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"Was soll ich denn jetzt machen? Hoffen, dass sich das nicht rumspricht oder besser dirket Miles davon erzählen?!", frage ich Cole, auf den ich jetzt bereits seit mindestens zehn Minuten einrede.

"Ich weiß es nicht, aber ehrlich gesagt halte ich es für sehr unrealistisch, das da morgen keiner drüber redet. Mal im Ernst, du bist Captain vom Basketballteam! Und dann ist es vielleicht besser, wenn er es von dir hört...", sagt Cole nachdenklich.

"Und wenn ich ihn jetzt völlig umsonst verrückt mache?"

"Das Risiko würde ich eingehen, nimm ihn doch morgen einfach mit zur Schule und auf dem Weg könnt ihr reden.", erwidert Cole.

Ich stöhne: "Ja, da hast du wahrscheinlich Recht... Glaubst du, dass er ausflippt?"

"Woher soll ich das denn wissen? Du bist doch sein Freund! Aber ihr schafft das schon.", versucht Cole mich wenig erfolgreich zu beruhigen.

"Ich hoffe, du hast recht. Naja, ich geh gleich ins Bett, wir sehen uns dann ja morgen..."

"Jup, bis morgen", gibt er zurück.

Das Einschlafen gestaltet sich Mal wieder als schwierig, ich kann meinen Kopf einfach nicht abschalten. Alle möglichen Szenarien spielen sich vor meinem inneren Auge ab. Ich versuche mich nur auf Samstag zu konzentrieren, aber so wirklich funktionieren tut es nicht. Irgendwann schlafe ich trotzdem ein, allerdings klingelt mein Wecker auch schon ziemlich bald danach.

Mit laut klopfendem Herzen sitze ich in meinem Auto und sehe Miles entgegen, der aus dem Haus läuft und auch mich zu steuert.

"Hey!", er grinst mich an, weswegen ich mich noch zusätzlich verkrampfe. Wer weiß, wie lange er noch so zufrieden aussieht...

"Hey", gebe ich mit einem möglichst zuversichtlichen Lächeln zurück und fahre los.

"Ist alles okay?", fragt Miles besorgt.

"Ähm, klar... warum fragst du?", stammele ich.

"Du hast ganz schön Augenringe und außerdem hast du mich noch nicht Mal umarmt oder so..."

Ich atme tief durch. Ein Seitenblick zu Miles lässt mich wissen, dass er mich aufmerksam mustert und anscheinend auf eine vernünftige Antwort wartet.

"Okay, bitte raste gleich nicht aus!", sage ich mit erstaunlich ruhiger Stimme.

"Sam, du machst mir Angst! Worum geht es?", fragt er.

"Also, gestern Abend, kurz bevor du gegangen bist, da hat ein Mädchen gesehen, wie wir uns geküsst haben. Und sie geht auf unsere Schule..."

Miles schweigt, er sitzt ganz ruhig da und sagt kein Wort. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, es macht mich unruhig. Erst als wir schon auf dem Parkplatz stehen, traue ich mich, ihn vorsichtig anzusprechen: "Miles?"

"Nein, Sam! Ich will jetzt nicht reden!"

"Miles, bitte! Ich weiß, dass das scheiße ist, aber wir wollten das mit uns doch eh nicht ewig verheimlichen..."

Mein Freund atmet hörbar aus, seine Stimme ist immer noch nicht laut, aber seine Aufgebrachtheit ist trotzdem sehr gut herauszuhören: "Ja, wir wollten das nicht ewig für uns behalten! Trotzdem sollte es meine Entscheidung sein, wann ich mich outen will. Verstehst du, Sam? Meine! Und jetzt werden alle darüber reden! Wie soll ich diesen Tag denn bitte hinter mich bringen?!"

"Bin ich dir peinlich? Was ist so schlimm daran, dass die es jetzt schon wissen?! Und warum überhaupt deine Entscheidung, sollte es nicht eher unsere sein?", werde ich lauter.

"Unsere?! Du verstehst das überhaupt nicht! Du bist ja auch beliebt und cool. Und das, obwohl du dein Coming Out hattest! Aber ich, ich bin jetzt für alle der komische schwule Freak und alle werden sich fragen, warum du überhaupt mit mir redest!", zum Ende hin wird seine Stimme immer lauter, bis er fast schreit. Dann steigt er, ohne mir die Möglichkeit zu antworten zu geben, aus und knallt die Autotür zu.
Wütend schlage ich auf das Lenkrad und begebe mich danach ebenfalls auf den Schulhof.

Der Schultag entpuppt sich als die reinste Hölle. Bereits in der ersten Stunde verfluche ich mich, weil ich Miles im Auto so angezickt habe. Er hat recht, es hätte seine Entscheidung sein sollen. Aber so sehr ich ihn in den Pausen auch suche, um mit ihm zu reden, ich finde ihn nirgendwo. Auch Alexa kann ich nicht entdecken, entweder die beiden schwänzen, oder haben sich irgendwo verschanzt, wo man sie nicht finden kann.
Als es zum Schulschluss klingelt, bin ich so fertig, dass meine Freunde mir ziemlich besorgt nachsehen, während ich den Raum verlasse. Deprimiert und voller Schuldgefühle laufe mich zu meinem Auto. Doch dort angekommen, sehe ich Miles, der mit gesenktem Kopf dasteht und auf mich wartet.

"Miles!", sage ich erleichtert, "ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht! Es tut mir so leid, das war so schon schwer genug für dich und dann musste ich dich auch noch so anschreien und-", weiter komme ich nicht, weil ich von zwei Lippen auf meinem Mund unterbrochen werde.

"Schon gut, ich hab auch ein bisschen überreagiert... Ist zwischen uns wieder alles gut?", fragt er unsicher.

Hastig nicke ich: "Klar! Aber wie geht's dir? Musstest du dir viel anhören?"

Er schüttelt den Kopf: "Es war weniger, als ich erwartet hatte. Das geht schon, das bist du mir wert..."

Dieser einfache Satz lässt meinen Herz kurz stillstehen, nur damit es danach doppelt so schnell weiter pochen kann. In diesem Moment ist es mir völlig egal, ob irgendwer uns zuguckt und was die anderen denken. Ich schlinge ohne Nachzudenken meine Arme um die zierliche Gestalt von Miles und küsste ihn stürmisch.

Sooo, heute Mal ein bisschen Ärger im Paradies... ;)
Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem, lasst gerne Kommentare und Votes da, eure c_in_medias_res <3

Wer bist du?Where stories live. Discover now