dream

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Kim Taehyung war schon immer ein Junge gewesen, dessen Kopf voll von Träumen war. Manchmal waren sie so leicht wie eine Feder, schnell greifbar, erfüllbar in wenigen Sekunden; manchmal waren sie so schwer, dass er sie schon beinahe aufgab, aber Taehyung war nicht nur ein Träumer, er war auch jemand der vollkommen und ganz hoffte.
In Taehyungs Leben hatte es genau zwei Orte gegeben, an denen er gewusst hatte, dass Glück, Hoffnung und Träume wirklich existierten. Zum einen die Farm seiner Großmutter. Es war nicht einfach nur die Farm die ihn glücklich machte, nein, seine Oma, die immer an ihn geglaubt hatte, ihn mit jeder Faser unterstützt hatte und immer gelauscht hatte, wenn er seine verrückten Ideen zum Ausdruck gebracht hatte, hatte diesen Ort ganz besonders gemacht. Aber als sie starb und somit auch die Hoffnung mitnahm, die schon zuvor leicht am schwanken gewesen war, starb dieser Ort für ihn auch mit.
Dann gab es diesen kleinen Raum in der Schule, der eher einer Nische glich, weil sie so winzig klein war. Dort hatte er alle seine Träume aufgeschrieben und schließlich hatte er dort seinen größten Traum hineingelassen. Im Danbi. Er wusste nicht wieso er sich plötzlich so angezogen von ihr gefühlt hatte, zumal sie ihm anfangs nicht wirklich besonders erschienen war, aber es war passiert. Erst später, wenn er zuließ über sie nachzudenken, stellte er fest, dass er sich zuerst in ihre Worte verliebt hatte.
Auch dieser Ort starb. Es war an dem Tag gewesen, als er erfuhr, dass ihn BigHit tatsächlich genommen hatte, dass der Traum ein Sänger zu werden tatsächlich näher gerückt war. Es war für ihn selbstverständlich gewesen alles aufzuschreiben oder festzuhalten und zwar in dieser kleinen Nische, in dem alles steckte was er war. Die Wörter waren schon getippt, als er seinen Blick verträumt aus dem Fenster gleiten ließ, das den großen Baum im Garten der Schule zeigte. 
Als er zwei Personen unter dem Baum erkannte, erschien ein schmunzeln auf seinen Lippen und sofort wanderten seine Gedanken zu Danbi.
Er hatte noch nie wirklich so etwas für jemanden empfunden, er hatte niemals gedacht, dass er jemals so etwas im Leben gewollt hatte. Aber da war sie nun, und alle Träume die er zuvor gehabt hatte, verschoben sich in eine andere Richtung.
In seiner Zukunft, die er sich vorstellte, war er nicht mehr alleine, obwohl er das allein-sein nicht allzu schlimm empfand, aber es war nunmal ein besseres Gefühl, wenn man mit einem Partner, der einem ebenbürtig war, durch das Leben schritt.
Er richtete wieder seinen Blick auf die zwei Personen, die nun eng aneinander geschlungen waren. Stirnrunzelnd betrachtet er die kleinere Person etwas genauer, sie kam ihm so bekannt vor und da traf es ihn wie ein Schlag. Im Danbi küsste Kim Yugyeom. In dem Moment starben seine Träume und der Ort starb mit ihm.
Das ist die Wahrheit wieso Taehyung nicht das sah, was eigentlich passierte: zum einen die Entfernung und das seine Sicht von der beschmierten Scheibe stark reduziert wurde oder vielleicht war es, dass er es so sehen wollte?
Hier ist Kim Taehyungs Geheimnis, das er sich nicht mal selbst zugestanden hatte, aber es schwebte in seinen Hintergedanken und lauerte darauf hervorzukommen.
Er hatte Danbi versprochen sie nicht zu verlassen und das hatte er auch wirklich gemeint, aber was wenn er das nicht schaffte, was wenn er sie trotz seiner Worte und Versprechen enttäuschte? Er wollte sie nicht im Stich lassen, aber konnte sich nicht hundertprozentig sicher sein, dass er das selbe tun würde wie Yugyeom.
Also zog er sich zurück und sah was er sehen wollte.
Noch an diesem Tag packte er alle seine Sachen, sein Herz schwer, aber doch spürte er die leichte Freude über die Zukunft, die sich vor ihm ausbreitete. Die Hoffnung schwand, aber sie war noch immer da.

Er verließ Daegu und jagte seinem letzten großen Traum hinter her. Und bald war der Schmerz okay, es gab so viele neue Sachen und Leute und Impressionen die auf ihn einprasselten, aber Danbi blieb immer noch in seinem Hinterkopf, obwohl er sich strengstens dazu zwang sie zu vergessen.
Das Leben als Trainee war hart, aber er lernte Leute kennen, die sein Leben einfacher machten und als er endlich mit seiner kleinen Familie, Bangtan Sonyeondan, debutete war sein Traum schon beinahe perfekt.
Aber wie sich herausstellte war auch das nicht so einfach, kaum Fans, kaum Hörende die ihrer Musik lauschten. Aber auch diese Phase schaffte er, mit dem letzen Stückchen Hoffnung das in ihm übrig blieb.
Der Erfolg schlug so bombastisch zu, dass er für wenige Augenblicke auf Wolke 7 schwebte.
Doch auf einmal lagen zu viele Augen auf ihm, er fühlte sich beobachtet und jeder Fehler den er beging, wurde herausgepickt und ausgeschlachtet.
Sein Traum verwandelte sich zu einem Alptraum.
Seine Oma starb genau in dem Moment, als er sie am meisten brauchte, als die gesamte Kritik auf ihn nieder regnete und die Verbote sich in seinem Kopf wie ein lichtdichtes Gefängnis anfühlte.
Er war kein Junge mehr der träumte und hoffte; er war nur noch jemand der lebte.  Und das war das schlimmste für Kim Taehyung.

Als Danbi wieder in sein Leben auftauchte, unvorbereitet, war es wie ein heftiger Schlag in die Magengrube. Das schlimmste war dieser Schmerz, der sich steigerte und die Schuldgefühle die sich in seinem inneren regten und endlich zuließen, dass er sich eingestand ein völliger Feigling zu sein. Wie hatte er sie verlassen können, wenn er sie so sehr vermisste. Aber auch diese Gefühle schob er weg, weil es keine Hoffnung mehr gab und sowieso glaubte er, dass er jemanden wie Danbi nicht verdient hatte.
Es war nicht einfach sie wieder zu vergessen, beim ersten mal hatte es viel besser geklappt, aber jetzt schaffte er es es kaum. Ständig tauchte sie in seinen Gedanken und Leben auf und er wusste, dass er einen endgültigen Schlussstrich ziehen sollte.
Doch als sie diesen Satz sagte, dass sie ihn vermisst hatte, gestattete er sich wieder zu hoffen. Es war nur ein Fünckchen, aber es lebte wieder in ihm und zum ersten mal seit langem fühlte er sich einigermaßen wieder normal.
Der Vorschlag Freunde zu bleiben war ein Kompromiss; er glaubte noch immer nicht, dass er sie verdient hatte, aber Danbi los zu lassen war unmöglich.
Er lernte Danbis neue Seiten kennen und auch wenn sie sich verändert hatte, war sie immer noch das Mädchen mit dem er sich die Zukunft vorstellen konnte. Der Traum blühte vor ihm auf wie eine vergangene Blume.

Ich stand vor dem Briefkasten, das schwere Paket in meinen Händen, das alle meine Träume beinhaltete. Ich traute mich kaum es aus meinen Händen zu geben, aber mein Traum musste fliegen, bevor er in Erfüllung ging. Ich schmiss mein Manuskript in den Schlitz hinein und starrte eine weile gedankenverloren auf den schlichten Kasten, der so viele geschriebene Wörter in sich trug; meine nun auch, um sie fortzutragen und hoffentlich der Welt zu zeigen.
Ein leises surren ließ mich aus meiner Starre weichen. Ich kruschte in meiner Handtasche herum, bis ich mein Smartphone fand und klickte auf die Nachricht die Yugyeom mir geschrieben hatte.
Kommst du mal endlich?
Ich warte auf dich!
Augenverdrehend machte ich mich auf den Weg und schüttelte den Kopf über meinen ungeduldigen Freund.
Ich zog mir die Jeansjacke aus, die ich zuvor angezogen hatte, weil ich vorhin Wolken am Himmel entdeckt hatte, aber diese hatten sich verzogen und die Sonne strahlte wie üblich im September mit immenser Kraft auf uns hinunter. Ich beeilte mich; zu dem Geburtstag meiner besten Freundin wollte ich wirklich nicht zu spät kommen.

In unserer Wohnung war es unerträglich warm, aber Yugyeom hatte mehrere Ventilatoren aufgestellt, die nicht mal Sunny und mir gehörten. Nervös fuhr sich Yugyeom durch das schwarze Haar und linste zum hundersten mal auf seine Uhr. Er murmelte irgendwas von fünf Minuten und Sunny. Bevor er so wirklich austickte, versuchte ich ihn abzulenken.
"Wo ist eigentlich..-"
Ich wurde durch ein kruschen an der Haustür unterbrochen.
Panisch warf mir Gyeom einen Blick zu. "Sie sollte doch erst in fünf Minuten auftauchen!", jammerte ich verzweifelt.
"Hol den Kuchen!" Ich eilte in die Küche und holte die übergroße Torte hervor, für die Yugyeom wahrscheinlich ein Haufen Geld ausgegeben hatte. Hastig zündete ich die Wunderkerzen an und hörte schon Sunnys Stimme an der Wohnungstür, die meinen Namen rief.
"Happy Birthday!", kreischte ich lauter als ich sollte und lief vorsichtig mit den Kuchen ins Wohnzimmer, in dem Yugyeom schon seine Freundin begrüßt hatte.
Er drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die beiden so zusammen zusehen, war noch immer seltsam für mich, aber es schmälerte nicht meine Freude, dass Sunny endlich einen gescheiten Freund gefunden hatte. Auch wenn es nur Yugyeom war.
Sunny löste sich von Gyeom, schenkte mir mein liebstes Sunny-lächeln und starrte verzaubert auf den Kuchen den ich vorsichtig auf den Tisch abstellte, um sie zu umarmen.
"Störe ich?" Erschrocken fuhren wir drei zusammen. Yugyeom boxte seine Faust spielerisch gegen Taehyungs Arm. "Wir haben auf dich gewartet."
Auch das war ein komischer Anblick: Taehyung und Yugyeom verstanden sich wirklich. Wahrscheinlich lag das an ihrem gemeinsamen Freund Jeongguk, der die beiden förmlich dazu gezwungen hatte miteinander zurecht zu kommen.
Taehyung warf ihm ein entschuldigendes lächeln zu und ging auf Sunny zu. "Ich wollte das Geburtstagskind natürlich nicht warten lassen." Kurz umarmte er meine beste Freundin und streckte danach automatisch eine Hand nach mir aus, die ich sofort ergriff. Er drückte kurz meine Hand und als er lächelte, war da nichts als wärme in seinen Augen.
Ich hatte schon immer den Moment zwischen Schlafen und Wachen geliebt, wenn du dich an alle Träume erinnern kannst, die deine Gedanken dir vorspielen. Und genauso kam mir dieser Moment vor: wie ein süßer Traum, der Wirklichkeit geworden war.

daydream.-kim.taehyungOù les histoires vivent. Découvrez maintenant