Gute alte Handarbeit

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Die Leichen kann ich links liegen lassen. Was mir mehr Sorgen macht, ist Seras. Sie liegt, wie Alucard, auf dem Boden. Nur ist um sie herum ein Käfig aufgebaut. "Den kann ich nicht so leicht auseinander bauen, wie die beschissene Türklinke.", fluche ich und knie mich vor den Käfig hin. "Nicht... berühren...", bringt Seras raus und ich stoppe meine Hand, kurz bevor sie die Gitterstäbe berührt hätte. Alucard kniet sich neben mich hin. Mustert den Käfig. Fährt mit dem Handschuh über die Stäbe und betrachtet den kleinen Fleck auf den Fingerspitzen. Riecht daran und verzieht das Gesicht. "Eisenhut. Das Gift dringt durch die normale Haut.", knurrt er und ich sehe mich um. Jeder der hier Anwesenden, oder jetzt nur noch körperlich Anwesenden, trägt Handschuhe. Bevor ich allerdings fragen kann, wie wir Seras herausholen sollen, ist Alucard schon durch die Stäbe, hebt Seras hoch und bringt sie nach draußen.

Ihm zuzusehen, wie er Seras Blut gibt, gibt mir nur kurz einen Stich der Eifersucht, ehe ich eher von so etwas wie Sorge und Verständnis übernommen werde. Alucard ist ihr Meister. Wenn er sich nicht um sie kümmern würde, wäre er ein riesiger Arsch. Auch sie kommt überraschend schnell wieder auf die Beine, als sie das Blut trinkt und keine 10 Minuten später sind beide Vampire wohl auf. Und ich bin erleichtert. "Du weißt nicht zufällig, wo der Stick ist, den sie mir abgenommen haben, oder?", frage ich und muss kurz erklären, dass der umhängende Stick wahrscheinlich nicht der ist, der eigentlich zu uns gehört und wahrscheinlich Tonnen an Informationen bereit hält. Und auch kläre ich über das weitere Vorhaben auf. Dass wir das hier alles in die Luft jagen, zuvor aber das Portal finden müssen. Einfach, dass hier nichts weiter damit geschieht. Seras bietet an, nach dem Portal zu suchen! Aber das lassen weder Alucard noch ich zu.

Stattdessen schickt Alucard Baskerville los, um sich auf die Suche nach dem Stick zu machen. Ich zeige ihm, wie er aussieht und schon ist er verschwunden. Wir bleiben zusammen. Niemand wird einen Alleingang machen. Wir schützen uns gegenseitig und ich kann helfen, falls Blut gebraucht wird. Oder dumme Kommentare. Die kriege ich auch so los. Wieder durchsuche ich die Leichen, finde aber nichts, was einen Hinweis geben könnte. Auf dem PC, der hier steht, ist ebenfalls das Zeichen der Hellsing-Organisation zu sehen. Bedeutet, dass sich der Virus im gesamten System ausgebreitet hat und ein erneutes Beschaffen der Dateien eigentlich unmöglich ist. Während wir eigentlich alles durchsuchen und Seras und Alucard einige Menschen und auch Vampire oder Ghule töten, werde ich von Seras ausgequetscht, was denn nach meinem Verschwinden passiert wäre. Und, wieso auch immer, fühlt sie sich für alles verantwortlich.

"Tch. Wenn dann bin ich für den ganzen Mist verantwortlich. Immerhin wurde ICH beschworen. Wir wären nie auf die Organisation gekommen, wenn ich nicht kurz Fußball mit einer Bombe gespielt und überlebt hätte. Also... chill." Mich streckend, entspanne ich mich ein wenig. "Wenn das hier vorbei ist, hätte ich gern ein langes Bad. Bier. Und dann ein Bett. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal geschlafen habe und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es dann war, als man mich ausgeknockt hat." Jap, das klingt nach einem Plan. Nach einer weiteren Ecke und weiteren Ghulen und Vampiren, lässt Alucard uns alle anhalten. Irritiert wechseln Seras und ich ein paar unsichere Blicke, bis auch Seras besorgt wirkt. "Leute? Ich bin ein Mensch... ich spüre nicht das, was ihr spürt. Oder das, was ihr hört. Riecht. Schmeckt. Seht. WAS auch immer!" So ein auffälliges Verhalten ist nie umsonst zu zeigen. Besonders nicht in feindlicher Umgebung.

