Kapitel 1

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Heulend kauerte Christina auf dem Sofa, während ihr Kopf auf dem Schoß ihrer Schwester lag. Beruhigend strich Stefanie ihr durch das Haar und schwieg. Es war besser, ihre große Schwester erst einmal weinen zu lassen, bevor sie nachfragte, was sie denn so sehr aufgewühlt hatte.

Stefanie rollte über sich selbst die Augen, bei dieser Überlegung. Sie konnte sich schon denken was geschehen war, auch wenn sie die Einzelheiten noch nicht kannte. Erst vor drei Tagen hatte Jürgen, Christina nach zwei jähriger Beziehung verlassen, es war also anzunehmen, dass es irgendetwas mit diesem Typen zu tun hatte.

Nach beinahe einer halben Stunde hatte es Christina endlich geschafft sich wieder zu beruhigen und sie sah mit gläsernen Augen zu Stefanie hinauf, die mitfühlend hinunter blickte. „Willst du mir erzählen was passiert ist, oder soll ich gleich dazu übergehen diesen Mistkerl zu verfluchen?", fragte sie mit weicher Stimme nach.

Ein Lächeln huschte über Christinas Gesicht, bevor die Erinnerungen an den vergangenen Abend wieder vor ihren Augen aufblitzten und sich sofort wieder Tränen in ihren Augen sammelten, nur um im nächsten Moment ihr Gesicht hinab zu laufen.

Stefanie seufzte in sich hinein, bei dem Anblick und wünschte sich in diesem Moment innig, diesem Arschloch einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen zu können. Christina hatte eine solche Behandlung einfach nicht verdient. Trotzdem war tief in Stefanies Inneren ein Teil, der sich freute, dass diese Beziehung endlich ein Ende gefunden hatte.

Jürgen hatte Christina nie wirklich gut behandelt. Okay es war nicht so, als wäre er ihr gegenüber ausfallend geworden oder Gott bewahre, er sie geschlagen hätte. Doch es waren Kleinigkeiten, die Stefanie gegen den Strich gingen, zum Beispiel, dass er immer bissige Kommentare geäußert hatte, wenn er und Christina gemeinsam ausgegangen waren. Ihre Schminke war zu auffällig, ihre Kleidung zu aufreizend, solche Dinge eben.

Und was Stefanie wirklich zum kochen brachte war, dass Christina sich über die Zeit hinweg seinen Wünschen und Vorstellungen angepasst hatte. Es passierte nicht von jetzt auf gleich, doch für Außenstehende war es sichtbar. Auch war dieser Mistkerl nicht bereit irgendwelche Kompromisse einzugehen, die in einer gut funktionierenden Beziehung eigentlich ein Teil sein sollten und zwar beidseitig.

Doch nicht so für Jürgen. Er konnte tun und lassen was er wollte, aber wenn Christina etwas tat, das ihm nicht passte, war ein handfester Streit vorprogrammiert. Herr Gott, Christina hatte nicht mal über die Farbe der Bettwäsche entscheiden dürfen, als sie in eine gemeinsame Wohnung gezogen waren.

Christina, blinzelte die Tränen aus ihren Augen und sah wie Stefanie vor Wut beinahe kochte. Sie kannte den Blick den sie gerade hatte und dieser hieß nie etwas Gutes, für denjenigen gegen den er gerichtet war. Wieder huschte ein Lächeln über ihre Lippen und dieses Mal verschwand es nicht wieder.

„Als ich gestern bei Christoph ankam, war Jürgen schon da. Als ich alle begrüßt habe, nahm er mich zur Seite, weil er mit mir reden wollte.", begann Christina zu erzählen. „Du warst dumm genug dir wieder Hoffnungen zu machen.", sagte Stefanie mit einem kleinen Vorwurf in ihrer Stimme. Sie verstand einfach nicht, wie ihre Schwester sich für einen Mann so demütigen konnte.

„Ja, nein.", rief Christina aus. „Ach ich weiß auch nicht. Aber er wollte auch gar nicht über uns reden. Er wollte, dass wir niemandem erzählen, dass wir uns getrennt haben. Er meinte, dass es nur den Abend verderben würde, wenn wir diese Neuigkeit gerade an Silvester offenbaren würden."

Stefanie zog eine Augenbraue hinauf und sah ihre Schwester verdattert an. „Offenbaren? Er hat wirklich das Wort offenbaren benutzt? Ich wusste gar nicht, dass sein Wortschatz so groß ist.", bemerkte sie in sarkastischem Ton. „Nein, dass ist mein Wortlaut gewesen. Ich weiß nicht genau welche Worte er genau benutzt hat, mein Kopf war nach seiner Aussage irgendwie nicht mehr richtig zurechnungsfähig."

„Und wie ist es dann weiter gegangen? Hast du dich auf diesen Schwachsinn eingelassen?", fragte Stefanie nach, obwohl sie die Antwort bereits kannte. „Ich bin dann einfach zurück zur Party gegangen und habe ihn den Rest des Abends ignoriert. Solange mich niemand gefragt hat, habe ich auch nichts gesagt, doch als Christoph mich darauf ansprach habe ich es ihm erzählt."

Stefanie war noch nie in ihrem Leben so stolz auf ihre große Schwester gewesen. Endlich hatte sie mal eine Situation genau so geklärt wie sie selbst es getan hätte. „Und was ist dann geschehen?" Das konnte noch nicht alles gewesen sein. Da musste noch etwas kommen, sonst wäre Christina nicht so aufgelöst gewesen.

„Wir sind danach noch in den Club und eigentlich war ich gut drauf. Christoph und Sascha haben sich den ganzen Abend um mich gekümmert und dafür gesorgt, dass ich nicht über diesen Idioten nachdenken musste. Doch dann im Club..." Wieder begannen Tränen Christinas Gesicht hinab zu laufen und Stefanie reichte ihr etwas hilflos ein Taschentuch. „Ich habe ihn mit Sandra seiner Ex rumknutschen gesehen.", brachte sie unter Schluchzern hervor.

Stefanie schloss gequält die Augen und seufzte nun laut, sie konnte es einfach nicht verhindern. „Was hast du dann getan? Also ich meine, außer dich sinnlos zu besaufen?" Sie war noch immer wütend auf ihre Schwester, weil sie sich so haltlos betrunken hatte und dann auch noch allein in den frühen Morgenstunden die 6 Kilometer nach Hause gelaufen war.

„Nichts. Was hätte ich machen sollen? Hätte ich sie auseinanderreißen und verprügeln sollen? Wir sind kein Paar mehr, also kann er tun und lassen was er will.", war ihre Antwort. Noch immer schmerzte Christina der Gedanke an diesen Anblick, doch sie war noch nicht irrational genug, um handgreiflich zu werden.

„Gut, dann vergiss den Typen einfach, denn er ist es nicht wert." Stefanie war bewusst, wie klischeehaft ihre Aussage war, doch etwas Besseres wollte ihr einfach nicht in den Sinn kommen. Vielleicht auch, weil sie noch nie einen solchen Herzschmerz wie ihre große Schwester erlebt hatte. Sie war 26 Jahre alt, doch noch nie wirklich richtig verliebt gewesen.

Sie hatte geglaubt ihren ersten Freund, damals mit 15 Jahren zu lieben, doch wenn sie heute zurück dachte, konnte man diese Gefühle wohl nicht als wirkliche und wahrhaftige Liebe bezeichnen. Und alle Männer die danach kamen, hatten es nie in ihr Herz geschafft. Es war eine schöne Zeit solange sie zusammen waren und wenn es nicht mehr funktionierte, dann beendete sie die ganze Sache und damit hatte es sich erledigt.

Viele verurteilten sie für dieses Verhalten, doch Stefanie war sich sicher, wenn sie einen Mann wirklich lieben würde, dann wäre sie auch bereit es trotz Problemen zu versuchen, doch da dies nicht der Fall war, fand sie, dass es besser war früher Schluss zu machen, als die Beziehung weiter fort zu führen, nur um den armen Mann dann nur noch mehr zu verletzen.

Christina begann nach den Worten ihrer kleinen Schwester wieder erneut zu heulen an. Sie wusste logisch gesehen, dass sie Recht hatte, doch sie konnte ihre Gefühle auch nicht einfach ausschalten. Sie liebte Jürgen, auch wenn er noch so ein Arschloch war und sein Verhalten sie schmerzte.

Gemeinsam mit meiner Schwester in einer fremden WeltWhere stories live. Discover now