Kapitel 22

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Danach drehte sich Stefanie einfach weg und verschwand in einem Sekundenbruchteil im Nahe gelegenen Wald. Sie würde die Böse spielen, wenn dies bedeutete, dass sie sicher waren. Kaum war sie sich sicher, dass sie niemand mehr sehen konnte, ließ sie sich fallen und lehnte sich erschöpft an einen Baumstamm.

Eine einzelne Träne rann ihr das Gesicht hinab. Wütend setzte Stefanie ihre Maske ab, schmiss sie zur Seite und wische diesen unerwünschten Salzwassertropfen, der über ihre Wange glitt, weg. Auch ihr Magen begann wieder zu rebellieren, doch sie schluckte angestrengt um den Brechreiz zu unterdrücken.

Sie war nicht so stark wie sie noch kurz zuvor getan hatte. Genau genommen war das genaue Gegenteil der Fall. Am liebsten würde sie sich einfach in einem weichen Bett verkriechen und nie wieder heraus kommen, die Welt dort draußen einfach vergessen. Sie tat dies alles nur, da sie wusste, dass Christina nicht so ein Einsiedler wie sie war. Ihre große Schwester brauchte Menschen um sich herum, sonst würde sie irgendwann durchdrehen.

Also würde sie das eiskalte, gefühllose Miststück spielen und alles tun was nötig war. Auch wenn sie mit ihren Aktionen bei Christina auf Unverständnis stoßen sollte, wie bei der Geschichte mit den Bindungsarmbändern. Obwohl dies gar nicht so sehr gegen ihre Veranlagung ging, denn sie vertraute diesen Leuten wirklich nicht und war froh, dass sie sich so vor einen Betrug schützen konnte.

Schon in ihrem alten Leben hatte Stefanie niemandem außerhalb ihrer Familie wirkliches Vertrauen entgegen gebracht. Menschen waren wankelmütige Wesen die leicht durch Gefühle beeinflusst werden konnten. Und da sich Emotionen mit der Zeit veränderten, konnte man sich nie sicher sein, wann man betrogen oder verlassen wurde.

Deswegen hatte Stefanie auch keine Freunde in den letzten sechs Jahren ihres alten Lebens gehabt. Der Schmerz, wenn sie sich von einem abwendeten war einfach mehr als sie ertragen konnte. Weshalb sie Menschen schon aus Reflex heraus auf Abstand hielt, so konnte sie sich vor einer erneuten Enttäuschung schützen.

Christina war in dieser Hinsicht stärker als sie. Egal wie oft man sie betrog sie streifte es nach einer Zeit der Trauer einfach ab und schlug eine neue Seite auf. Stefanie war dazu nicht in der Lage, noch heute zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen, wenn sie an all die Menschen dachte, denen sie vertraut und mit denen sie so viel geteilt hatte, mit denen sie durch dick und dünn gegangen war, und die sie trotzdem verlassen hatten.

Sie fanden neue Freunde oder deren neue Freundin wollte nicht, dass ihr Freund mit Stefanie befreundet war. Jahrelange Freundschaften die Stefanie so unendlich viel bedeutet hatten, waren von einem Tag auf den anderen einfach zerbrochen. Sie wurde ersetzt und als entbehrlich angesehen, dies war ein Stachel in ihrem Herzen den sie einfach nicht loswerden konnte.

Doch es hatte sie auch über das wahre Innere eines Menschen gelehrt, sie verstand ganz genau, dass sich Leute nur zu leicht ändern konnten und sich ihre Gefühle einem anderen Menschen gegenüber leicht änderten. Es hatte sie zu einer Realistin gemacht, weshalb sie sich nur auf unumstößliche Tatsachen verließ.

Sie hatte ein gutes Gefühl bei diesen vier Neuen, doch sie würde sich nicht allein auf ihren Instinkt verlassen. Außerdem gab es so etwas wie unbedingte Loyalität in ihren Augen nur in der Familie und selbst da war dies nicht immer sicher.

Stefanie wollte Stefanus und dem Rest nicht vorwerfen, dass sie etwas im Schilde führten, doch sie würde es auch nicht dem Zufall überlassen. Zwar vertraute sie ihnen nicht, doch sie würde sie auch nicht schlecht behandeln, genau genommen, hätte keiner von ihnen wohl bessere Herrinnen als sie und ihre Schwester finden können.

