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Es ist so weit, die Mittagspause hat angefangen und alle Schüler drängeln sich in die Mensa.
Ich warte einige Minuten und unterhalte mich nervös mit meinen Freunden. Ich habe ihnen nicht genau gesagt, was ich vorhabe, aber ich glaube, dass zumindest Cole es eh weiß.
Als bereits überall um mich herum Teenager sitzen, essen und sich über ihre Lehrer beschweren, stehe ich auf. Ich bringe diesen klassischen Move aus sämtlichen Filmen und Büchern und klettere auf den Tisch: "Ey! Hört Mal kurz zu!"

Krass, tatsächlich verstummen fast alle! Gut, hier und da wird jetzt aufgeregt getuschelt, aber sonst ist es echt leise! Ich hätte nie gedacht, dass das in Wirklichkeit so gut funktionieren würde...
Warum beschweren sich die Lehrer eigentlich immer, wir wären nicht leise?! Ist doch eigentlich echt einfach...
Mir fällt auf, dass ich jetzt schon eine halbe Ewigkeit wie ein Idiot auf dem Tisch stehe und schweige, weswegen ich schnell den Mund wieder aufmache: "Ähm, ja... Wo war ich? Also, für alle, die es nicht wissen, ich bin Sam Jensen. Und, ähm, ich bin bi. Ich hoffe einfach Mal, es hat keiner ein Problem damit, und wenn doch, dann sagt's mir entweder ins Gesicht oder noch besser, schämt euch und haltet einfach die Klappe!"

Mit diesen Worten setze ich mich wieder auf meine vier Buchstaben. Die meisten glotzen mich immer noch ungläubig an, ich hab wohl den ein oder anderen leicht geschockt...

"Das kam jetzt unerwartet", meint Luke mit großen Augen.

"Findest du?", fragt Derek erstaunt.

"Also ich fand das jetzt eigentlich ziemlich absehbar", sagt auch Cole.

"Wollt ihr mich verarschen?", Luke versteht die Welt nicht mehr, "Warum wussten schon wieder alle, was er vor hat, nur ich nicht?"

"Weil wir", Derek zeigt auf sich und Cole, "in der Lage sind, logisch zu denken..."

Während die beiden Luke noch auslachen, bin ich nur am überlegen, ob M wohl da war und was wohl in seinem Brief morgen stehen wird. Ob er sich vielleicht jetzt mit mir treffen will? Ich meine, klar, das Problem mit seiner Mutter kann ich nicht ändern, aber ich müsste ihm doch trotzdem grade einen ganz schön großen Stein aus dem Weg geräumt haben. Außerdem kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass seine Mum Stress macht, zumindest nicht, wenn die beiden wirklich so ein gutes Verhältnis zueinander haben. Andererseits kenne ich sie nicht und weiß auch nicht, wie konservativ sie ist.

Leider ist die Pause, wie so oft, viel zu kurz und schon sitzen wir wieder in Unterricht.

Als wir endlich Schulschluss haben und ich wieder zu Hause bin, beschließe ich, joggen zu gehen. Ich bin im Moment viel zu faul geworden, also ziehe ich mir ein lockeres schwarzes T-Shirt, eine kurze Jogginghose und meine Sportschuhe an. Ich nehme Handy und Kopfhörer und höre meine Lieblingsplaylist. Dann beginne ich zu laufen, so lange bis ich mit stechender Lunge und schmerzenden Beinen stehen bleiben muss. Erschöpft laufe ich den Rest des Wegs langsam zurück.
Ich sollte das wohl öfter machen, endlich habe ich Mal kurz nicht an M gedacht.

Am nächsten Morgen reiße ich erwartungsvoll meine Spindtür auf und finde... nichts! Nicht Mal der Hauch eines Briefes.
Verwirrt und schlecht gelaunt schließe ich den Spind wieder.

"Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragt Cole.

"M hat nichts geschrieben", murmele ich traurig.

"Echt nicht?", Derek sieht mich überrascht an.

"Vielleicht ist in der Pause einer da, das war doch schon Mal so", versucht Cole mich aufzumuntern.

Ich nicke, aber irgendwie bin ich mir sicher, dass er sich heute nicht mehr meldet.
Ein Stechen macht sich in meiner Brust bemerkbar, ich war so gespannt, was er heute schreiben würde. Hat ihn mein Outing gestern verschreckt? Aber warum?!
Ich bemerke bereits jetzt, dass ich Kopfschmerzen bekomme.
Im Chemieunterricht sitze ich da und blicke aus dem Fenster. Ich kann nicht verstehen, warum M mir nicht geschrieben hat.
Will er etwa nichts mehr mit mir zu tun haben? Was habe ich falsch gemacht?
Und ausgerechnet heute ist schon Freitag, ich werde vermutlich das gesamte Wochenende nur über M nachdenken können.
Mir fällt auf, dass ich Lukes Verdacht immernoch nicht überprüft habe. Ich muss wirklich Marcus fragen, ob er Gitarre spielt.
Gedacht, getan. Nach der Stunde gehe ich mit klopfendem Herzen zu Marcus. Er steht einem blonden Mädchen und ich habe ihn schon fast erreicht, als er sich plötzlich vorbeugt und die beiden sich küssen.
Okay, das ist wohl nicht M...
Ich bin verwundert darüber, dass ich nicht überrascht bin. Irgendwie hatte ich so ein Bauchgefühl, dass Marcus nicht M ist. Trotzdem bin ich ein kleines bisschen enttäuscht.
Ich drehe mich um und hole meine Sportsachen für das Basketballtraining aus meinem Spind. Zwar war mir schon vorher klar, dass keine Brief da sein würde, trotzdem spüre ich wieder dieses Stechen in der Brust.

Und da ist er, der Moment, in dem ich nicht mehr umhin komme, zu realisieren, dass ich mich tatsächlich in M verliebt habe. In M, einen Jungen, den ich nur aus Briefen kenne.

Hey:)
Und, was glaubt ihr, warum schreibt M nicht?
Sam kann einem ja ein bisschen leid tun...
Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel, obwohl es auch ein bisschen traurig ist. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht 100%-ig sicher, ob ich das jetzt alles verständlich geschrieben hab:D
Bis bald,
eure c_in_medias_res <3

Wer bist du?Où les histoires vivent. Découvrez maintenant