Teil 16 - Der Unbekannte

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"Danke Mai.", rief ich ihr schon von Weitem entgegen als sie am Schultor auf mich wartete. "Sorry, das ist alles ein wenig kurzfristig." Unsicher sah ich der Brünette ins Gesicht, welche mich nun verwirrt ansah. "Doch nicht deswegen. Ich hab dich mindestens genauso überrumpelt." Natürlich hatte sie das, doch war das für mich nichts Neues. Mai hatte vorgeschlagen mit mir ein Duett zu tanzen für den anstehenden Wettbewerb an ihrer Schule. Es gab nicht häufig die Gelegenheit dass Außenstehende sich das Gelände ansehen konnten, weshalb diese Chance eine war, die es zu ergreifen galt. Da das Training diesen Samstag wohl ausfiel, schließlich konnte ich das Trainingscamp nicht eben verlassen, hatte ich den Coach gebeten den Freitag noch Frei zu bekommen. In der Eile hatte ich nur Oikawa Bescheid gegeben, Hajime aber völlig vergessen. Im Nachhinein betrachtet, war das ein Disaster. "Also, wo geht's hin?", fragte sie mich grinsend. Mit ihrer Sporttasche bewaffnet folgte sie mir zu den Umkleiden und warf sich mit mir kurz in die Trainingshose und den bauchfreien Pulli. Es gab nicht viele Orte an denen wir trainieren konnten, allerdings waren die Trainingsplätze abends häufig leer, weswegen wir uns einfach auf das Feld des Leichtathletikclubs vedrückten und dort die ohnehin leere Laufbahn für uns beanspruchten. Freitags war der Club eh nie am trainieren. Noch immer grinsend wie ein Honigkuchen packte Mai ihre Bluetooth Box aus und Verband ihr Smartphone mit dem Lautsprecher. "Ich habe schonmal einige Lieder raus gesucht, aber ich denke, wir einigen uns noch auf eines." "Mhm." Ich saß ihr im Schneidersitz gegenüber. Kaum zu glauben, dass ich mich wirklich darauf eingelassen hatte. Nach und nach spielte sie mir einige Lieder vor. 'Some say' war darunter, ebenso 'lost control' und 'ignite'. Ich wusste, dass Mai nicht unbedingt Lieder wählen würde, die einfach zu Choreographien wären. Dennoch kam mir die Vorauswahl etwas zu unpassend vor. "Sag mal, wonach hast du die Lieder gewählt? Die sind nicht unbedingt einfach." Mai grinste auf meine Frage hin und schelmisch und sah mir in die Augen. "Ich dachte mir, lass den guten Iwaizumi-kun ein Feuerwerk an Midori-Emotionen sehen." Natürlich. Wie sollte es auch anders sein. Sicher beschrieben die Lieder allesamt, was ich derzeitig empfand. Mai hatte eindeutig ein gutes Ohr und Auge für so etwas. Ich war unsicher, verlor immer und immer wieder die Kontrolle über meinen sonst so kühlen Kopf und explodierte förmlich bei jeder Berührung von Hajime. Seufzend sah ich Mai in ihre freudig glänzenden Augen. Sie leuchtete vor Aufregung, weshalb es noch um einiges schwerer wurde, ihr aus dem Kopf zu schlagen, was sie sich vorstellte. "Also schön", gab ich letztendlich einfach nach. "Ignite." "Verstehe, sie will also lieber auf Körperebene anfangen.", piekste Mai mir in die Seite und entlockte mir dabei ein Grummeln. Ihr anschließendes Kichern versuchte ich möglichst zu ignorieren.
Also machten wir uns daran die Choreografie zu planen und bemerkten nicht, wie sich der dämmernde Himmel langsam aber sicher mit dicken Wolken zu zog. Nur von Weitem hörten wir jemanden rufen als wir den Plan fertig hatten. Woher die Stimme kam, sahen wir erst als der Zaun um den Sportplatz aufzitterte. Ein Junge mit sichtlich blond gefärbten Haaren und einem breiten Grinsen auf den Lippen sah zu uns herüber. "Hey ihr beiden!", rief er uns nochmals entgegen. "Eine von euch kennt sich doch sicher hier aus." Sofort wanderte seine Hand in seinen Nacken. Er erinnerte mich an Hajime. Mit einem Unterschied. Mein Spiker lächelte nicht so offensichtlich mit falschen Absichten. Mai schien sich daran nicht zu stören, denn grinsend packte sie unsere Sachen zusammen und ging zu ihm ans Gitter. "Warum?" Ihr schmaler Körper versperrte mir den Blick auf den Unbekannten. "Naja, ich bin hier zum Trainingscamp und hab mich von der Unterkunft zur Halle verlaufen. Zudem regnet es sicher gleich. Ihr beiden Süßen solltet vielleicht noch unbedingt hier bleiben." Unsicher sah ich bei seiner Bemerkung nach oben. Wir hatten wirklich nicht bemerkt wie während der Dämmerung sich dicke Wolken durch das Himmelszelt geschoben hatten. Widerwillig stand ich auf und klopfte mir den wenigen Sand der auf der Laufbahn gelegen hatte von der Hose, schnappte mir die Tasche mit den Aufzeichnungen und der Technik und ging einige Schritte auf den Typen am Gitter zu. "Volleyball?", fragte ich sichtlich desinteressiert. Nachdem er meine Vermutung bestätigte, deutete ich ihm, dass er uns folgen sollte. Wenn es bald regnete mussten Mai und ich ohnehin einen anderen Ort finden an dem wir dir Choreo einmal ausprobieren würden. Schweigend liefen wir drei zur Halle des Volleyballclubs, bis der Blonde laut aufseufzte. Erst jetzt blitzte ein kleines Zungenpiercing hervor. "Ich bin Yuji und ihr?", er grinste wieder bis über beide Lippen. Mai ließ sich naiv auf die Konversation ein. Ich hingegen stapfte einfach stumm weiter. Der Typ war mir nicht ganz geheuer und das wollte ich ihn auch merken lassen. "Ich bin Mai und die kleine Schmollnudel hier ist Mitani Midori." Sofort erntete sie einen grimmigen Blick für diese Aussage.  Ich konnte mir nicht helfen, aber je näher wir der Sporthalle kamen, desto entspannter wurde ich. Hajime war sicher krank vor Sorge, weil ich ihm nichts gesagt hatte. Desto größer war meine Freude ihn endlich wieder zu sehen. Erstaunlicherweise ließen die letzten 15 Stunden nicht viel Kontakt zueinander zu.

