20.Kapitel

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Gedankenverloren fuhr ich mit meiner Hand durch Newts seidige Haare. Im Mondlicht schimmerten sie beinah schon silbrig, während seine lieblichen Gesichtszüge vom sanften Licht der unter uns liegenden Stadt nachgezeichnet wurden. Er war eingeschlafen. Wann, wusste ich selbst nicht mehr so genau. Wie immer, wenn ich mit ihm unterwegs war, hatte ich irgendwie die Zeit vergessen.

Seit wir hergekommen waren, schwebte ich wie auf einer Wolke - ganz hoch und verliebt, ganz weit weg von der Realität. Lächelnd beobachtete ich seinen ruhigen Schlaf und lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen.

Newt hatte Recht - das hier war ein wunderschöner Platz zum Nachdenken. Abgelegen und dennoch nicht einsam, beinah unsichtbar, aber mit einer wundervollen Aussicht. Ich verstand, warum er herkam, wenn er mal eine Pause vom Leben haben wollte, es lieber mal von außen betrachtete - als Zuschauer, bevor von ihm wieder verlangt wurde, die ihm zugeordnete Rolle zu erfüllen.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und blinzelte durch die Zweige des jungen Baumes, an dem ich lehnte. Über mir erstreckte sich ein pechschwarzer Nachthimmel, der eben so unendlich zu sein schien, wie die zahllosen kleinen Punkte, die geheimnisvoll schimmerten und ihn irgendwie weniger...bedrohlich wirken ließen.

Ich hatte mal ein Gedicht geschrieben. Ich musste, unser Deutschlehrer hatte es von uns verlangt. Mein sechszehnjähriges Ich hatte damals extreme Selbstwertprobleme gehabt, viel Stress in der Schule, den falschen Kleidungsstil, eine Anti-Alles Haltung und irgendwie den Glauben an das Gute im Leben verloren. Wenn ich dann zu dieser Zeit abends in den Himmel geschaut und in dieses schier endlose Nichts gestarrt hatte, in der Hoffnung, irgendwo ein bisschen Halt zu finden, dann waren mir die Sterne immer irgendwie tröstend vorgekommen. Sie waren wie kleine leuchtende Versprechen für mich gewesen. Versprechen, die aussagten, dass da doch noch etwas Gutes auf der Welt existierte, dass nicht für immer alles so dunkel, leer und einsam bleiben würde in meinem Herz. Sie hatten meine dunklen Nächte erhellt, die ich sonst so gefürchtet hatte. Denn im Gegensatz zu dem großen Weltall, welches mich noch heute immer wieder fühlen ließ, wie klein und unbedeutend ich und der Rest der Menschen in unserer Existenz doch waren, waren sie immer da gewesen, wie gute Freunde.

Dass dieser Platz für Newt etwa die gleiche Bedeutung hatte, wie für mich die kleine Lichtung im Wald hinter der Grundschule, machte das alles hier für mich noch viel besonderer.

Ich lächelte verträumt, als ich ein paar Stunden zurück dachte, an den Moment, nachdem Lizzy mit Gally abdedampft war und Newt trocken das Offensichtliche festgestellt hatte. Ich schätze, er hatte es schon geahnt, sonderlich geschockt hatte er jedenfalls nicht ausgesehen, als er sich wieder zu mir gewandt hatte. Viel mehr hatte es mir geschienen, als freue er sich tatsächlich über die Entwicklung der Situation.

Da waren's nur noch zwei." sagte Newt, als er sich wieder zu mir drehte. Geschockt?" fragte ich ehrlich interessiert. Ich? Nicht wirklich." Er schüttelte den Kopf. Liz hatte schon immer eine Schwäche für Bad Boys. Ich glaube eher, dass ich mit ihm..." er deutete wage in die Richtung, in der die beiden eben verschwunden waren, „als Schwager in Spe noch ziemlich gut dran wäre."

Er machte eine Pause und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen, bevor er schmunzelnd fortfuhr: Ich könnte mich zwar nicht mit ihm schlagen, denn da würde ich einfach mal eiskalt auf die Fresse kriegen...aber," er kicherte, Ich könnte es zumindest versuchen."

Ausgelassen lachend schlenderten wir weiter die Waldstraße entlang und unterhielten uns dabei über Gott und die Welt, bis Newt irgendwann stehen blieb und mich mit strahlenden Augen ansah: Uh Tommy ich muss dir unbedingt etwas zeigen!" rief er aus und schnappte sich auch schon meine Hand, um mich hinter sich her ziehen zu können.

Im Takt deines HerzensWhere stories live. Discover now