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„I'm ruined by your voice's
deep dark lullaby."

...

Flora schlief tief und fest. Ihre Brust hebte und senkte sich gleichmäßig, während ihre Augen geschlossen waren. Nachdenklich musterte Yeomra den Menschen vor sich. Sie schaute so friedlich aus, so verletzlich. Er musterte seine Hände, an denen Blut von vergangenen Zeiten klebte.

Langsam richtete er sich auf und blickte auf den Palast. Die Menschen verachteten ihn, seine Existenz. Verständlich. Besser fürchteten sie ihn, hassten ihn, anstelle ihm zu verzeihen. Würde es wieder Kontrolle erlangen, würde wieder eine Katastrophe geschehen. Seine Schwester tat dasselbe. Sie waren eins, dasselbe Blut. Doch waren geschaffen, um sich gegenseitig zu vernichten.

Sein Blick wanderte wieder zu Flora, welche im Schlaf lächelte und irgendetwas brummelte. Würde ihr etwas geschehen, würde er es sich nie verzeihen. Er wusste nicht einmal, wieso solche Gedanken durch seinen Kopf gingen. Es nervte ihn, es störte seine Arbeit. Seit wann war er daran interessiert, Gutes zu tun?

Seufzend ließ Yeomra sich am Baumstamm hinabsinken und spielte mit dem Amulett, dass er seit Kindestagen mit sich herumtrug. Es würde wieder ein Krieg ausbrechen, es würde wieder Opfer geben. Er musste seine Schwester finden, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. Sie mussten Frieden schließen. Er war müde vom Krieg, müde vom Kämpfen.

Das sanfte Rascheln der Blätter und der zarte Wind, der mit seinen Haaren spielte leiteten ihn in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

...

Hohe, schwere Holzregale türmten sich wie Burgen die Wände hinauf. Gefüllt mit alten, dicken Büchern in denen Jahrtausende altes Wissen geschrieben stand. Legenden, Geschichten und Ereignisse. All dies, stand ordentlich sortiert in diesen Regalen.

Ehrfürchtig strichen ihre Finger über die ledernden Buchrücken und fasziniert musterte sie einzelne Zeichnungen, welche vorsichtig in die Umschläge geritzt wurden. „Ich denke wir brauchen das hier." Erklang plötzlich eine tiefe, raue Stimme und ließ Keana zusammenzucken. Sie drehte sich um und blickte der großen, athletischen Gestalt von Artair entgegen. Das Licht umhüllte ihn wie ein Gewand, er hatte die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht gezogen und man sah nur seine Augen grünlich Schimmern. „Hast du das Buch gefunden?" Erstaunt sah Keana zu dem Elfen, welcher zufrieden grinste. „Tatsächlich ja." Meinte dieser dann und ließ sich auf einen der Stühle sinken. „Es ist ein Tagebuch." Stellte Keana fest, nachdem sie vorsichtig die erste Seite aufschlug. „Von wem?" Wollte ihr Nachbar wissen. „Der Elfenkönigin." Hauchte Keana voller Achtung. „Was?" Artairs Stimme war tonlos. Die Königin sah, wie der Schattenelf vorsichtig das Buch zu sich zog und die Seiten begann zu lesen.

   23. Mondenwende

  Ich hatte noch nie meine Gedanken oder Gefühle aufgeschrieben, doch als ich heute einen König als Mann nahm, wusste ich, dass ich dies brauchen würde.

Wir befinden uns in einer Krise, Kreatos und Leandria stehen kurz vor einem Krieg. Wir benötigen dringend ein Bündnis, doch unser König ist ignorant - wohl eher seine Berater. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Er war zuvor noch nie so gewesen wie jetzt. Irgendetwas scheint ihm zuzusetzen, etwas scheint ihn zu beunruhigen.  Ich wünschte, ich wüsste was es ist.

Ich trage mein erstes Kind in mir, die Yeīywyā sagt, die Mondgöttin würde mir einen Erben schenken. Es erfüllt mich mit Freude und gleichzeitig macht es mir Angst. Einem Sohn solch eine Last aufzuerlegen. Er würde ein ganzes Königreich auf seinen Schultern tragen müssen.

Später findet ein Abendmahl statt, die wichtigsten Oberhäupter der Lichtwesen würden erscheinen. Wir werden darüber urteilen, was mit Kreatos geschehen würde. Was sollte ich davon halten? Meine Hebamme, eine Kreatonierin und gleichzeitig meine engste Freundin würde bald ein Feind sein. Es gefiel mir nicht, doch schon vor langer Zeit hatte ich meinen Einfluss auf den König verloren. Ich hatte das Gefühl, seine Liebe für mich, war verblü -

Artair schlug das Buch zu und blickte starr gerade aus. Viele Gedanken stoben ihm durch den Kopf. Was war es, dass seine Mutter beunruhigte? Wieso stand Leandria und Kreatos schon vor ihrem Tod kurz vor einem Krieg, wenn jeder doch sagte, es war ihr Tod, der diesen Konflikt ausgelöst hatte? Und wie kam Kreatos in den Besitz dieses Tagebuches? Er spannte seinen Kiefer an und richtete sich auf.

Wut und Trauer traf ihn wie eine Welle, drohte ihm den Boden unter den Füßen wegzureißen. Er hatte das Gefühl, er würde noch einmal seine sterbende Mutter in den Armen halten. Ihre schwache Berührung an seiner Wange spüren, sehen wie ihre Augen zufielen. Aufgebracht schlug er gegen die Wand und schnaubte. Diese Gedanken sollten aufhören. Er wollte diesen Schmerz nicht spüren!

„Artair.." Erklang Keanas Stimme beruhigend.  „Wieso hat man sie getötet.." Murmelte er leise und starrte in den düsteren Gang. „Wieso!" Wütend raufte er sich die Haare und wollte den Raum verlassen, doch Keanas ergiff sein Handgelenk. Sanft, aber bestimmt zog sie ihn zurück. „Die Antwort werden wir finden, Gemeinsam." Meinte sie dann und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Versprochen." Flüsterte sie und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange.

Krone der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt