Der Kampf

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Olivia p.o.v.

Ich rannte so schnell ich konnte. Nur war das in meinem Zustand nicht besonders schnell.
Trotzdem holte ich das Beste aus mir heraus. Mein Atem ging zu schnell. Meine Muskeln brannten.
Ich spürte die Auswirkungen des letzten Vollmondes so sehr, doch trotzdem durfte ich mich nicht schonen.

Mein Mate war in Gefahr. Ich musste ihm helfen! Ich musste ihn retten!

Plötzlich roch ich Blut. Alessandros Blut. Oh mein Gott. Ich versuchte nochmal zu beschleunigen, und auch wenn es nicht viel war, so schaffte ich es doch, ein kleines bisschen schneller zu rennen.

Dann war ich an der Stelle angelangt, wo sein Blut vergossen wurde. Gott. Hier wurde er niedergeschlagen.
Und wenn ich richtig lag, von zwei Typen.
Ich erkannte deren Duftnote nicht, doch es war klar, dass sie nur zu einem Rudel gehören konnten.
Und jetzt hatten sie Alessandro. Verdammt.
Das konnte ich nicht zulassen.

Sie hatten mich mit Silberfesseln gefoltert. Und ich war nur eine einfache Werwölfin. Was würden sie Alessandro antun? Einem Alpha?
Ich durfte nicht einmal daran denken.

Scheiße, ich musste sie einholen. Musste Alessandro retten.

Aber mir war bewusst, dass ich das in dieser Gestalt, in meiner Menschengestalt, niemals schaffen würde.

Ich musste mich in meinen Wolf verwandeln. Auch wenn es schmerzhaft sein würde. Und es seine Zeit brauchen würde, bis ich meine ganzen Wolfskräfte aktivieren konnte.
Ich musste es für Alessandro tun. Ich konnte ihn nicht einfach in den Händen dieser Sadisten lassen.

Also tat ich etwas, das ich noch nie zuvor getan hatte:
Ich verwandelte mich freiwillig.

Es war schlimmer als jemals zuvor. Meine Knochen schienen Stunden zu brauchen, um zu brechen und sich neu zu formen.
Die ganze Zeit war ich mir jeder Millisekunde bewusst, die verrann, ohne dass ich Alessandro zu Hilfe eilte.

Ich konnte so lange nicht warten. Ich musste schnell sein!
Also kratzte ich all meinen Mut zusammen und tat noch etwas für das erste Mal.
Ich rief die Mondgöttin Luna an.

Denn es steht geschrieben, dass jeder Werwolf die Mondgöttin Luna um Hilfe rufen darf, wenn er in großer Gefahr schwebt. Allerdings nur ein einziges Mal im Leben. Und allein sie würde entscheiden, ob sie den Wunsch des Werwolfs erfüllte.

Ich hoffte, sie sah meinen Wunsch als gewichtig genug an.
Wenn nicht, würde ich ihr etwas anbieten. Würde einen Preis zahlen, egal welchen.
Denn Alessandro war mir jeden Preis wert, egal wie hoch dieser auch sein mochte.

Also suchte ich die Bindung in mir zur Mondgöttin Luna, die jeder Wolf besaß. Und dann sprach ich sie an.

Luna, mein Mate ist in Gefahr. Und ich muss mich schneller verwandeln, schneller und einfach stärker sein, um ihn zu retten! Bitte, gib mir für die Zeit, die ich brauche, um ihn zu retten, die Fähigkeiten eines gesunden Wolfes! Ich bitte dich darum! Ich werde auch jeden Preis zahlen, den du verlangst!

Die Worte sprudelten in Gedanken nur so über das Band zur Mondgöttin Luna. Bangend wartete ich auf eine Antwort.
Und ich wurde nicht enttäuscht.

Jeden Preis?, fragte eine liebliche Frauenstimme nach.

Jeden Preis., bestätigte ich bestimmt.

So sei es. Aber bedenke, dass der Preis nach der vereinbarten Zeit bezahlt wird.

Und sofort spürte ich, wie die Kraft des Mondes in meinen Körper einkehrte. In einer Millisekunde war ich verwandelt.
Und ich fühlte mich stark. Stark und schnell.

Schneller als jemals zuvor. Doch ich konnte das nicht genießen. Mein Mate war in Gefahr. Jede weitere Sekunde, die ich verschwendete, konnte er leiden.

Also rannte ich los. Und wie ich rannte! Der Wald flog nur so an mir vorbei, wurde zu kaum erkennbaren Schlieren aus Grün und Braun.
Die Erde unter meinen Pfoten spritzte geradezu weg, während ich durch den Wald sprintete.
Während ich der Spur folgte, die mir mein Herz aufzeigte.
Denn die Duftspur von Alessandro war verschwunden. Sie hatten sie verwischt.

Glücklicherweise brauchte ich die nicht.
Ich fühlte mich so schnell, spürte mit jedem Meter, wie ich meinem Mate näher kam, obwohl auch er sich bewegte.

Doch ich war mit der Kraft der Mondgöttin ausgestattet. In diesem Moment war ich schneller als jeder andere lebende Werwolf auf der Welt.

Und ich würde diese kurzzeitigen Gaben bestmöglich nutzen.

Dort vorne...ich konnte sie riechen. Der Geruch dieser Sadisten heizte mich noch mehr an, und ich beschleunigte mein Tempo.
Anders als sonst ging mein Atem nicht keuchend, sondern ruhig, als wäre das hier nur ein leichter Spaziergang.
Meine Muskeln brannten kaum.

Und schneller als der Wind war ich bei meinem Mate angelangt. Mit einem Knurren sprang ich den großen Mann an, der meinen Mate auf der Schulter trug.
Sie hatten mich nicht gehört. Das musste ein weiteres Geschenk der Mondgöttin gewesen sein.

So war der Mann überrumpelt, als ich ihn zu Boden warf. Außer mir vor Wut ging ich ihm sofort an die Kehle. Erschrocken und voller Angst schrie er auf. Ich riss trotzdem an seiner Kehle, so dass Blut spritze. Sein Schrei endete in einem Gurgeln.
Ich verhielt mich grausam, aber in diesem Moment hatte dieser endlose Zorn mich so sehr im Griff, dass es mir egal war. Es ging hier nur um Alessandro, meinen Mate.
Dem sie wehgetan hatten.

Wütend richtete ich mich auf und blickte zu dem anderen Mann hinüber.
Mit schreckgeweiteten Augen und blassen Gesicht starrte dieser mich an.
Ich knurrte wütend und er wich hastig einem Schritt zurück.
Gut so.

Doch trotzdem nahm ich Anlauf und sprang auf ihn zu. Er rannte weg und verwandelte sich in seinen Wolf. Aber trotzdem hatte er keine Chance.

Schon war ich auf ihm und riss ihn zu Boden. Wie bei dem anderen Typen ging ich ihm an die Kehle. Er wehrte sich aber heftig, und zusammen rollten wir über den Boden.
Knurrend schnappte er nach meiner Kehle, doch ich wich ihm aus.

Auch ich schnappte nach ihm und hatte Glück. Denn ich erwischte seine Kehle und biss mich daran fest. Egal, wie sehr er mich mit seinen Krallen kratzte, ich ließ nicht los.

Blut füllte meinen Mund. Ekelhaftes Sadistenblut. Trotzdem wagte ich nicht loszulassen und auszuspucken.

Irgendwann erschlafften seine Glieder, seine Bewegungen ließen nach. Und hörten schließlich ganz auf.

Auch ich ließ ihn los und blickte mich um. Waren das alle Mitglieder des Rudels?
Ich konnte keine weiteren erkennen. Trotzdem konnten sie jeden Moment auftauchen.
Daher ging ich schnell zu Alessandro, der bei dem großen Typen lag.

Vorsichtig stupste ich ihn mit der Nase an. Er rührte sich nicht. Eiskalte Angst umschloss mein Herz.
Er war doch nicht etwa...?

Doch da... Seine Augenlider flatterten. Tiefste Erleichterung durchflutete mich.
Er war am Leben. Ich hatte ihn gerettet.

In diesem Moment vergaß ich den Preis, den ich dafür würde zahlen müssen.

I'm sorry, MateWhere stories live. Discover now