Adoptiert

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"Und du denkst, dass ich das nicht schon seit Monaten vermutet habe, weil?", fragt Lady Integra am nächsten Tag. Immerhin muss ich das ja eigentlich mit ihr absprechen, dass ich nicht nur temporär bin, sondern ein festes Mitglied sein möchte. "Ich... ehm..." Die blondhaarige sieht von ihrem Schreibtisch auf. "Flo. Du bist ein Teil dieser Organisation. Wenn du immer noch zurück wollen würdest, müsste ich dich irgendwie zwingen, hier zu bleiben. Wir brauchen dich und deine Kenntnisse. Und jetzt geh wieder zurück an deine Arbeit. Ich werde ein Konto für dich einrichten, auf dass du monatlich ein kleines Gehalt bekommst. Kosten für wohnen, essen, trinken und Strom sind schon abgezogen." Leicht beuge ich nach vorn. "Kann... Kann es sein, dass ich schon von Anfang an adoptiert wurde?" Die blauen Augen treffen meine. "Ja. Und jetzt geh zu den anderen Kindern. Ich habe zu tun."

Schmunzelnd und leicht mit dem Kopf schüttelnd, schließe ich die Tür der Lady hinter mir und laufe fast in Seras rein. "Du bleibst hier?", fragt sie und ich nicke. Ihre Mundwinkel gehen hoch und ich werde in die Arme genommen. Okay. Seit WANN sind wir beide so nah? Was habe ich verpasst? "Und alles gute nachträglich zum Geburtstag, Flo!" Sie lässt mich los und sieht kurz auf die Seite. "Tut mir leid, wenn ich kalt rüber gekommen bin. Ich mag es nur nicht, wenn Leute, die ich mag, mich verlassen. Aber jetzt, da du bleibst..." Mir selbst entkommt ein Lachen. Ich kann sie verstehen! Obwohl mein Charaktertyp es nicht zugelassen hätte, dass ich sie so weit von mir weg dränge. "Wir haben einiges nachzuholen.", bringe ich raus und sie nickt. "Ich bin dabei! Heute habe ich aber einen Auftrag. Morgen Abend?" Breit grinse ich. "Acht. Bei mir. Vielleicht lassen wir irgendwelche Filme nebenbei laufen. Popcorn?" Sie ist dabei.

Jedoch war sie nicht umsonst vor der Tür, denn sie muss zur Lady. Wahrscheinlich, um noch einmal die Details zu besprechen. Vor mich hin lächelnd, gehe ich durch die Gänge und muss zu Pip. Immerhin sollte er von der Adoption von vor ein paar Monaten in Kenntnis gesetzt werden! "Hm... Du lächelst mir zu viel. Was ist passiert. Ist Pip auf die Schnauze geflogen?" Ich bleibe stehen und sehe zu Alucard, der sich zu mir gesellt. "Nur auf dem Weg zu Pip. Kommst du mit? Könnte dich auch interessieren!" Das lässt sich der schwarzhaarige nicht zwei Mal sagen. "Aber... sag mir jetzt nicht, dass du es nicht weißt. Mensch, Alucard. Spionierst du mir mal nicht hinterher? Und bist du ausnahmsweise mal nicht in meinem Kopf?" Leicht herausfordernd blickt er auf mich hinunter. "Ich könnte. Aber du wolltest deine Privatsphäre." Dankbar, dass er es endlich respektiert, nicke ich.

In der Küche ist er nicht. Auch nicht in seinem Zimmer. Dann fällt mir ein, dass er ja für einen einspringen musste, der den gestrigen Abend nicht so gut vertragen hat! Also noch einmal raus und ihn dort suchen. Essen kann ich später. Endlich haben wir ihn auf der anderen Seite des Anwesens gefunden. Eigentlich nur dank Alucard, der mich hingeleitet hat. "Flo? Was ist los?", fragt er und runzelt die Stirn. Ein Blick zu ihm. Ein Blick zu Alucard. "Ihr werdet mich nicht los, Leute. Ich bleibe hier. Integra hat dem allen statt gegeben. Und an sich bin ich schon von Anfang an adoptiert gewesen. Hat sie sogar zugestimmt!" Lachend werde ich von Pip fast auf den Boden geschmissen, als dieser vor Freude kaum noch inne halten kann. Das fette Grinsen geht nicht mehr aus meinem Gesicht, während ich fast erdrückt werde.

