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In meinem Kopf fügen sich wie bei einem Puzzel alle Teile zusammen.
Miles hat einen großen Bruder, der zwar gestern nicht da war, aber er hat einen. Genau wie M.
Miles spielt Gitarre. Genau wie M.
Miles ist eher schüchtern und unauffällig. Genau wie M.
Miles musste zu einem Familientreffen. Genau wie M.
Miles geht auf unsere Schule. Genau wie M.
Außerdem ergibt es auf einmal Sinn, dass er meinte, er kenne mich. Klar, er hat mich sogar schon persönlich ab und an gesprochen, aber in erster Linie hat er durch Luke bestimmt einiges mitbekommen!
Überhaupt: Lukes komisches Verhalten neulich! Er muss gemerkt haben, dass er M kennt!

Ich sitze kerzengrade in Bett und gucke auf die Uhr, 00:48 Uhr. Egal, ich brauche Gewissheit, also stehe ich leise auf, ziehe mir ein T-Shirt und eine Jogginghose an und schleiche mich zu meinem Auto nach draußen. Normalerweise würde ich mich jetzt darüber lustig machen, dass man Dads Schnarchen bis zum Flur sehr deutlich vernehmen kann, aber ich bin viel zu aufgeregt.
Schnell starte ich das Auto und fahre los. Als ich ankomme, schleiche ich um das recht große weiße Haus herum in den Garten, bis ich vor Lukes Fenster stehe.

"Luke... Luuhuke", rufe ich flüsternd zu dem gekippten Fenster hoch.
Nichts passiert. Na toll! Suchend blicke ich mich um und hebe ein paar Steinchen hoch.
Ziehlen, werfen uuuund treffen!
Ich werfe schon mindestens den dreizehnten Stein, als endlich das Gesicht eines verschlafenen Lukes zu mir runterblickt.

"Was zur Hölle willst du?! Es ist ein Uhr nachts!"

Ich beschließe gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, also frage ich schlicht: "Ist Miles M?"

Luke sieht mich überrascht an: "Das ging schnell, ich dachte, du würdest da nie draufkommen!"

"Ist das mit seiner Mutter wirklich so heftig?"

Er runzelt die Stirn: "Ich weiß es nicht genau, Tante Mary und Miles stehen sich sehr nahe, aber ich kann auch nicht sagen, was passiert, wenn sie's raukriegt..."

"Hm", mache ich nachdenklich, "glaubst du, er trifft sich trotzdem Mal mit mir, wenn ich ihm als Freund schreibe und nicht sage, dass ich weiß, wer er ist?"

Luke nickt: "Bestimmt."

Ich lächle leicht und winke ihm zum Abschied zu: "Ich geh dann Mal, Nacht!"

"Ja, überhaupt kein Problem, ich lass mich gerne nachts von dir wecken, Arschloch", ruft er mir leise hinterher, aber auch er grinst.

Ich liege zum zweiten Mal heute im Bett und versuche zu schlafen, aber ich bin immer noch so hibbelig. Nach gefühlten Stunden falle ich in einen unruhigen Schlaf, wache allerdings wieder auf, noch bevor mein Wecker klingelt.
Ich schlinge mein Frühstück heute so schnell herunter, dass meine gesamte Familie mich komisch anguckt.

"Alles okay, Junge?", fragt mein Dad.

Als Antwort nicke ich nur.

"Du weißt, dass keiner dir was wegisst?" fängt jetzt auch meine Mutter an.

"Jaha! Aber ich hab's eilig", gebe ich genervt zurück.

"Zur Schule?", mein Vater sieht mich verwirrt an, aber meine Mutter fängt an, dämlich vor sich hin zu grinsen.

"Oh, da ist wohl jemand verliebt und will sie vorm Unterricht noch sehen! Bring sie doch Mal mit hierhin..."

Ich verdrehe nur die Augen, springe auf und will schon ins Auto steigen, als Kelly angesprintet kommt: "Warte", sie holt etwas keuchend Luft, "ich will mitfahren!"

"Okay, dann mach schnell", sage ich ungeduldig.

"Hat das was mit M zu tun?", fragt Kelly aufgeregt als sie endlich im Auto sitzt.

Ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen: "Das wirst du schon noch mitbekommen..."

Den Rest der Fahrt verbringt sie damit auf mich einzureden, um mir irgendwelche Informationen zu entlocken, aber ich bleibe hart. Ich will, dass es erstmal nur meine Freunde und ich wissen.
Es ist schwierig, Cole und Derek unauffällig davon zu erzählen, schließlich soll Miles noch nicht wissen, dass ich es weiß. Irgendwann soll er es mir selbst sagen.
Aber ich schaffe es, den beiden mein Wissen mitzuteilen, obwohl Derek dafür erst noch eine beleidigte Ivy abschütteln muss und ihm auffällt, dass er wohl Mal wieder was mit ihr unternehmen sollte.

Heute ist es ein wirklich komisches Gefühl Miles' Brief zu lesen, schließlich habe ich gestern noch persönlich mit ihm geredet.

Lieber Sam,

Wie geht's dir?
Ich bin so froh, dass wir bald schon Projektwoche und dann endlich Ferien haben! Ich hab einfach keinen Bock mehr auf Schule. Aber ich hab auch etwas Angst, dass ich dich die ganze Zeit nicht sehe. Ich hoffe, ich treffe dich so vielleicht irgendwie. Ich werde dich so sehr vermissen! Mir ist klar, wie kitschig sich das anhört, aber wenn du auch nur einmal lächelst, fühlt es sich an, als ob die Welt irgendwie ein Stückchen besser wird. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dein Lächeln liebe, dein linker Mundwinkel ist immer ein ganz kleines bisschen höher als der Rechte, das sind so unfassbar heiß aus!
Oh Gott, alles, was noch fehlt, damit ich mich in eine Zwölfjährige verwandele, ist ein Gänseblümchen, damit ich die Blütenblätter abreißen und sagen kann: "Er liebt mich, er liebt mich nicht..."
Peinlich aber wahr, das habe ich wirklich schon Mal gemacht, ist aber schon ein paar Jahre her und bezog sich nicht auf dich. Übrigens lag das Gänseblümchen falsch, er hat nicht mich, sondern meine beste Freundin geliebt...
Tja, so ist das Leben, würde ich sagen.
Naja, ich mach Schluss für heute.

Ich liebe dich,
M


Hey:)
Ich fahre heute für zwei Wochen in den Urlaub und habe deshalb sehr wahrscheinlich kein WLAN!
Als "Entschädigung" kommt heute Abend noch ein Kapitel.
Ich hoffe, es hat euch gefallen!
Eure c_in_medias_res <3

Wer bist du?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt