDonde viven las historias. Descúbrelo ahora