Übernachtungsmöglichkeit

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Erst auf dem Spielplatz, der ein wenig von meinem Haus entfernt ist, bleibe ich stehen. Habe mich zuvor über den Zaun geschwungen und sitze jetzt auf der Schaukel. Die Schaukel, auf der ich später noch sitzen werde. "Alles in Ordnung?", fragt Seras besorgt und beugt sich leicht nach vorn. Alucard schnaubt und hat seine Arme verschränkt. "Würde es dir besser gehen, wenn du deine Familie verloren hast und sie in einer anderen Welt und in der Vergangenheit wiederfindest?", knurrt er und starrt die Blondine an. "Du bist vollkommen unbekannt für sie, obwohl du sie kennst. Obwohl du all die Erinnerungen hast. Obwohl du-" "Alu!", unterbreche ich ihn. Mein Blick geht bittend zu ihm. "Alles gut! Irgendwie... Es ist alles... gut." Gezwungen lächle ich, was ihn nicht einmal ansatzweise überzeugt. "Du stehst kurz vor einem mentalen Zusammenbruch, Prinzessin. Probier die Lüge noch einmal. Vielleicht glaube ich es dir dann."

Mit zusammengepressten Lippen sehe ich nach vorn. Weiche seinem Blick aus. Ich hasse es, wenn er dahingehend recht hat. "E-Es tut mir leid, unterbrechen zu müssen. Aber..." Seras räuspert sich noch einmal. Hat ihren Kopf eingezogen und scheint vor Alucards Hand Angst zu haben. "Wir sind Nordöstlich des Gebäudes. Was jetzt?" Langsam richte ich mich auf und lasse meine Aufmerksamkeit auf den eigentlichen Grund gehen, warum wir eigentlich hier sind. "Das ist eine verdammt gute Frage.", erwidere ich nickend und denke nach. Der schwarzhaarige hingegen sieht sich kurz um. Dann zu mir. "Du hast doch gemeint, dass alles gleich ausgesehen hat, oder?" Zustimmend nicke ich wieder. "Was ist, wenn diese Organisation etwas hat, was hier in dieser Welt anders aussieht. Und nicht so ist, wie in deiner Welt? Ein anderes oder zusätzliches Gebäude? Irgendetwas anderes eben. Etwas, was hier nicht her passt. Was aber nur einem auffallen würde, der die Gegend kennt."

Das ist eine Idee, die man verfolgen kann. Ich stehe auf und atme tief durch. "Gut. Probieren wir es. Nordöstlich ist ja relativ breit. Also müssen wir vielleicht die gesamte Siedlung abgrasen." Das wird vielleicht nicht körperlich anstrengend. Aber geistig durchaus herausfordernd. An jedes Detail kann ich mich nicht erinnern. Oder ich muss erst einmal eine Ewigkeit in meinem Hirn herumkramen, um dieses eine Detail zu finden. Aber wir kriegen das schon irgendwie hin. Wir haben schon andere Dinge hinbekommen. Also wird das schon schaffbar sein! "Bist du dir sicher, dass du das schaffst?" Diese Skepsis kam von Alucard, den ich leicht fragend ansehe. "Ich habe zwei direkte Bomben überlebt, mehrere Ghul Angriffe, deine schlechten Launen und meine eigene Depression. Das wird ein reiner Spaziergang." Der entgeisterte Gesichtsausdruck von Alucard ist gerade nicht nur unterhaltsam, sondern auch ein wenig angsteinflößend. Also gehe ich lieber los und beginne mit dem kleinen Spiel. Der Suche nach Unterschieden.

Aber nichts. Weder an den Häusern ist etwas anders, noch an den Gärten. Bei den Autos kann ich nichts sagen. Da war ich echt zu jung und meine Aufmerksamkeit war auf andere Dinge gerichtet, als Autos. Selbst Hilde und Erwin, die beiden mit dem kleinen Hof am Hang, der in diese Siedlung führt, sind da. Die Hühner. Der kleine, weiße Hund. Nichts, was anders erscheint. Auch, wenn ich mich ganz genau umsehe, kann ich nichts erkennen. Und auch hinten in dem Teil, in welchem ich groß geworden bin, ist nichts anders. Jedes Haus ist dort, wo es sein soll. Alles ist an ihren Plätzen. Kinder laufen herum, obwohl es schon Abend wird. Aber hier ist es sicher. Hier kann man die Kinder wirklich noch herumlaufen lassen, ohne dass man sich Sorgen machen muss. "Ist es schwierig, hier für dich herum zu gehen? Ich meine... du kennst alle. Aber niemand dich.", fragt Seras und ich sehe zu ihr. Lächle und schüttle den Kopf.

"Klar, es ist komisch. Aber... Ich wurde schon vorher ignoriert. Nur dann wahrgenommen, wenn niemand anderes da war. Es ist nur ein wenig ungewohnt, dass es meine Eltern machen. Aber was solls. Ich habe mich schon lange daran gewöhnt, ignoriert zu werden. Das hier alles hat Ähnlichkeiten damit." Nun wirkt Seras noch besorgter, als eh schon. Eine Hand auf meiner rechten Schulter. Ich werde herum gedreht und zum Stehen gebracht. Starre Alucard überrascht an. Dessen Augen leuchten. Die Zähne zeigt er leicht drohend. "Du hast jetzt uns. Scheiß auf die anderen, klar? Hier ignoriert dich niemand!" Und schon fühle ich mich wieder wohl. Lächelnd nicke ich. "Daheim habe ich wirklich alle, die mich nicht ignorieren würden.", murmle ich leise und drehe meinen Kopf, als mir etwas einfällt. "Der Wald!" Sofort gehe ich los und lasse die beiden kurz hinter mir. Bis mir einfällt, dass sie mitkommen müssten. "Vielleicht ist es nicht hier, sondern im Wald!"

Entgeistert holen beide auf. "Also dort, wo wir eigentlich suchen wollten? Aber wir haben den Wald doch schon durchquert. Wo soll da was sein?", fragt Seras und ich sehe zu ihr. Ziehe eine Augenbraue hoch. "Der Wald ist groß, Seras. SEHR groß! Und-" "Es wird zu dunkel, als dass du etwas sehen könntest. Außerdem brauchst du als Mensch deinen Schlaf.", unterbricht Alucard das Ganze etwas harsch und lässt meine Idee, gleich in den Wald zu gehen und zu suchen, augenblicklich in Luft auflösen. Seufzend lasse ich meinen Kopf hängen. "Ja... Schlaf schön und gut. Aber erstens ist das echt wichtig und zweitens... wo willst du hier einen Schlafplatz finden? Alle Häuser sind bewohnt und außerdem ist es doch egal!" Der schwarzhaarige starrt auf mich hinunter. Sagt nichts bestimmtes, sondern starrt nur. Ich starre zurück. Das können wir meinetwegen die ganze Zeit machen. Ich habe damit kein Problem! Seras aber schon. "H-Hey... ich bin für die Seite des Meisters. Er hat recht, Flo! Du brauchst den Schlaf und du solltest nicht an ihm zweifeln."

Dass Seras seine Seite übernimmt ist eigentlich schon fast klar. Weil... Meister und so. Aber trotzdem ist es schon ein wenig enttäuschend. Leicht genervt verschränke ich die Arme und verdrehe die Augen. Gegen zwei komme ich nicht an. "Also steht es fest. Gut so. Gib mir ein paar Minuten und ich habe uns etwas gefunden. Beweg dich ja kein Stück!" Ein kurzer und herausfordernder Blick zu ihm. "Das letzte Mal bin ich fast verreckt, als du das gesagt hast." Schnaubend schnippst er mir gegen die Stirn. "Dieses Mal vergesse ich dich nicht, Prinzessin." Ein kurzer Kuss auf die Stirn und schon verschwindet er im Schatten. Ich kann ihm echt nicht sauer sein. Das nervt! "Wie ein verdammtes kleines Kätzchen... Dem kann man einfach nicht sauer sein!", maule ich, während Seras prustet und sich ein lautes Lachen verkneifen muss. Na wenigstens sie hat keine Probleme. 

Point of no returnOnde as histórias ganham vida. Descobre agora