12.Kapitel

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Es war voll, laut und stickig. Scheinbar hatte die ganze Stadt heute beschlossen, in die Disco zu gehen und wir waren froh, als wir endlich im Inneren der Schildkröte standen. Auf Teresas Nachricht in unserem Gruppenchat war ein allgemeiner Begeisterungssturm ausgebrochen und so kam es, dass die gesamte Crew gebündelt angerückt war und wir nun direkt neben dem DJPult vor der riesigen Box in einem großen Kreis tanzten. Rhythmisch bewegte ich meinen Oberkörper zur Musik, während meine Beine sich wie von selbst von links nach rechts bewegten.

Glücklich schloss ich die Augen und genoss das Gefühl, wie der Takt des Liedes ganz allmählich meinen eigenen Herzschlag ersetzte. Ich ließ den Bass durch meine Adern pulsieren und genoss, wie die Musik langsam aber sicher die Macht über jede einzelne meiner Zellen übernahm.

Ein seliges Lächeln lag auf meinen Lippen und ich genoss die befreiende Leere in meinem Kopf, die es endlich möglich machte, mich vollkommen zu entspannen.

Die Musik hatte zwar nicht wirklich etwas Lateinamerikanisches, aber das war mir gerade herzlich egal. Alles, was in diesem Moment zählte, war dieses Gefühl, von dem ich wusste, dass ich es nur hier bekommen konnte.

Die Musik war wie eine Droge für mich. Nur sie schaffte es, mich so fühlen zu lassen. Sie....und Newt.

Langsam öffnete ich wieder meine Augen und bemerkte immer noch lächelnd, dass Newt mich beim Tanzen beobachtete. An seinem Blick konnte ich erkennen, dass er ganz genau wusste, was just in diesem Moment mit mir passierte. Er wusste, wie ich fühlte, denn er spürte das Gleiche.

Wenn ich so darüber nachdachte, hatten wir doch eine ganze Menge gemeinsam. Wir beide hatten mit etwas zu kämpfen. Nur konnte ich den Kampf nicht gewinnen. Nicht, wenn ich weiter gegen mich selbst kämpfte.

Newt hatte bemerkt, dass ich nachdenklich geworden war und sah fragend zu mir herüber. Doch ich schüttelte nur den Kopf und lächelte in zaghaft an. Ich konnte nicht mit ihm sprechen. Ich wusste ja selbst nicht einmal, worüber ich reden sollte.

Genau in diesem Moment klang das Lied aus und der DJ griff nach dem Mikrofon. „Moin Leude und herzlich willkommen zu unserer großen LATEINAMERIKANISCHEN NACHT!" rief er enthusiastisch und erntete begeisterten Applaus von den Gästen. Auch die Crew hatte ihre Aufmerksamkeit dem muskulösen Mann mit den schulterlangen Haaren gewidmet und tuschelte nun aufgeregt miteinander.

„Damit das ganze auch ein bisschen Spaß macht," fuhr der Blonde DJ fort, „gibt es hier in der Mitte eine abgegrenzte Tanzfläche, die nur dafür gedacht unsere besten PAARTÄNZER gebührend zu feiern." Wieder ging ein begeisterter Aufschrei durch die Runde und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Winston Fry auffordernd auf die Schulter schlug und Ben ihm signalisierte, dass er gefälligst Sonya aufzufordern hatte. Ich musste leicht grinsen. Das hatte Brenda uns verschwiegen. „Keine schlechte Idee." kam es in dem Moment von meiner Linken und überrascht blickte ich zu Newt, der neben mich getreten war und das Spektakel beobachtete. „Paartanz hat was." Abwesend nickte ich. Ich würde auch gerne mal wieder richtig mit jemandem tanzen.

„Wir starten auch gleich mit einer feurigen Rumba zu einem meiner neuen Mashups. Also liebe Paare, ich bin der Vince und ich möchte jetzt den Dancefloor brennen sehen."

Damit legte er das Mikrofon beiseite und startete den Song. Während ich beobachtete, wie das Licht langsam gedimmt wurde und eine Nebelmaschine für mehr Drama auf der Tanzfläche sorgte, ertönten die ersten Töne von Apologize. Als dann auch noch eine männliche Stimme ansetzte und Teenage-dream zu singen begann, seufzte ich schwer. Auch das noch.

Ich sah, wie Alby Brendas Hand nahm und sie sanft Richtung Mitte navigierte. Kurz bevor er sie mit einer eleganten Handbewegung hinter sich gleiten ließ, zwinkerte sie mir kurz zu. Ich wusste, was das bedeutete und machte mich auf den Weg zu Minho, der unentschlossen seine Hände knetete.

„Tu es einfach." raunte ich ihm zu und drückte freundschaftlich seine Schulter. Der Asiate sah mich aus großen Augen an und schluckte einmal schwer, nickte dann aber. Er atmete einmal tief durch und ging mit wackeligen Schritten auf das schwarzhaarige Mädchen zu, dass an einer Säule lehnte und gebannt dem Paar zusah, welches vollkommen allein über die abgesperrte Fläche wirbelte. Vorsichtig strich er ihr eine Strähne hinter hinters Ohr.

„Du könntest es mindestens genauso gut." flüsterte er und lächelte scheu. So hatte ich meinen Kumpel noch nie erlebt. Er behandelte Teresa wie ein rohes Ei, auch, als er ihre Hand nahm und sie leicht vor sich her schob.

Brenda grinste wie verrückt, als sie sah, wie er sanft eine Hand an ihre Hüfte legte und langsam ihre zarte Hand in Seine gleiten ließ. Plötzlich war da eine Bindung zwischen den Beiden. Ihre Blicke waren miteinander verschränkt, während sie die ersten langsamen aber dennoch kraftvollen Bewegungen ausführten. Man konnte ihnen ansehen, wie sehr das Lied sie einnahm. Teresa schwebte über die Tanzfläche, als sei sie ein Engel. All ihre Bewegungen waren so filigran und leicht und gleichzeitig so kraftvoll, dass man als Zuschauer gar nicht wusste, was man fühlen sollte. Und obwohl Minho seine Partnerin nur leicht berührte und mit so wenig Druck führte, wie es nur ging, bemerkte man doch, wie gern er sie einfach nur an sich gedrückt hätte - mit all seiner Kraft festhalten und nie wieder loslassen wollte. Ihr Tanz drückte all die Emotionen aus, die sie seit Jahren nicht in Worte zu fassen schafften. All die Verzweiflung, die Leidenschaft....die Sehnsucht. Ich musste schlucken. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie endlich einsehen würden, dass sie füreinander bestimmt waren.

Gerade führte Minho Teresa an seine rechte Seite, von wo aus er sie leicht absenkte und sie ihren Arm in einer eleganten Halbkreisbewegung hob. Es sah aus, als würde sie nach etwas greifen wollen, was für sie jedoch unerreichbar war...als wolle sie nach ihm greifen.

Genau in diesem Moment zog er sie schwungvoll zu sich zurück und legte sie in eine neue Figur. Instinktiv schlang Teresa ihre Arme um den Hals ihres Partners, der sie fest mit beiden Armen umschlungen hatte und sie nur wenige Zentimeter über dem Boden schweben ließ.

Doch anstatt sie wieder nach oben zu ziehen, hielt er in der Bewegung inne. Sein Blick war immer noch von Teresas eisblauen Augen gefangen und er schluckte schwer. Dann zog er sie sanft zu sich heran, stockte noch einmal kurz, überbrückte dann aber doch die letzten Zentimeter, um ihr Lippen in den so lang ersehnten Kuss zu vereinen.

Sofort brachen die Jubelschreie der Crew los. „Eeeeendlich" rief Gally und rang lachend die Hände. „Oh mein Gott sie haben es geschafft." rief Sonya und fiel Rachel um den Hals. Fry und Ben applaudierten einfach nur und Winston klatschte mit Harriet ab. Nie hätten wir damit gerechnet, dass die beiden sich jemals dazu überwinden würden, miteinander reinen Tisch zu machen. Doch Newt hatte Recht gehabt.

Manchmal sind Worte einfach nicht die richtige Sprache, um ein Herz zu erreichen.

Im Takt deines HerzensWhere stories live. Discover now