12. Rose, wer bist du?

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12. Rosie, Wer bist du?

Ich schloss die Tür auf, hielt jedoch inne, als ich Rosies aufgebrachte Stimme aus dem Wohnzimmer vernahm. „Clark, ich sagte dir doch, dass ich nicht weiß wie weit sie ist!“, rief sie nun in den Hörer des Telefons, wie ich nun erkannte. Ich schlich näher heran und versteckte mich neben dem Türrahmen. Rose seufzte, ein tiefes Seufzen. Was geht hier nur vor? Mal wieder wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich linste kurz an die Seite und sah, dass Rosies Hand flach auf dem Tisch lag. Sie hatte auf ihn geschlagen, versucht ihrer Wut Luft zu machen. „Nein! Sie soll da nicht mit hineingezogen werden! Ich habe bereits einen Menschen durch euch verloren! Ihr habt ihn mir genommen!“, schrie sie wutentbrannt. So hatte ich Rosie noch nie erlebt, sie schien weit weg, erinnerte nicht mehr an die nette Frau, welche sich jeden Tag mit so viel Liebe um mich kümmerte. Sie sah gebrochen aus, ihre Unterlippe zitterte, ihre Hand krallte sich so fest an das Telefon, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten, ich wusste nicht wieso, aber ich spürte wie mir Tränen die Wangen herunterliefen. Ich hätte dies nicht hören dürfen! Ich hätte sie nicht so sehen dürfen. Ich hätte sie nicht verlieren dürfen…Mum…Dad, ich vermisse euch so!

Ich konnte mich nicht bewegen, rutschte leise die Wand herunter und vergrub mein Gesicht in meinen Knien, die Stimme war vergessen, Chris war vergessen, alles weit weg. Ich fühlte mich zurückversetzt in mein achtjähriges Ich, hörte nur dumpf wie Rosie immer hysterischer in den Hörer schrie. „Sie ist noch nicht soweit! Es ist viel zu gefährlich! Du kannst sie mir nicht nehmen! Sie nicht!“ Es herrschte einige Zeit Ruhe, doch mich interessierte es nicht. Ich sah Bilder aus vergangenen Zeit vor meinen Augen tanzen, wollte zurück. Meine Vernunft hatte sich verabschiedet, ich dachte nur noch daran, warum wir nicht zusammen gegangen waren. Gab Dad die Schuld dafür mich alleine gelassen zu haben.

Du warst so egoistisch, weißt du das? Rennst lieber in den Tod, anstatt deiner Tochter beizustehen. Ich habe ansehen müssen, wie ihr beide vor meinen Augen verschwindet! Manchmal hasse ich dich dafür!

„Ich habe meinen Sohn verloren, meine Enkelin werde ich nicht verlieren!“, schlagartig wurden meine Gedanken klar. Ich konnte es nicht fassen, sie hatte ebenso einen großen Verlust erlitten, doch nie etwas gesagt. War immer gutmütig, hat sich nie etwas von ihrer Trauer anmerken lassen. Ich schluckte meine eigene Trauer herunter und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch, lehnte meinen Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Immer noch rannen mir Tränen an den Wangen hinunter, doch dieses Mal galten sie nicht mir und meinem Selbstmitleid, sondern Rose. Die starke Rose, welche genauso leidet wie ich und es trotzdem nie zeigt.

Sie hat eine Enkelin. Sie hat nie von ihr erzählt! „Sag mal, bist du jetzt total unterbelichtet, oder stehst du einfach generell auf dem Schlauch?“, erwiderte Janine seufzend. Was willst du denn jetzt von mir? „Ich will, dass du nachdenkst, du dumme Kuh!“ –Hey, das war jetzt wirklich unter der Gürtellinie!- „Irgendwie muss man es ja in deinen Kopf hämmern!“

„Clark, ich bitte dich! Nimm sie mir nicht weg. Sie ist doch alles, was ich habe!“, ihre Stimme war leise, flehend. Es kostete mich viel Mühe, nicht aufzuspringen und ihr das Telefon aus der Hand zu reißen. Ich wollte sie nicht leiden sehen. Ich widerstand diesem Drang und plötzlich schien mein Hirn wieder zu arbeiten und sich nicht mehr nur auf Rose auszurichten. Der Name Clark schien mir irgendetwas zu sagen, als hätte ich ihn erst kürzlich gehört, aber wo?

„So dumm, kannst auch wirklich nur du sein!“, sagte Janine frustriert.

Ich ignorierte sie gekonnt, massierte mir die Schläfen und dachte zurück an das Treffen mit Chris. Auf einmal ergab es einen Sinn. Der Freizeitpark, Yade, Clark, Chris, meine Eltern. Alles fügte sich langsam zusammen, ich wusste dass dieser Clark am Hörer und der Clark von damals der Gleiche war. Denn mal ganz ehrlich, solche Zufälle gab es nicht.

Sweet Dreams- Du musst dich nur erinnernWhere stories live. Discover now