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"Sam! Wach auf!", flüstert Miles.

"Mmmmhm", zu einer geistreicheren Antwort bin ich noch nicht im Stande.

Er streicht mir die Haare aus der Stirn und kichert leise.

"Was ist? Hast du mich heute Nacht mit Edding angemalt?", frage ich verpennt, aber dennoch misstrauisch.

Jetzt fängt er wirklich an zu lachen: "Nein! Aber du siehst so witzig aus, so mit Kissenabdrücken im Gesicht! Weil normalerweise siehst du gut aus, meinetwegen auch heiß, aber nie niedlich!"

Grinsend richte ich mich auf: "Tja, ich bin halt vielseitig!" Erst jetzt bemerke ich ein Tablett mit Frühstück auf Miles' Schreibtisch, was meine Laune augenblicklich noch mehr hebt.

Offensichtlich hat Miles meinen Blick bemerkt, denn er murmelt leise irgendwas von wegen, er wüsste schon, wie man mich aus dem Bett kriegt.

"Soso, du willst mich also aus dem Bett raus kriegen? Sicher, dass du nicht rein meintest?", ich zucke anzüglich mit den Augenbrauen, wofür ich einen Schlag gegen den Arm kassiere. Lachend beuge ich mich vor und küsse meinen Freund erst auf den Mund, bewege mich mit meinen Lippen allerdings immer weiter herunter. Ich arbeite mich an seinem Kinn entlang zu seinem Hals, wo ich auch dirket eine Stelle finde, bei der Miles eine Gänsehaut bekommt. Also werden meine Küsse an dieser Stelle intensiver, so lange, bis Miles sich ein Stöhnen nicht mehr verkneifen kann. Grinsend löse ich mich von seiner Haut und betrachte zufrieden den Knutschfleck.

"Kriege ich jetzt was zu Essen?", frage ich unschuldig.

Miles sieht mich ungläubig an, holt aber tatsächlich unser Frühstück und setzt sich neben mich auf's Bett.

"Bist du irre?!", ruft ein aufgebrachter Miles etwas später aus dem Badezimmer.

Verwirrt laufe ich zu ihm: "Hä? Was ist denn?"

"Du hast mir einen Knutschfleck gemacht! Ist dir klar, dass meine Mutter das Teil sehen wird?"

"Oh... Zieh doch einfach einen Schal an", schlage ich vor.

"Dein Ernst? Was ist das denn für eine Aussage, zieh einfach einen Schal an?! Vielleicht hänge ich mir auch noch ein Schild mit der Aufschrift 'ich hab was zu verbergen' um den Hals!", schreit er.

"Baby? Kann es eventuell sein, dass du gerade etwas überreagierst, weil du Angst vor den Gespräch mit deiner Mutter hast?", frage ich vorsichtig.

Miles wird gefährlich ruhig und ich bekomme schon Angst, dass er jetzt völlig ausrastet, aber stattdessen sieht er mir geknickt entgegen: "Ich reagiere wirklich über oder? Sam, es tut mir leid, ich bin heute so durch den Wind..."

"Hey! Schon gut", ich nehme ihn in den Arm, "ich hätte ja auch vorher mal nachdenken können... Sagen wir, wir sind quitt?"

"Ja", brummt er leise und löst sich dann etwas von mir, sodass er mir ins Gesicht gucken kann.

"Wir schaffen das schon", sage ich beruhigend und versuche möglichst überzeugt zu lächeln, obwohl auch ich extrem aufgeregt bin.

"Danke", erwidert Miles leise, schlingt seine Arme um meinen Nacken und zieht mich zu ihm runter. Etwas zaghaft beginnt er mich zu küssen, wird aber von Sekunde zu Sekunde immer selbstsicherer. Wir vergessen alles um uns herum, in diesem Moment gibt es nur noch Miles und mich. Das Kribbeln in meinem ganzen Körper und dieses Kitzeln, das sich wie leichte Stromschläge anfühlt, wenn er mich berührt, werden immer intensiver.