"Du gehörst ab jetzt zum Inventar. Punkt!", meint der langhaarige und lässt mich los, ehe er sich aufrichtet und ebenfalls breit grinst. Doch schnell bekommt er einen fragenden Ausdruck. "Deswegen das Handy?" Auch mein Grinsen geht weg. "Ich weiß es nicht. Aber ich vermute es. Anders ist das nicht zu erklären. Ist zwar ein wenig mystisch und so, aber... in dieser Welt existieren Vampire. Mich würde es nicht wundern, wenn so etwas auch geht." Pip richtet sich seinen Hut und nickt. "Was willst du damit machen? Wir haben nichts, was es laden könnte." Ich weiß ganz genau, was ich damit mache. "Warten, bis ein Ladekabel dafür auf den Markt kommt. Da sind die Bilder meiner Familie drauf. Ich will sie nicht verlieren." Aufmunternd wuschelt er mir durch die Haare. "Das wird schon. Aber ich muss jetzt wieder! Glaub aber ja nicht, dass sich die Nachricht nicht verbreitet!", ruft er und geht seiner Tätigkeit wieder nach.

Mit einem Lächeln sehe ich ihm hinterher. Hole dann das Handy hervor. Wieder gehen meine Mundwinkel runter. "Was meinte er damit?" Alucard hat sich neben mich gestellt und ich sehe zu ihm hoch. "Das Handy... Kein normales Handy hält für Tage, geschweige denn Wochen oder sogar Monate den gleichen Akkustand! Niemals. Aber das hat es. Gestern habe ich beschlossen, dass ich hier bleibe. Keine Suche mehr nach irgendwelchen Wegen. Und kurz danach hat es den Geist aufgegeben. Ich glaube nicht an Zufälle, Alucard. Es hat so lange gehalten, bis ich mir sicher war, dass ich nicht mehr zurück will." Das Gerät verschwindet wieder in meiner Jackentasche und ich sehe erneut zu ihm. Ein wenig enttäuscht. "Hey... bist du gar nicht froh, dass ich da bleibe?", brumme ich und verziehe leicht mein Gesicht. Anhand seines Verhaltens in den letzten Wochen und vor allem gestern hätte ich gedacht, dass er sich mehr freut.

Ohne ein Wort zu sagen, legt er eine Hand auf meine Schulter und wir sinken in den Schatten, ehe wir auf dem Dach des Anwesens wieder auftauchen. "Ich finde ja die Aussicht hier oben eigentlich ganz schön. Aber... warum genau sind wie hier?", frage ich ein wenig unsicher. Alucard setzt sich an den Rand des flachen Dachteils und deutet mir an, mich zu ihm zu setzen. Bevor ich meinen Hintern allerdings auf den Untergrund pflanzen kann, packt er mich, setzt mich auf seinen Schoss und hält mein Gesicht in seinen Händen. "Du hast keine Ahnung, wie erleichtert ich bin.", meint er und nimmt die Brille runter, während ich ein wenig Angst habe, nach hinten kippen zu können. Oder ihn durch mein Gewicht zu verletzen! "Du warst mir nie zu schwer, Missy. Bist es nicht und wirst es nie sein. Du kannst dich auf mich setzen, auf mich legen oder auf mich springen. Das ist mir egal, verstanden?" Sein Gesicht kommt näher. "Ich werde dich immer halten.", raunt er leise. Als sich unsere Lippen treffen, schließe ich die Augen. Vertraue ihm vollkommen. 

Point of no returnWhere stories live. Discover now