Langsam beruhigten sich bei diesem Gedanken ihre aufgewühlten Gefühle wieder.

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Christina starrte Minuten lang gedankenverloren auf die Stelle, wo Stefanie zuvor im Wald verschwunden war. Ihre Augen waren weich und mitfühlend, denn sie wusste genau was in ihrer kleinen Schwester vor sich ging. Sie kannte Stefanie seit ihrer Geburt und sie waren immer zusammen gewesen. Wie konnte ihr entgehen was sie quälte?

Auch wenn Stefanie in ihrem alten Leben nie wirklich offen über dieses Thema mit Christina gesprochen hatte, so war sie doch nicht auf den Kopf gefallen und hatte die großen Veränderungen im Verhalten und ihrer Persönlichkeit nicht übersehen können.

Leider gab es nichts womit sie ihr hatte helfen können. Sie seufzte und schenkte dann ihren neuen Angestellten ihre volle Aufmerksamkeit. „Lasst mich euch erklären was es genau mit meiner Schwester und mir auf sich hat und weshalb diese Bindungsarmbänder so wichtig für uns sind."

Sie hatte das Gefühl ihnen eine Erklärung zu schulden, auch wenn ihr Kopf ihr sagte, dass dies vollkommen überflüssig war, da andere „Arbeitgeber" sie wesentlich schlechter behandeln würden. Doch sie konnte einfach nicht aus ihrer Haut und nur weil sie nun in einer anderen Welt waren, hatte sie nicht vor sich selbst aufzugeben.

Also begann von ihrem alten Leben und ihrem Tot zu erzählen. Wie sie in dieser neuen Welt gelandet waren und unter welchen Umständen sie die Körper ihrer Vorgängerinnen hatte übernehmen können. Wie sie ihre eigenen Dimensionen entdeckten und was sich darin befand und welche Vorteile sie durch sie bekommen hatten.

Dann ging sie zu ihren Spiritbiester über, die sie ihnen auch gleich vorstellte und dass sie nur deretwegen ihre Sonnendimension verlassen hatten um Spiritsteine für sie zu besorgen.

Auch verheimlichte sie nicht vor ihnen, dass sie nie geplant hatten Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sie sicherlich auch keine Arbeiter hatten bei sich aufnehmen wollen.

Jens verstand nicht wirklich was seine Herrin über eine andere Welt erzählte, doch ihm wurde bewusst, was für außergewöhnliche, begabte und erstaunliche Frauen diese jungen Kultivatoren waren. Mit kindlich strahlenden Augen hang er an den Lippen der blonden Frau und hörte ihrer Geschichte mit Begeisterung zu.

Anders als die Kinder war David ganz ruhig. Es war nicht das erste Mal, dass ihm jemand begegnete, der durch eine Seelenwanderung den Körper eines anderen Menschen übernommen hatte. Um genau zu sein, war dieses Phänomen gar nicht mal so selten, wie normale Menschen die keine Kultivatoren waren, vielleicht annehmen würden.

Was ihn jedoch erstaunte und ihm ein Hochgefühl verlieh war die Beschreibung der drei eigenständigen Dimensionen, die sich im Besitz der Schwestern befanden. Zwar wusste er nicht genau worum es sich dabei handelte und wie sie entstanden waren, doch er erkannte den Nutzen und den großen Vorteil den sie mit sich brachten.

Leider war es ihm nicht möglich in den Besitz dieser kleinen Welten zu gelangen. Nicht nur wegen dem Bindungsarmband, dass er trug, sondern auch weil sie Teil der Körper dieser Frauen waren. Diese Schätze würde man ihnen nie stehlen können, sie gehörten zu ihnen und er wagte sogar zu behaupten, dass sie nicht mal zu den originalen Körpern, sondern eher zu den Seelen der zwei Mädchen gehörten.

Man würde sie also wahrscheinlich nicht einmal übernehmen können, wenn man durch eine Seelenübernahme ihr Körper besetzte. Allerdings kam ihm da ein anderer Gedanke.

Gemeinsam mit meiner Schwester in einer fremden WeltWhere stories live. Discover now