"M-miles?", als wir die Stimme der circa fünfundvierzigjährigen Frau hören, fahren wir erschrocken auseinander. Ihre Gesichtszüge sind denen von Miles sehr ähnlich, ihre sind zwar weicher, aber sie ist dennoch unverkennbar seine Mutter.

Miles ist in eine Art Schockstarre verfallen, sein Gesicht ist weiß, seine Augen weit aufgerissen und seine Hände zittern ganz leicht.
Ich versuche den Blick seiner Mutter zu deuten, sie wirkt auf jeden Fall verwundert, aber ob sie wütend ist, kann ich nicht sagen.
Da Miles nicht den Eindruck macht, als ob er etwas sagen können oder wollen würde, beschließe ich die Initiative zu ergreifen.

"Hallo. Mein Name ist Sam, ich bin der feste Freund ihres Sohnes", sage ich vorsichtig.

"Miles, was ist hier los?", fragt seine Mutter, ihre Stimme zittert etwas.

Zu meiner Überraschung hat Miles sich offenbar gesammelt, er tritt neben mich, nimmt meine Hand und sieht seine Mutter beinahe trotzig an: "Mum, ich bin schwul und das ist mein Freund."

Die Frau zwinkert ein paar Mal, als würde sie sich vergewissern wollen, dass sie nicht träumt. "Oh mein Schatz, ich... wow, also das hatte ich nicht erwartet..."

Miles' Druck um meine Finger wird doller, ich bemerke seine überspielte Unsicherheit. Ein weiteres Mal wird mir bewusst, wie wichtig ihm das Urteil seiner Mutter ist.

Plötzlich breitet sie die Arme aus: "Ich freue mich wirklich für euch, mein Großer."

Mein Freund sieht erst ungläubig seine Mutter an, dann blickt er unsicher zu mir. Sanft löse ich meine Hand aus seiner Umklammerung, damit seine Mutter ihn in ihre Arme schließen kann. Er presst sich an sie, sein Körper wird auf einmal von Schluchzern geschüttelt.

"Miles? Was ist denn los?", fragt seine Mutter besorgt.

"I-ich dachte, du- du würdest mich jetzt h-hassen", bringt er leise hervor.

"Was? Warum sollte ich das tun?! Schatz, du bist mein Kind, du könntest jemanden umbringen und ich würde dich immer noch lieben!"

"I-ich dachte, wegen d-der Kirche..."

"Meinst du wirklich, ich könnte an einen Gott glauben, der will, dass ich meinen eigenen Sohn hasse?! Ich weiß, Kirche und Homophobie gehen manchmal immer noch Hand in Hand, aber das heißt noch lange nicht, dass ich damit einverstanden bin! Denk nie wieder, ich würde dich oder Cal nicht lieben! Ihr seid mein Leben!", sagt sie bestimmt.

"Ich h-hab dich auch lieb", erwidert Miles, er hört langsam wieder auf zu weinen.

Berührt beobachte ich die Szene, die sich vor mir abspielt.

"Du bist Sam, richtig? Entschuldige, dass ich dich so ignoriert habe, ich brauchte einfach kurz Zeit, um das hier alles zu realisieren. Also, ich bin Mary", ich ergreife ihre ausgestreckte Hand, schon jetzt bin ich mir sicher, dass ich sie mag.
Ich freue mich so sehr für Miles. Der bekommt auch den Rest des Tages sein zufriedenes Lächeln nicht mehr von den Lippen. Ich kann mir nur vorstellen, wie das Gefühl sein muss, sich nicht mehr verstecken zu müssen.
Ich bin so froh, ihn an meiner Seite zu haben.

Hey:)
Das war das letzte Kapitel! Es kommt heute noch der Epilog und das war's dann!
Echt ein komisches Gefühl, ich freue mich zwar auch schon mega auf das nächste Buch, aber ich mochte die Geschichte von Miles und Sam.
So, bevor ich jetzt nostalgisch werde, setze ich mich mal an den Epilog...
Bis später,
eure c_in_medias_res<3

Wer bist du?Where stories live. Discover now