Noch immer war Midori nicht in der Halle eingetroffen. Bereits drei Stunden hätte sie hier sein müssen, doch von dem Blondschopf fehlte jede Spur. Auch hier in der Halle konnte man spüren, wie sich draußen was zusammenbraute. Der Wind presste sich förmlich in das Gebäude. Es roch nach Regen. Meine Sorge wurde also von Minute zu Minute größer. Ihr war doch nichts passiert, oder? Der Drang nach dem Mädchen zu suchen wurde immer stärker, doch mahnte Oikawa mich immer wieder, ich solle gefälligst nicht so einnehmend sein. Sagen wo sie blieb, wollte mir der Idiot allerdings auch nicht. Ein lautes Grollen war draußen zu hören, dicht gefolgt von dem Geräusch des Platzregens welcher zu Boden ging. Grimmig knirschte ich die Zähne aufeinander und starrte auf den Ball in meiner Hand. Der Setter neben mir wusste natürlich sofort was los war. Bevor er allerdings ein Wort sagen konnte, drückte ich ihm das runde Leder in die Hand und hielt schnurstracks auf die Hallentür zu. Lass ihn sagen was er will. Midori würde sich den Tod holen, wenn sie jetzt draußen herum läuft. Ich musste sie suchen.

Harte Schale, Weicher Kern (Iwaizumi X OC) Where stories live. Discover now