Ein leises Winseln und abrupt drehe ich meinen Kopf. Baskerville kommt zu uns gelaufen. Oder... schwebt er? Wie auch immer. Sofort gehe ich in die Knie und er bleibt vor mir stehen. Lässt etwas fallen. Der Stick! Glücklich gebe ich ihm einen Kuss auf seine Schnauze und lege meinen Kopf an seinen. "Wer ist ein guter Junge? Wer ist ein guter Junge?", frage ich und kraule ihn so richtig durch. Trotz des nebligen Körpers hat er feste Materie. Und die kann man, wie bei einem normalen Tier, anfassen. Ich hole wieder das Taschenmesser raus und ritze ein kleines Kreuz auf den Stick ein, den mir Baskerville gebracht hat, ehe ich ihn mir auch umhänge. Der Höllenhund verschwindet wieder und ich stehe auf. "Fertig? Können wir uns jetzt dem eigentlichen Problem widmen?", brummt Alucard entgeistert und ich seufze. "Klar. Wenn du mir erklären würdest, was das Problem ist, welches ich als MENSCH nicht mitbekomme, weil ich keine Vampirsinne habe...?"

Nun kann ich wirklich von Glück reden, dass ich Alucard so nah stehe. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich schon tot, weil ich nerve. "Das Portal. Und es wird echt Zeit, dass ich dich wandle." Seufzend gehe ich an ihm vorbei und in die Richtung, in die sie vorher so misstrauisch geschaut haben. "Lass mich davor wenigstens noch ein Bad und ein Bier haben, okay? Gönn mir das.", erwidere ich nur und schon sind beide Vampire neben mir. "Aber du solltest dir nicht zu viel Zeit lassen. Ich weiß nicht, wie lange du brauchen wirst." Ein kurzer Blick zu Alucard, ehe ich wieder nach vorn sehe. "Hm... es kann schnell gehen... oder ich bin eine hartnäckige Sau, hänge an meinem Leben und brauche ein wenig länger." Leicht amüsiert schnaube ich und zwinkere dem schwarzhaarigen zu. "Wolltest du mir nicht die Zeit geben, die ich brauche? Warum hetzt du plötzlich so?" Auf seinem Gesicht manifestiert sich ebenfalls ein leichtes Schmunzeln. "Weil sich deine Dienste ein wenig ausweiten werden. Und gute Handarbeit reicht oftmals nicht aus, Prinzessin."

Seras hat bisher kein Wort gesagt. Ich sehe aus dem Augenwinkel nur, wie sie angestrengt vor sich auf den Boden starrt und ihr Gesicht von einer gewissen Röte durchzogen wird. "Wo ist eigentlich das Portal? Welches Zimmer?" Ein schneller Themenwechsel sollte Seras helfen, die sich nun wieder aufrichtet und erleichtert wirkt. Ein kurzes Lachen. "Ich lass dich mal ganz wild raten. Wie klingt das?", fragt er und deutet nach vorn. Eine noch größere Flügeltür. Ohne Wachen. Aber auch ohne Möglichkeit, die Tür zu öffnen. Kein Kartenlesegerät. Kein Passwort. Kein Scanner. Nichts. Ein Mensch kommt da nicht rein. Das ist zumindest für ein Drittel dieser Gruppe durchaus beschissen. Doch Alucard nimmt nur meine Hand und sieht mich an, als habe er meine Gedanken trotz der Sperre lesen können. "Vampire kommen überall hindurch." Und bevor ich sagen kann, dass wir vielleicht eine Taktik besprechen sollten, werde ich schon durch die Tür gezogen.

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt