5.Kapitel

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Newt lächelte wieder und ich meinte wirkliche Anerkennung in seinem Blick erkennen zu können. Er verlor jedoch nicht einen Kommentar zu meiner Darbietung.

„O-ok...wollen wir es dann mal zu-zusammen probieren?" stotterte ich. Als Antwort nickte er und lächelte noch breiter. Langsam stand er aus dem Schneidersitz auf und ging auf mich zu. Mit jedem Schritt, den er näher kam, bemerkte ich, wie meine Atmung sich beschleunigte.

Zum ersten Mal sah ich, dass er leicht humpelte. Jedoch beeinträchtigte dieses angebliche Handicap nicht im geringsten sein anmutiges Auftreten.

Mittlerweile stand er mir direkt gegenüber. Wir waren beide etwa gleich groß und so standen wir da, in der Dämmerung, so nah, dass sich fast unsere Nasenspitzen berührten und sahen uns in die Augen.

Ich schluckte schwer. Wenn ich nicht sofort etwas unternahm, würde das noch böse enden. Deshalb räusperte ich mich und schaute schnell auf mein Handy, um die Musik neu zu starten.

Newt hatte die Schritte sofort drauf. Anders, als erwartet, bemerkte man mit keiner Bewegung, dass er Schwierigkeiten mit seinem Bein hatte. Seine Bewegungen glichen denen eines Engels. Sie gingen perfekt ineinander über. Seine Ausstrahlung erschlug mich förmlich. Während des gesamten Liedes brannte ein Feuer in seinen Augen, wie ich es vorher noch nie bei einem Tänzer gesehen hatte. Sein Blick war entschlossen, aber nicht verkrampft. Er wirkte stark, aber auch liebevoll. Jede seiner Bewegungen wirkten so sorgsam ausgeführt, aber niemals unsicher.

Somebody make me feel alive

And shatter me

So cut me from the line

Dizzy, spinning endlessly

Somebody make me feel alive

And shatter me

Seine Energie schien auf mich überzugehen, denn ich spürte den Rhythmus so stark in meinen Adern, wie noch nie zuvor.

Mit jedem Ton, jedem Takt und jedem Wort der Sängerin schienen wir uns weiter von dieser Erde zu entfernen. Wir befanden uns irgendwo zwischen Realität und einer völlig anderen Welt.

Unsere Blicke waren fest miteinander verankert und es gab in diesem Moment nichts anderes in meinem Kopf, als diese glänzenden Bernstein-farbenen Augen, die mir geradewegs in meine Seele zu schauen schienen.

Irgendwann endete das Lied.  Schwer atmend standen wir uns gegenüber, den Schweiß auf der Stirn, die Sicht immer noch gefesselt vom Blick des jeweils anderen und mein Herz vollkommen überfordert von allem...

Ich blickte in Newts glänzende Augen. Langsam stahl sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. Schüchtern kletterte es über seine Mundwinkel, wurde dann glücklich, bis es schließlich zu einem selbstbewussten Strahlen anwuchs. Oh Gott, dieser Junge würde mich damit noch umbringen!

Plötzlich vernahm ich ein leises „Wow..."
Sofort schreckte ich aus meiner Trance.
„Hast du gerade...?"
setzte ich an, „was gesagt?"

Ein kleines Kichern entwich seinen Lippen und in diesem Moment verabschiedete sich mein Herz endgültig und schmolz dahin.

„Du-du hast gerade was gesagt? Wow?"

Schüchtern grinste er mich an...es war, als würde er kurz überlegen, bevor er tatsächlich erneut ansetzte und sagte: „Ist das so gruselig?"

Der Klang seiner Stimme löste bei mir automatisch eine Gänsehaut aus. Noch nie hatte ich etwas Schöneres und Melodischeres gehört. Seine Stimme war tiefer, als ich erwartet hatte und ihr sanfter Klang vibrierte in meinen Adern und ließ unkontrollierte Hitzewellen durch meinen Körper pulsieren.

„Hab ich dich jetzt verschreckt?" hörte ich ihn fragen und konnte, ohne ihn anzublicken, dieses Lächeln in seinen Worten hören. Zu allem Überfluss sprach er auch noch mit einem starken britischen Akzent, was seine Anziehungskraft nur noch verdoppelte.

Nun war es an mir, sprachlos zu sein. Hilflos klappte mein Mund auf und wieder zu, wie bei einem Fisch. Das Einzige, was ich konnte, war, Newt anzuschauen und maßlos zu erröten.

„Magst du nicht mit mir reden?" fragte er in diesem Moment. „Das wäre ziemlich schade, denn du bist seit langem der erste Mensch, mit dem ich gerne mal geredet hätte."

Als er das sagte, wirkte er fast traurig. Doch diese Worte genügten, um mich aus meiner Starre zu lösen. „Nein-Ich -Du -Aber-ich weiß nicht- du - ich bin sprachlos." stotterte ich und errötete erneut.

Ein sanftes Lachen entfloh Newts Kehle. Meine nächsten Worte sagte ich, ohne über sie nachzudenken: „Du hast eine wundervolle Stimme." Nun verstummte er und musterte mich verlegen.

„Meinst du?"

Ich nickte wild. „Und wie! Echt der Hammer."

Nun musste er wieder lachen. „Na das freut mich ja."

„Heißt das, du redest ab jetzt immer mit mir?" platzte es aus mir heraus und ich bereute es im nächsten Moment sofort wieder, als ich leichte Panik in seinen Augen zu erkennen meinte.

Schnell schob ich also hinterher: „Natürlich nur, wenn du willst. Du musst nicht!" Verlegen kaute der Blonde auf seiner Unterlippe herum und erwiderte zögerlich: „Doch, ich würde gerne weiter mit dir reden." Nach kurzem Überlegen fügte er leise hinzu: „Aber nur mit dir...."

Langsam dämmerte mir, worauf er hinaus wollte. Schnell winkte ich also ab und lächelte: „Es wäre mir eine Ehre." Wenn ich genauer darüber nachdachte, war es das tatsächlich...sogar mehr als das. Grinsend blickte ich Newt an. Auch er lachte wieder.

Bitte, lass ihn nie damit aufhören, schoss es mir durch den Kopf. „Na los, lass uns Schluss machen für heute. Morgen ist Probe mit der Crew angesagt. Da hauen wir die Strünke mal gehörig aus den Socken." Dabei zwinkerte ich ihm zu und bemerkte erfreut, dass auch er bei dem Gedanken an morgen unbeschwert lachen konnte.

„Na dann" meinte ich und rieb mir die Hände, was Newt ein weiteres kichern entlockte.

„Lass uns nur noch kurz die Landschaft genießen." meinte er daraufhin und ich nickte nur lächelnd. Gemeinsam ließen wir uns am Ufer des Sees nieder und beobachteten, wie sich immer mehr Sterne auf der glatten Oberfläche des pechschwarzen Wassers spiegelten.

Wir redeten nicht mehr viel. Doch ehrlich gesagt, störte mich das nicht wirklich. Ich genoss sogar diese Stille, die da zwischen uns war, denn sie war alles andere als unangenehm. Das klingt jetzt bestimmt kitschig oder so, aber ich hatte das Gefühl, dass diese Stille uns zusammenbrachte, mehr als Worte es jemals gekonnt hätten.

Wie lange wir dort noch gesessen haben, weiß ich heute nicht mehr. Aber was ich weiß, ist, dass ich in diesem Moment so glücklich war, wie lange nicht mehr....wie eigentlich noch nie. Es war einfach so ein Gefühl des Vollständig seins, das ich damals noch nicht begründen konnte.

Damals war es einfach nur schön.

Im Takt deines HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt