Kapitel 11

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Sie neigte als Antwort nur einmal das Haupt, bevor sie sich einfach wegdrehte und sich Christina zuwendete, die noch immer damit beschäftigt war, sich die Ware des Ladens anzusehen. „Irgendetwas entdeckt, dass dein Interesse geweckt hat?", fragte sie in normaler Stimme nach und machte sich nicht einmal die Mühe ihr Gespräch vor anderen Ohren zu verbergen.

Kopfschüttelnd sah Christina zu ihrer Schwester und bewunderte ihr schauspielerisches Talent und versuchte so gut es ging ihr Verhalten zu übernehmen. Stefanie hatte sicherlich einen guten Grund, weshalb sie so einen arroganten Charakter spielte. „Hier gibt es nichts, was unserer Zeit wert wäre, nur Kräuter die man überall finden kann und die Qualität ist auch nicht herausragend."

Stefanie nickte einmal und war froh, dass ihre Schwester sie wortlos verstanden und sich ihr angepasst hatte. Dann begann sie damit sich selbst die ausgelegten Heilkräuter anzusehen und zu begutachten. Christina hatte nicht übertrieben, diese Pflanzen waren wirklich nichts Besonderes und die Qualität konnte sich mit den Gewächsen die in der Sonnendimension wuchsen nicht messen.

Wie es schien hatte das Feld auf dem sie wuchsen Vorteile von denen sie bisher noch nichts gewusst hatten. Wenn sie wieder zurück waren, sollten sie dies Mal einer Probe unterziehen. Als Stefanie an einem Regal mit Samen vorbei ging, kam ihr ein Gedanken und sie winkte einen der Diener des Geschäfts zu sich.

Mit schnellen Schritten kam er zu ihr geeilt und verneigte sich vor ihr. „Wie kann ich der ehrenwerten Dame behilflich sein?", fragte er mit höflicher Stimme nach. Dieser Junge gefiel Stefanie auf Anhieb, er schien kein Arschkriecher zu sein, sondern war einfach nur höflich und zuvorkommend. Seine Augen waren auch klar und zeigten keine Gier, wie die der Wache.

„Sind dies hier die einzigen Samen die dieses Geschäft vorrätig hat?" Sie würde einige kaufen und in der Sonnendimension pflanzen, um zu sehen, ob sie auf eine besondere Weise wuchsen. „Um der ehrenwerten Damen zu antworten, Divine Herbal Hall besitzt noch einige ganz besondere Samen, doch diese befinden sich im oberen Bereich, zu dem nur ausgewählte Gäste Zugang besitzen."

Kurz dachte Stefanie nach, doch diese Null Acht Fünfzehn Kräuter hatten sie zur Genüge, noch mehr davon zu besitzen würde ihnen nur den Platz für wichtigere Gewächse nehmen. „Wäre es möglich zu erfahren um welche Kräuter es sich dabei handelt? Ich würde gerne wissen, ob sich darunter etwas befindet, das mein Interesse wecken kann."

Der Diener zählte ihr eine Liste von Kräutern auf und Stefanie nickte zufrieden. Zwar hatte sie diese Pflanzen noch in ihrer eigenen Dimension, doch es würde nicht schaden, noch welche auf Vorrat zu haben, immerhin würden sie irgendwann aufgebraucht sein. „Ich würde gern all diese Samen kaufen.", sagte sie in monotoner Stimme, als würde sie einfach ein belegtes Brötchen am Bahnsteig erstehen.

Geschockt riss der Diener die Augen auf und wusste nicht was er dazu sagen sollte. Auch um sie herum hatten die Besucher ihre Gespräche eingestellt, als sie diese wahnwitzige Aussage hörten. Schon ein Korn auf dieser Etage kostete 15 Goldstücke pro Samen, die auf der Zweiten waren seltene Heilkräuter und man bezahlte mindestens 100 Goldstücke für ein einziges Samenkorn.

Dazu war es nicht einfach Heilkräuter anzupflanzen, weshalb es nur begabte Alchimisten oder Mediziner wagten einen Versuch zu starten und selbst bei ihnen war es nicht gewiss, dass dies von Erfolg gekrönt war.

„Ich werde mit dem Geschäftsführer sprechen müssen, um einen solchen Handel ausführen zu können.", stotterte der Diener, verneigte sich erneut und rannte davon, wobei er einige Male über seine eigenen Füße stolperte. Leise lachend stellte Christina sich hinter ihre kleine Schwester. „Womit hast du ihm denn solche Angst eingejagt?", fragte sie.

„Ich würde gern ein wenig experimentieren, weshalb ich einige Samen kaufen möchte. Wie es jedoch scheint ist dies kein einfaches Geschäft und muss vom Geschäftsführer abgesegnet werden." Christina verstand es nicht wirklich doch sie nickte erhaben, als antwort.

Irgendwie machte ihr dieses Spiel spaß. Stefanie und sie waren schon von klein auf, gern in fremde Rollen geschlüpft. Deswegen arbeiteten sie später auch für die Polizei als Undercover Agenten. Niemand geht davon aus, dass zwei Schwestern sich den gleichen Beruf aussuchen und zusammen bei der Polizei sind.

Noch dazu arbeiteten sie nicht wirklich für die Polizei, jede von ihnen hatte ihren eigenen richtigen Beruf. Christina arbeitete als Fachangestellte in einer Anwaltskanzlei und Stefanie auf einem Bauernhof, als Verwalterin. Diese ganze Undercover Geschichte taten sie nur, wenn sie gebraucht wurden und ihre Fähigkeiten gefragt waren. Sonst führten sie ein ganz normales Leben und waren auch glücklich damit.

Als der Diener kurze Zeit später wieder zurück kam, war er ganz rot im Gesicht und schnaufte, vor Anstrengung. „Ich bitte die ehrendwerten Damen, mir zu folgen. Ich würde Euch nun zu unserem Geschäftsführer bringen." Überall um sie herum setzte Getuschel ein, doch sie kümmerten sich nicht weiter darum, als sie dem Jugendlichen folgten.

Er führte sie eine gewundene Treppe bis in den dritten Stock hinauf, einen Gang mit wunderschönen Gemälden entlang, in einen Raum, der vor Reichtum nur so strotzte. Stefanie musste sich zusammenreißen, um nicht angewidert mit der Nase zu rümpfen.

All dieser Pomp, mit dem Gold und den Edelsteinen, beeindruckte sie keineswegs, sondern stieß sie eher ab. Sie warf ihrer Schwester einen kurzen Blick zu und ihre Augen trafen sich und sie erkannte genau, was Christina gerade dachte. Dieser Mann hatte eindeutig etwas zu kompensieren.

Kurz huschte ihr ein Lächeln über die Lippen, bevor sie sich auf den Mann im mittleren Alter vor sich konzentrierte. „Bitte nehmt doch Platz, meine ehrenwerten Damen." Dabei zeigte er auf eine mit Seide bezogene Couch vor sich und ließ sich ihnen gegenüber fallen, als sie Platz genommen hatten.

„Wie kann dieser einfache Diener, den ehrenwerten Damen zu diensten sein?", fragte er mit schleimiger Stimme und schickte damit eine Gänsehaut über den Rücken der Schwestern. Stefanie atmete einmal tief durch um sich zu fangen, bevor sie zu sprechen begann.

Sie fasste sich zur Tarnung an ihren Ring und ließ dann den Ginseng in ihrer Hand erscheinen. Auf alle die es nicht besser wussten im Raum, hatte es nun den Eindruck, als hätte die den Ginseng aus ihrem Spitalring geholt. Diese waren selten und wertvoll, doch man sah diese oft bei Familien von Adel oder Reichtum.

„Ich würde diesen 5.000 Jahre alten Ginseng gern verkaufen, da wir keine Verwendung für ihn haben." Sie ließ es mit Absicht so klingen, als würde ein so alter Ginseng keine Besonderheit für sie darstellen. Zwar hatte Stefanie anfangs vor gehabt nicht weiter aufzufallen, doch nach dem die Wache die Schwestern so von Oben herab behandelt hatten, musste sie ihre Einstellung einfach ändern.

Sie würden in der Zukunft noch öfter in die Hauptstadt kommen, sich hier vielleicht sogar ein Anwesen kaufen und nieder lassen. Wenn sie also nicht herum geschubst werden wollten, dann mussten sie gleich zu Beginn klar machen, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Dafür würde sie sie auch glauben lassen, dass sie eine mächtige Institution hinter sich hatten. Solange sie es nie explizit sagte, konnte sie im nach hinein niemand beschuldigen gelogen zu haben.

Gemeinsam mit meiner Schwester in einer fremden WeltWhere stories live. Discover now