14. Das ist nicht wahr

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01.   Das ist nicht wahr!

Geschockt sah ich sie an. „Du lügst!“ Ich sagte dies leise, flehend, spürte wie mir das Wasser in die Augen stieg und wollte es nicht wahr haben. „Du lügst!“, schrie ich ihr dieses Mal lauter ins Gesicht. Sie erwiderte nichts und schaute mich ihrerseits mit tränengefüllten Augen an. „Sag mir, dass du lügst!“ Sie antwortete nicht. Sie brauchte auch nicht zu antworten, denn nun nachdem ich eins und eins zusammen gezählt hatte, war es klar. Von Anfang an, wusste sie so viel über mich, hatte sich mit solcher Hingabe um mich gekümmert, gab Acht auf mich. Doch trotzdem hatte sie mich belogen, ich war verletzt. Verletzt von der einzigen Person, von der ich dachte, dass sie keine Geheimnisse vor mir hätte.

Wie konnte ich nur so dumm sein?

Sie hatte keine andere Familie. ICH, war ihre Familie, doch wie konnte ich dieser Frau wieder vertrauen, wenn unser ganzes Verhältnis auf einer Lüge basierte? Sie war nie nur eine Nanny, sie war meine Großmutter! Ich war irgendwie erleichtert, aber auch verwirrt, doch das Gefühl, welches in diesem Moment überwog war Wut!

„I-ich, wollte es dir sagen, aber…“, wimmerte sie. Es tat mir weh, sie so zu sehen, doch konnte ich mich nicht beherrschen. „Was? Was, Rose?“, unterbrach ich meine Großmutter. „Wolltest du mir sagen, dass alles was zwischen uns ist, auf einer Lüge aufgebaut ist? Dass es dir Leid tut?“ Die Tränen rannen mir unkontrolliert die Wangen herunter. „Weißt du, wie verletzend es ist, zu glauben man sei der letzte Teil dieser Familie? Weißt du wie schwer, es für mich war, jemanden an mich heran zu lassen?“ –„Jane, ich habe das nur getan, weil ich dich schützen wollte!“, erhob sie nun ihrerseits die Stimme. „Vor was? Vor was, willst du mich schützen?“, schluchzte ich. „Das kann ich dir nicht sagen.“, ihre Stimme klang traurig. „Reicht es nicht, dass du mir die ganze Zeit verschweigen hast, dass du meine Großmutter bist? Was ist dir wichtiger, unsere Beziehung oder mir zu sagen, wovor ich Angst haben muss?“, rief ich. Sie flüsterte nur ein „Es geht nicht.“ Ich stand auf und räusperte mich, setzte ein neutrales Gesicht auf und drehte ihr den Rücken zu. „Ich weiß nicht, wann ich wieder da sein werde.“, sagte ich ebenso neutral und schritt Richtung Tür. Ich konnte ihr leises schluchzen hinter mir hören, doch es war mir egal. Meine Gefühle waren stumm, mein inneres leer. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, dachte ich nur…

…Gefühle, wer braucht die schon….

Ich lief durch die Straßen New Yorks, ich hatte vergessen eine Jacke anzuziehen und trug noch immer meine Hausschlappen. Es war mir egal, wie die Leute mich anstarrten. Es war mir egal, dass ich nur eine Leggins und einen Pullover trug. Es war mir egal, dass Rose Zuhause weinte. Alles war mir egal. Ich wollte nur weg, fort von hier, weit weg, wo mich niemand kannte und niemand Fragen stellte. Allein sein, darin war ich doch Profi.

Es wurde langsam dunkel, längst hatte ich keinen Überblick mehr, von der Zeit, noch von sonst was. Alles schien mir aus der Fingern zu gleiten, doch trotzdem war ich hier. Saß auf der Bank im Schulgarten und sah zu wie die Sonne unter ging. Dieser Ort strahlte eine solche Ruhe aus, er war wie eine Oase der Zuflucht für mich. Die Kälte, welche mich immer mehr umfing, machte mir nichts aus.

Das Wetter passt sich meinem Inneren an.

Ich erwartete eine schnippische Bemerkung, doch es kam nichts, es war still.

Janine?

Wieder nichts. Nun hatten mich wohl alle verlassen.

Ich lag auf dem Rücken und hatte meinen Kopf auf meinem rechten Arm abgestützt und schaute in den Himmel.

Gott, warum ist das Leben nur so unfair?

Keine Antwort, wäre ja auch zu schön gewesen. Durch die ganzen Stimmen, welche ich in letzter Zeit glaubte zu hören, wurde ich noch komplett Banane. Ich seufzte und zitterte leicht. Es wurde kälter als gedacht. Die Sonne war schon längst hinter dem Horizont verschwunden und der Mond zierte das Antlitz des Himmels. Sterne umringten ihn, als wollten sie mit ihm feiern, ein großes Fest, in dem nur Götter Zutritt hatten. Mit diesem Gedanken schloss ich die Augen und lauschte dem Klang des Windes, welcher durch die Pflanzen wehte und ihren Duft zu meiner Nase trug. Kurze Zeit später war ich eingeschlafen.

Sweet Dreams- Du musst dich nur erinnernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt