Kapitel 37 - Kaitlin

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Nach einem gemütlichem und langem Abend mit meinem Bruder Greg, seiner Frau Denise und Theo verabschiedeten Maura und ich uns von ihnen. Wir standen an der Tür und sahen ihnen zu wie sie ins Auto stiegen, zuwinkten und weg fuhren.

'Tschüss! Bis zum nächsten Mal!', rief Judith, die beste Freundin meiner Mutter uns zu. Meine Mum lachte und ihre Augen leuchteten. 'Ja! Pass auf dich auf! Und hab Spass in Australien!', rief sie zurück. Judith winkte nochmal und stieg anschliessend ins Auto. Meine Mutter umarmte mich von hinten und legte ihren Kopf auf meine rechte Schulter. Ihre langen Haare kitzelten auf meiner Schulter, da ich ein Spaghettitop trug. Ich spürte wie etwas auf meine Haut tropfte, dann schniefte meine Mum leise. Ihre beste Freundin würde nun für ein ganzes Jahr in Australien leben, wegen ihrer Arbeit als Moderatorin. Judith startete den Motor vom Auto, warf uns noch ein letztes Mal Luftküsschen zu und fuhr weg. Ich drehte mich so gut wie es ging um und schloss meine Mum in meine Arme.

So standen wir lange in der Tür, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Ich wollte nicht wissen wie es sich anfühlte, wie die eigene beste Freundin für ein Jahr in ein anderes Land zog.. Klar gab es noch Skype und andere Möglichkeiten um in Kontakt zu bleiben, aber wegen der Zeitverschiebung, würde das auch nicht wirklich hervorragend klappen. Es war auch nicht dasselbe, denn wenn man mal seine beste Freundin brauchte, war sie nicht in einer halben Stunde bei dir.. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie ich ohne Bonnie leben konnte. Sie war meine bessere Seite.. Meine Schwester. Wir sind so verschieden, aber auch irgendwie gleich. Immer hatten wir den gleichen dummen Gedanken, konnten über die blödesten Sachen lachen und immer aus jeder dummer Situation das beste draus machen. Bonnie stand immer hinter mir und wir wussten dass wir uns aufeinander verlassen konnten.. Das machte eben eine beste Freundin aus. Was würde ein Mädchen ohne eine beste Freundin machen?

Mit der Hand strich ich eine Träne von meiner Wange.. Damals glaubte ich, dass unsere Freundschaft für immer sei. Jedoch wusste ich es jetzt besser. Jede Freundschaft vergeht. Jede Freundschaft hat ein Ablaufdatum. Manche halten länger, andere nicht. Wenn eine Freundschaft vorrüber geht, dann entsteht eine Neue. Jeder Mensch hat viele Gesichter, jedoch zeigt er dir erst sein wahres Gesicht, wenn du in Not bist. Erst dann lernst du deine wahren Freunde kennen. Die, die immer hinter dir stehen.

'Kaitlin?', riss mich Maura aus meinen Gedanken. 'Ehm, wegem dem Vorfall vor einer Woche.. Alex hat mich darüber informiert.. Danach hatte ich noch lange mit Greg gesprochen, Niall ist ja im Moment am anderen Ende der Welt und wir konnten nicht so gut reden.. Egal, wir denken, es ist besser, dass-' Ich wusste, was jetzt kommen würde. Sie ertrugen es nicht mehr ein depressives Mädchen als Tochter, Schwester zu haben.. 'Was?! Wollt ihr mich wieder in eine Klinik stecken, da ich zu nichts tauge?', unterbrach ich sie aggressiv.

'Nein.', antwortete sie mit fester Stimme, 'Kaitlin, Schatz, wir wollen dir doch nur helfen.. Wir wollen, dass du mindestens einmal pro Woche zum Psychologen gehst. Ich hab dir auch schon einen Termin genommen, der ist morgen.' Ich nickte langsam. 'Okay, in Ordnung.', stimmte ich ihr zu. Wenn es die Beiden glücklich machte und ich wusste, dass es einfacher wurde, wenn man mit einer neutralen Person sprechen konnte. Dass man sich danach befreit fühlt. Ich wusste selbst, dass ich zu negativ dachte, aber ich konnte es einfach nicht abstellen. Es wäre so, als würde man, wenn man Hunger hatte, sich selbst befehlen, keinen mehr zu haben. Es war also unmöglich diese Dämonen aus dem Kopf zu bekommen. Maura umarmte mich und ging dann zurück ins Haus.

Das Verhältnis zwischen Maura und mir, hatte sich immer noch nicht gebessert. Ich war irgendwie verletzt, dass sie mich damals weg gegeben hatte. Auch wenn ich das erst vor kurzem erfahren hatte, gab es mir trotzdem einen Stich ins Herz. War ich ihr damals nicht so wichtig, dass sie mich weggegeben hatte? Maura war noch nicht bereit darüber zu sprechen, mir alles zu erzählen und ich war noch nicht bereit es zu hören. Deswegen hatten wir diesen unausgesprochenen Deal, erst dieses Thema zu erwähnen, wenn Beide bereit waren. Jedoch hatte sich zwischen uns einen Spalt gebildet und diesen konnten wir nicht einfach so überwinden. Wir verstanden uns gut und stritten uns eigentlich nie, jedoch war es bei ihr nicht sofort so wie bei Niall und mir.

Niall konnte ich von der ersten Sekunde an vertrauen. Greg auch, aber dadurch, dass Niall mich nach meinem ersten Albtraum beruhigt hatte, war unser Verhältnis besser. Bei ihm hatte ich auch nicht das Gefühl, dass er mich verurteilen würde..

Bei Greg und Maura auch nicht, jedoch schauten die Beiden mich manchmal mit so einem seltsamen Blick an, den ich nicht deuten konnte.. Niall hatte diesen Blick noch nie gehabt. Meinen biologischen Vater hatte ich noch nicht kennen gelernt. Irgendwie wollte ich ihn auch nicht wirklich kennenlernen.. Denn er musste ja auch einen Grund gehabt haben, Maura zu unterstützen, mich weg zu geben.. Hätte er das nicht gewollt, hätte er um mich gekämpft und es nicht einfach zugelassen. Hat er aber nicht, also hatte er mich sicherlich nicht genug geliebt.

***

'Wie geht es dir?', fragte Cassandra, meine Psychologin. 'Hm.', machte ich. Obwohl ich wusste, dass es mir helfen würde, hatte ich keine Lust. Immer wieder diese eine Frage. Fragend zog sie eine Augenbraue hoch und ab diesem Moment wusste ich was ihre Masche war, um Antworten von ihren Patienten zu bekommen. Mein früherer Psycholog in der Klinik fragte einen solange, bis es anfing zu nerven und man dann auf die Fragen antwortete. Aber sie hatte diesen perfekten fragenden Blick. Es schien fast so, als ob er durch dich hindurch gehen würde. 'Ich weiss nicht.', antwortete ich ehrlich. Ich wusste es wirklich nicht. Heute Morgen war ich mit einem mulmigen Gefühl aufgestanden, wissend dass ich heute über alles was passiert war, reden musste. Sie zog wieder ihre Augenbraue hoch und ich seufzte. 'Es ist schwer zu beschreiben, Cassandra.', sagte ich zu ihr. 'Cassy, bitte.', lächelte sie. 'Also nochmal. Wie fühlst du dich?'

'Durcheinander.', gab ich ihr als Antwort. Dieses Wort beschrieb genau meine Gefühle. Ich war durcheinander, da ich nicht wusste, wie ich mit den vielen Emotionen umzugehen hatte. 'Warum?'

'Es wird mir einfach alles zu viel. Erst erfuhr ich, dass meine Eltern gar nicht meine Eltern waren, dann ist Niall Horan, DER Mädchenschwarm der Welt mein Bruder, dann sind da noch seine Bandkollegen, die mich sofort aufgenommmen hatten, so als wäre ich ein normales Mädchen, ohne Vorgeschichte. Meinen biologischen Vater, den ich immer noch nicht kennen gelernt hab. Meine Ex beste Freundin, die mich jetzt noch mehr hasst-', ich konnte meinen Redeschwall nicht mehr stoppen.

'So immer mal mit der Ruhe, Katie. Tief durchatmen. Es gibt für alles eine Lösung vergiss das nicht. Und das hier ist auch erst unsere erste Stunde. Stell dir deine Probleme wie einen großen Kuchen vor. Du kannst so einen großen Kuchen ja auch nicht sofort ganz aufessen. Du isst immer kleine Stückchen davon, bis nichts mehr übrig bleibt. Genau so funktioniert das auch mit deinen inneren Konflikten. Sich immer mit einem Problem auseinander setzen, eine Lösung finden, Dinge verarbeiten, solange bis sich alles aufgelöst hat. Okay?', unterbrach sie mich. Ich nickte. Ihre Metapher klang logisch, irgendwie. Man konnte nicht alles auf einmal aufessen, sonst würde man platzen und es wäre viel zu anstrengend.

'Also welches Stück Kuchen sollen wir zuerst essen?', fragte sie lächelnd, was ich erwiderte.

BrokenWhere stories live. Discover now