Prolog

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Es war Vollmond. Strahlend hell und groß leuchtete der Mond und beschien die Lichtung, auf der sich fast das ganze Rudel zusammengefunden hatte.

Jederzeit konnte es passieren. Meine erste Verwandlung.
Sicherheitshalber schickte man auch jüngere Werwölfe wie 12-jährige aufwärts hierher. Denn es ließ sich nicht genau voraussagen, wann genau die erste Verwandlung stattfand.

Doch spätestens nach seinem 16. Geburtstag verwandelte man sich. Genauer gesagt beim ersten Vollmond nach dem Geburtstag.
Also war es heute so weit für mich.

Die Älteren waren schon längst in ihrer Wolfsgestalt und warteten gebannt auf die Jüngeren.
Und sie mussten nicht lange warten.
Je höher der Mond wanderte, desto mehr verwandelten sich.

Fasziniert sah ich ihnen zu. Bevor sich bei mir keine Anzeichen einer Verwandlung zeigten, konnte ich sowieso nichts anderes tun als abzuwarten.

Doch vielleicht war es keine so gute Idee, den Jüngeren bei der Verwandlung zuzusehen.
Überall erklang Wimmern, Stöhnen und sogar kleine spitze Schreie.
Die erste Verwandlung war die unangenehmste.
Ich wusste, ich würde froh sein, wenn ich sie hinter mich gebracht hatte.

Da ich den Anblick von brechenden Knochen und verformenden Gestalten nicht mehr ertragen konnte, wandte ich mich dem Vollmond zu.
Leuchtend hell erstrahlte er am dunklen Nachthimmel.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich ihn reglos angestarrt hatte, als ich ein plötzliches Brennen verspürte.
Mit gerunzelter Stirn blickte ich auf meine Brustgegend, woher das Brennen kam.
Doch ich konnte rein gar nichts entdecken.

Trotzdem hörte es nicht auf, im Gegenteil, es breitete sich aus. Von meiner Brust aus wanderte es nach alle Seiten. Und damit der Schmerz.
Ich keuchte auf. War es das? Begann die Verwandlung?

Das Brennen schien mit jedem weiteren Zentimeter stärker zu werden, immer stärker und stärker....
Wie von weiter Ferne hörte ich jemanden schreien. Erst später würde mir klar werden, dass ich diejenige war, die schrie.

Das Brennen schien nun zu einem Feuer ausgeartet, das mich von innen heraus verbrannte.
Mittlerweile hatte ich mich auf alle Viere begeben und schrie mir die Kehle wund.

Aufhören, es soll aufhören!

Keine Ahnung, wie lange das andauerte, aber irgendwann ließ es nach. Stück für Stück wurde das Brennen und damit der Schmerz weniger. Ich konnte wieder die kühle Luft spüren, die meinen schmerzenden Körper umschemeichelte.
Erleichtert atmete ich aus. Es war vorbei. Endlich.

Als ich meine Augen öffnete, blickte ich auf Pfoten.
Ich hatte mich verwandelt. Ich war ein Wolf!

Helle Freude erfüllte mich. Endlich war es so weit.

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10 Stunden später:

Sonnenlicht weckte mich. Blinzelnd öffnete ich meine Augen.
Wo war ich hier? Das war eindeutig nicht mein Zimmer.
Alles war weiß. Und es roch so eigenartig, nach.... Desinfektionsmitteln?!

Plötzlich vernahm ich leise Stimmen, die näherkamen.

"...wirklich kein Heilmittel?", fragte eine besorgt klingende Frau. Erst nach einem Moment erkannte ich die Stimme. Das war Mama.

"Es tut mir wirklich sehr leid, Frau Abens, aber diese Krankheit ist nunmal sehr selten und kaum erforscht. Doch sobald es zu neuen Erkenntnissen kommt, werden wir Ihnen das melden. Bis dahin können wir nur abwarten und dafür sorgen, dass sie sich so wenig wie möglich verwandelt."

Nun hörten die Schritte auf. Sie mussten genau vor der Tür stehen.

Aber im Moment war es mir egal, ob sie gleich eintreten und mich beim Lauschen erwischen würden.
Mehr Sorgen bereitete mir das Gesagte.
Was meinten sie mit Krankheit? Mit kein Heilmittel?
Ich ahnte Schlimmes. Doch bevor ich noch weiter darüber nachgrübeln konnte, setzte meine Mutter wieder zum Reden an, während sie die Tür öffnete.

"Danke, Doktor Martens."

Kaum hatte sie das gesagt und die Tür geöffnet, trafen sich auch schon unsere Blicke.
Überrascht hielt sie inne. Doch ich hatte noch ihren besorgten und auch traurigen Gesichtsausdruck bemerkt.

Irgendwie emotionslos fragte ich:

"Was ist los?"

Traurig erwiderte Mama meinen Blick. Eine Zeit lang betrachtete sie mich so, schweigend.
Schließlich antwortete sie sichtlich erschöpft:

"Es tut mir leid, Olivia."

I'm sorry, MateWhere stories live. Discover now